Mittwoch5. November 2025

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Neue EnthüllungenUnter britischen Soldaten in Afghanistan gab es Wettbewerbe, wer die meisten Menschen tötet

Neue Enthüllungen / Unter britischen Soldaten in Afghanistan gab es Wettbewerbe, wer die meisten Menschen tötet
Britische Soldaten landen im Jahr 2001 in Afghanistan: Den Leichen seien Waffen beigelegt worden, um die Tötungen zu rechtfertigen Foto: AFP

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Ein Vertuschungsskandal rund um Kriegsverbrechen in Afghanistan schlägt in Großbritannien hohe Wellen. Unter den Militärs gab es offenbar Wettbewerbe, wer die meisten Menschen tötet.

Schwere Vorwürfe gegen einen der höchsten Generäle Großbritanniens: Einem Bericht der BBC zufolge hat Gwyn Jenkins nicht nur Kriegsverbrechen von britischen Spezialeinheiten in Afghanistan unterdrückt. Offenbar war er auch daran beteiligt, mögliche afghanische Zeugen der Straftaten systematisch von der Übersiedlung auf die Insel auszuschließen. Dadurch sollten diese ehemaligen Angehörigen afghanischer Spezialtruppen an Aussagen vor einer richterlichen Untersuchung in London gehindert werden. Fünf der solcherart Abgewiesenen seien seither von den Taliban getötet worden, berichtet der frühere Verteidigungs-Staatssekretär Johnny Mercer.

Das „Panorama“-Magazin des weltweit renommierten öffentlich-rechtlichen Senders untersucht die Vorwürfe seit mehreren Jahren. Nach anfänglichen empörten Dementis ungerechtfertigter Tötungen rief die konservative Regierung unter Premier Rishi Sunak im Dezember 2022 die unabhängige Untersuchung ins Leben. Sie wird vom Lordrichter Charles Haddon-Cave geleitet.

Am Montagabend strahlte die BBC neue Enthüllungen aus. Demnach gab es unter Einheiten des Special Air Service (SAS) sowie des Special Boat Services (SBS) der Royal Marines während ihrer jeweils sechsmonatigen Einsätze in der afghanischen Südprovinz Helmand einen Wettbewerb, wer die meisten Menschen getötet habe. Die Recherchen stützen sich nicht nur auf Hunderte von Seiten interner Militäruntersuchungen. „Panorama“-Reporter Richard Bilton gelang es auch, mehr als 30 Veteranen von SAS und SBS sowie ihrer afghanischen Partnereinheiten CF333 und ATF444, den sogenannten Triples, zum Sprechen zu bringen.

Auch ein Kind wurde hingerichtet

Sie berichten übereinstimmend über die Nacht- und Nebelaktionen, bei denen Taliban-Kommandeure oder Bombenbauer gefasst oder getötet werden sollten („capture or kill“). Während dieses Vorgehen rechtlich zulässig war, gingen die britischen Soldaten offenbar nach der „Shoot to kill“-Taktik vor. Den Leichen seien Waffen beigelegt worden, um die Tötungen zu rechtfertigen. Systematisch seien nicht nur wehrfähige junge Männer erschossen worden; mindestens einmal sei auch ein Kind festgesetzt und hingerichtet worden. „Sie legten ihm Handschellen an und erschossen ihn“, berichtet ein Veteran. „Der war dem Alter eines potenziellen Kämpfers nicht einmal nahe.“

Andere Soldaten hätten sich barbarisch benommen, lautet die Erinnerung eines Zeugen. Mehrfach seien Verwundete exekutiert worden, entweder durch Schüsse oder durch Aufschlitzen der Halsschlagader. „Die glaubten sich unantastbar.“ Die Berichte der beteiligten Soldaten über ihre tödlich verlaufenen Einsätze seien „völlig unglaubwürdig“, heißt es in internen Analysen, die vom „jüngsten Massaker“ der Todes-Schwadron berichten.

