Einzelhandel in LuxemburgUnter Druck: „Die einzige Konstante im Handel ist der Wandel“

Einzelhandel in Luxemburg / Unter Druck: „Die einzige Konstante im Handel ist der Wandel“
Der innerstädtische Einzelhandel steht mehr denn je unter Druck. Über seine Zukunft wurde am Donnerstag in Esch debattiert.  Foto: Editpress/Julien Garroy

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Ist die lokale Geschäftswelt in Anbetracht der Konkurrenz von Amazon und Co. dem Untergang geweiht? Die Antwort lautet Nein, sofern sich der Einzelhandel den aktuellen Trends anpasst. Die liegen im digitalen Bereich.

Welche Zukunft hat der Einzelhandel in unseren Städten und Dörfern? Dieser Frage wurde am Donnerstag in Esch auf Einladung des Luxemburger Handelsverbands (clc) nachgegangen. Zum Schluss des Tages stand die Gründung der Luxembourg Retail Federation (LRF), einer Interessensvereinigung für den Einzelhandel, auf dem Programm.

Dass der innerstädtische Einzelhandel unter Druck steht, ist keine neue Erkenntnis. Der digitale Handel und immer neue und größere Einkaufszentren am Rande der Ballungsgebiete setzen ihm zu. Obwohl die Menschen seit der Pandemie verstärkt auf lokale und regionale Produkte setzen, heißen die eigentlichen Gewinner von Covid-19 Amazon, Zalando und Co. Diese globalen Player haben den Einzelhandel vor enorme Herausforderungen gestellt; hinzu kommen nun auch noch die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs. 

Es ist durchaus paradox: Obwohl die Pandemie die Wichtigkeit des lokalen Handels aufzeigte, potenzierte sie doch dessen Probleme. Menschen trauern dem inzwischen geschlossenen Buchladen und dem Sportgeschäft von nebenan nach, bestellen den neuen Bestseller und die Fahrradjacke aber schon länger beim großen Onlinehändler. Weil es bequem ist, auf dem Sofa zu shoppen, und weil es mitunter auch ein bisschen weniger kostet. Dabei hat der Einzelhandel unschlagbare Vorteile. In den Geschäften wird der Kunde beraten und er kann seinen Einkauf direkt mitnehmen.

25.000 Geschäfte

25.000 Geschäfte gibt es in Luxemburg, was 54.000 Arbeitsplätze bedeutet, merkte Mittelstandsminister Lex Delles (DP) bei der Eröffnung der Veranstaltung an. Die fand in den Räumlichkeiten der früheren H&M-Filiale in der Escher Alzettestraße statt. Was dann schon eine gewisse Symbolik hatte. Denn die längste Einkaufsstraße des Landes kämpft seit Jahren schon mit dem Leerstand und der Abwanderung starker Marken in die Einkaufszentren der Umgebung. Andererseits geht man die Problematik in Esch auch proaktiv an, wie Bürgermeister Georges Mischo (CSV) betonte. Er nannte dabei die Gründung von Claire (Concept local d’activation pour la revitalisation commerciale d’Esch) sowie Initiativen wie den Pop-up-Store oder den autonomen Bus. Zudem wird die Alzettestraße – zwar später als geplant, aber immerhin – runderneuert. Ob das zum erhofften Aufschwung der Escher Geschäftswelt führt, wird sich zeigen. 

Die Kundenberatung ist der große Vorteil der Geschäftslokale
Die Kundenberatung ist der große Vorteil der Geschäftslokale Foto: Editpress/Julien Garroy

Mit den Problemen steht Esch aber beileibe nicht allein da. Der Einzelhandel kämpft so ziemlich überall um sein Überleben. Ob das nun in Städten ist oder aber auf dem Land. Dort ist die Situation mitunter noch dramatischer, wie Lex Delles betonte. Denn wenn es keine Dorfgeschäfte mehr gibt, drohen die Orte des ländlichen Raums reine Schlafgemeinden zu werden. Für Delles liegen die Herausforderungen darin, auf die neuen Gewohnheiten und Wünsche der Menschen nach regionalem Konsum einzugehen und die Digitalisierung im Handel voranzutreiben.

Dabei möchte der Staat entscheidende Hilfen geben. Seit 2016 gibt es den Pakt „Pro Commerce“, seit heute auch das Handelskataster. Zweimal im Jahr wird dafür ein landesweites Inventar der Geschäfte erstellt. So kann beobachtet werden, wie sich die Geschäftswelt in jeder der 102 Gemeinden Luxemburgs entwickelt. Potenzielle Geschäftsgründer können sich so leicht einen Überblick verschaffen, welche Sparten wo angesiedelt sind bzw. was in welcher Ortschaft gegebenenfalls noch fehlt. Um den Geschäftsleuten in Zeiten der Energiekrise weiter unter die Arme zu greifen, hat das Mittelstandministerium zudem eine Energiesparleitlinie für den Handel ausgearbeitet. Und vor rund einem Monat die sogenannten „SME-Packages“ beschlossen, die mittleren und kleineren Unternehmen helfen sollen, die Herausforderungen der Digitalisierung zu meistern. So können kleine Unternehmen bis zu 20% und mittlere Unternehmen bis zu 10% ihrer Investition vom Ministerium bezuschusst bekommen.  

