Donnerstag6. November 2025

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DeutschlandVerhärtete Fronten beim Bürgergeld

Deutschland / Verhärtete Fronten beim Bürgergeld
„Bürgergeld“ ist auf der Homepage des deutschen Bundesministeriums für Arbeit und Soziales durch eine Brille zu lesen Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa

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Vor der mit Spannung erwarteten Sitzung des Vermittlungsausschusses signalisiert die Ampel Offenheit für Vorschläge. Doch die Zeit drängt – und die Union sieht eine Lösung noch weit entfernt. Wie geht es weiter?

Der Countdown läuft und noch ist keine Einigung in Sicht. Wegen des Streits um das geplante Bürgergeld steht die große Sozialreform der Ampel weiter auf der Kippe. Wie am Wochenende von beiden Seiten zu erfahren war, zeichnet sich noch keine Verständigung ab.

Der Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat soll eigentlich am kommenden Mittwochabend eine Lösung besiegeln, nachdem der von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) vorgelegte Entwurf in der Länderkammer vorerst durchgefallen war. Damit die Reform wie von der Ampel geplant am 1. Januar in Kraft treten kann, müsste sie am kommenden Freitag von Bundestag und Bundesrat beschlossen werden. Sollte am Mittwoch im Vermittlungsausschuss keine Einigung erzielt werden, wäre auch die vorgesehene Erhöhung der Regelsätze um 53 auf 502 Euro betroffen. Betroffen sind mehr als 5,3 Millionen Menschen, die Arbeitslosengeld II oder Sozialgeld bekommen.

Von der Union kamen am Wochenende eher abwehrende Signale. „Eine schnelle Einigung bis zum 25. November wäre wünschenswert, ist allerdings kaum wahrscheinlich“, sagte Fraktionsgeschäftsführer Thorsten Frei (CDU) der Bild am Sonntag. Keinesfalls lasse sich die Union unter Zeitdruck setzen. „Sollte es nicht zu einer Verständigung kommen, werden wir den Antrag, die Regelsätze zum 1. Januar zu erhöhen, in der nächsten Sitzungswoche zur Abstimmung stellen.“ Die Erhöhung der Regelsätze lehnt die Union nicht ab.

CDU-Chef Friedrich Merz, selbst Mitglied im Vermittlungsausschuss, sagte am Samstag über das Bürgergeld: „Das muss auch mit Sanktionen begleitet werden.“ Laut Gesetzentwurf soll es künftig in den ersten sechs Monaten keine Leistungsminderungen geben, wenn jemand mit dem Jobcenter verabredete Maßnahmeteilnahmen oder Bewerbungen auf Vermittlungsvorschläge unterlässt. Leistungsminderungen in jährlich rund 63.000 Fällen sollen so entbehrlich werden. Sanktionen wegen mehrfachen Nichtmeldens beim Jobcenter soll es dagegen auch in dieser „Vertrauenszeit“ in Höhe von bis zu 10 Prozent weiter geben können. Merz rief die Regierung dazu auf, „einen großen Schritt“ auf die Union zuzugehen, wenn „in den nächsten Tagen und Wochen“ eine Lösung gefunden werden solle.

Bundeskanzler Olaf Scholz reagierte am Samstag bei einem Parteitag der baden-württembergischen SPD harsch. Scholz warf CDU und CSU in Friedrichshafen vor, in der Sozialpolitik „abgehoben“ und „hochnäsig“ zu sein.

„Schmierentheater muss endlich aufhören“

SPD-Vize und NRW-Oppositionschef Thomas Kutschaty forderte nun eine zügige Einigung der Beteiligten. „Das Bürgergeld ist ein Meilenstein auf dem Weg zu mehr Leistungsgerechtigkeit, weil es vor allem für langjährig Beschäftigte und Selbstständige mehr soziale Sicherheiten schafft“, sagte der SPD-Politiker dem Tageblatt. „Im Vermittlungsausschuss sind jetzt alle Beteiligten gefordert, die Gräben der vergangenen Wochen zu überwinden. Es geht darum, eine gute Lösung zu finden, die nicht von parteipolitischem Klein-klein geprägt ist, sondern vom Respekt vor der Lebensleistung der vielen Leistungsträgerinnen und -träger in unserem Land.“ Blockadehaltungen dürfen keine Option mehr sein, verlangte Kutschaty.

Die Linke geht mit Ampel und Union hart ins Gericht: „Dieses Schmierentheater muss endlich aufhören. Es ist doch ein Armutszeugnis, dass sich Ampelparteien und Union nicht einmal bei diesen minimalen Verbesserungen für Hartz-IV-Betroffene einigen können“, sagte Linke-Fraktionschefin Amira Mohamed Ali dem Tageblatt.

Sie betonte: „Anstatt Hartz IV bloß einen neuen Namen zu geben, muss sich die Ampel-Regierung endlich um eine echte Absicherung bei Arbeitslosigkeit kümmern. Und wenn der CDU der Abstand von Arbeitslosengeld zu Niedriglöhnen nicht groß genug ist, dann könnte sie anfangen unsere Initiativen für einen höheren Mindestlohn zu unterstützen, anstatt auf den Ärmsten der Gesellschaft herumzuhacken.“

Betroffen sind mehr als 5,3 Millionen Menschen, die Arbeitslosengeld II oder Sozialgeld bekommen. So sollen die Bezüge von Alleinstehenden zum 1. Januar um mehr als 50 Euro auf 502 Euro steigen. Einen von der Union vorgeschlagenen ausschließlichen Anstieg der Sätze ohne die eigentliche Reform lehnt die Ampel ab. Eine Einigung ist bis Ende dieses Monats nötig, damit die Auszahlung der höheren Sätze dann auch technisch umgesetzt werden kann.