80


Offenbar könnten bis zu 80 Menschen bei Kriegsverbrechen ums Leben gekommen sein

Anders als ein vor Ort entsandter SAS-Offizier inspizierten die BBC-Journalisten einige jener Orte, wo angeblich Bewaffnete sich der SAS entgegengestellt hatten. Die Einschusslöcher am Tatort befinden sich in Höhe eines liegenden oder sitzenden Menschen – klarer Hinweis darauf, dass bereits überwältigte Männer getötet wurden.

Der BBC zufolge meldete der damalige Oberst Jenkins die Erkenntnisse über mögliche Kriegsverbrechen zwar seinen Vorgesetzten. Er schaltete aber nicht die Militärpolizei RMP ein, wie es gesetzlich zwingend vorgeschrieben war. Ein viel später eingeleitetes RMP-Ermittlungsverfahren wurde mittlerweile vom früheren Polizeipräsidenten der Grafschaft Kent als „schwerfällig und unzureichend“ eingestuft; den zuständigen Ermittlern habe es an Erfahrung gemangelt.

Großbritannien hatte beim Kriegseinsatz am Hindukusch zwischen 2001 und 2014 457 Tote und Tausende von Schwerverletzten zu beklagen. Dass beim blutigen Einsatz in Helmand von 2006 an auch immer wieder Zivilisten zu Schaden kamen, steht außer Frage. Schon 2013 war von mindestens 500 Toten die Rede. Offenbar könnten bis zu 80 Menschen bei Kriegsverbrechen ums Leben gekommen sein.

Gwyn Jenkins diente nach seiner Rückkehr in höchsten Positionen, darunter als Vizechef des Verteidigungsstabes, und war zuletzt als Oberkommandierender (First Sea Lord) der Royal Navy im Gespräch. Seine bereits erfolgte Berufung als designierter Nationaler Sicherheitsberater durch Premier Sunak machte im vergangenen Jahr der frisch gewählte Labour-Premier Keir Starmer rückgängig; dabei dürften die Vorgänge in Afghanistan eine Rolle gespielt haben, zumal der von Starmer als Generalstaatsanwalt in die Regierung berufene Richard Hermer zuvor Afghanen vertreten hatte, die Opfer von britischer Militärgewalt geworden waren.

Dass Jenkins nach dem hastigen Abzug des Westens vom Hindukusch im Sommer 2021 systematisch Afghanen, die durch ihre Zusammenarbeit mit den Briten hochgefährdet waren, die Übersiedlung auf die Insel verunmöglicht haben soll, um unliebsame Zeugen von der unabhängigen Untersuchung fernzuhalten, hat Lordrichter Haddon-Cave bisher nicht kommentiert. Der General selbst schwieg gegenüber der BBC. Das Verteidigungsministerium wies darauf hin, man könne der Untersuchung Belastungsmaterial zukommen lassen, „egal von wo aus“. Allerdings können Zeugen nur angehört werden, wenn sie sich auf britischem Boden befinden.

Mire
15. Mai 2025 - 7.42

Dann solle die europäischen Regierungen jetzt zeigen wie ernst es ihnen ist mit den Menschenrechten und die Terroristen zur Rechenschaft ziehen auch wenn es wie jetzt nicht um russische oder Hamas Kämpfer geht. Damit würden sie ein minimum an Glaubwürdigkeit zurückbekommen.

Guy Mathey
13. Mai 2025 - 20.44

Solche abscheulichen Kriegsverbrechen sind doch wohl für niemanden eine wirkliche Überraschung, werden sie doch in jedem Krieg auf dieser Welt von allen Seiten begangen! Der "regelkonforme Krieg" ist und bleibt eine Illusion. Daher ist ja so wichtig, dass wieder verstärkt auf Diplomatie gesetzt wird und die verfeindeten Parteien miteinander verhandeln.
Der derzeitige Rüstungswahn in Europa ist ein gewaltiger Irrweg und wird für die Mehrheit der Menschen in einer riesigen Katastrophe enden.
Einzige Nutzniesser der aktuellen Rüstungsspirale werden die Waffenproduzenten und ihre Helfershelfer aus der Politik sein. Ob sie dann in einer kaputten Welt sich noch was für ihr Geld werden kaufen können, steht jedoch noch in den Sternen!