Die Zukunft also, darin waren sich am Donnerstag alle Redner einig, liegt in der Digitalisierung des Handels. Zweidrittel aller Luxemburger kaufen regelmäßig via Internet ein. Der Onlinehandel muss somit zum zweiten Standbein für den innerstädtischen Einzelhandel werden. Das machte am Nachmittag auch Tommy Klein vom Meinungsforschungsinstitut Ilres deutlich. Er beleuchtete weltweite Trends im Handel, wie das kontaktlose Einkaufen, E-Shopping, das Einkaufen über die sozialen Medien, das Modell AmazonGo oder aber das Shoppen via Alexa, Siri und Co.

Darauf könne sich der Handel in Luxemburg einstellen, da die weltweiten Trends bekanntlich etwas länger brauchen, um im Großherzogtum anzukommen. Ein weiterer Trend sei aber auch der Wunsch der Kunden nach Nachhaltigkeit im Einkauf. In einer Studie fand man heraus, dass ein Drittel der Einwohner Luxemburgs sagen, sie hätten ihr Konsumverhalten in der Pandemie geändert. Was Tommy Klein zum Schluss kommen ließ: „Die einzige Konstante im Handel ist der Wandel.“

Der Einzelhandel in Luxemburg

In Luxemburg ist jedes zweite Unternehmen ein Handelsunternehmen. Rund 35% von ihnen sind innerstädtische Geschäftslokale. Insgesamt gibt es 25.000 Geschäfte im Land. Was die Arbeitsplätze im Handel angeht, so konnte in den letzten zehn Jahren ein Zuwachs von 22% erzielt werden. Rund 55.000 Menschen sind im Einzelhandel beschäftigt.
Es verwundert nicht, dass der Optimismus der Geschäftsinhaber durch Pandemie und Krieg momentan getrübt ist. Das Vertrauen in das Jahr 2023 ist in Europa so niedrig wie noch nie, wie Handelskammer-Direktor Carlo Thelen berichtete. Die allgemeine Auffassung bei den Unternehmern ist, dass die Dinge eher noch schlechter werden, ehe es wieder bergauf geht.
Ähnliche Resultate ergab der neueste, noch nicht der Öffentlichkeit vorgestellte Wirtschaftsbarometer der Handelskammer, an der 611 Unternehmen teilnahmen. Thelen sprach vom Handel als zweitpessimistischer Sektor nach dem Horeca-Bereich. Lediglich 56% der Unternehmen gehen demnach eher optimistisch ins nächste Jahr. Eine Steigerung ihrer Rentabilität erwarten lediglich 18%, während 33% mit einem Rückgang der Gewinne rechnen. Das sei zwar lediglich eine Momentaufnahme, so Thelen, aber nicht zu ignorieren. (P.M.)

Mittelstandminister Lex Delles
Mittelstandminister Lex Delles Foto: Editpress/Julien Garroy

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viviane
22. November 2022 - 12.46

Der Handel ist tot. Es werden nur Cafés, Friseure, Restaurants Bäcker, Patisserien, Metzger und , aus unerfindlichen Gründen, Immobilienheinis bleiben.

MarcL
18. November 2022 - 12.36

Wenn Samstags morgens in der kleinen Geschäftsstrasse ein Teil der Geschäfte geschlossen hat, weil halt Samstag ist, dann wirkt das Ganze trostlos. Das bringt Nachteile für die gesamte lokale Geschäftswelt, die Kundschaft bleibt aus.

Grober J-P.
18. November 2022 - 10.10

Tja unser Einzelhandel ist noch etwas zurück, habe 3 mal versucht während des Lockdowns Ware zu bekommen, 1 mal hat es wirklich geklappt, jedoch mit einigen Schwierigkeiten zum Transport. Händler wollte anfangs nicht liefern, nur Abholen möglich.

R2D2
18. November 2022 - 8.49

Angebot und Nachfrage. So hieß es doch immer.Aber heuer müsste es heißen: Nachfrage aber kein Angebot. Wenn man einen Artikel im Laden nicht kriegt,geht man an den PC und bestellt bei Amazon&Co. Innerhalb von einigen Tagen liegt der Artikel im Briefkasten oder die freundliche Postbotin händigt ihn aus.Und dass der Artikel auch noch billiger ist schlägt dem Fass den Boden aus.