6. November 2025 - 6.54 Uhr
DeutschlandUnion und SPD ringen um Kompromiss beim Wehrdienst
Die Vierergruppe sitzt derzeit oft zusammen, verbringt viele Stunden miteinander. Siemtje Möller (SPD) und Norbert Röttgen (CDU) als Fraktionsvizes gehören dazu, ebenso Thomas Erndl (CSU) und Falko Droßmann (SPD), die beiden verteidigungspolitischen Sprecher der Koalitionsfraktionen. Ihre Aufgabe: einen Kompromiss nach dem Kompromiss beim Wehrdienst finden.
Zuvor hatte Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) seinen Gesetzentwurf für den neuen Wehrdienst durchs Kabinett gebracht. Weil insbesondere die Union daran noch Kritik hatte und mehr Pflichtelemente wollte, hatte es noch vor der Einbringung in den Bundestag eine Einigung zwischen SPD- und Unionsfraktion gegeben, die beispielsweise ein Losverfahren beinhaltete. Doch diese Einigung wurde von Pistorius in der vorvergangenen SPD-Fraktionssitzung brachial gestoppt, eine Pressekonferenz zur Verkündung der Einigung wurde kurzfristig abgesagt. Nun ist der Entwurf unverändert im parlamentarischen Verfahren, doch die Lage ist vertrackt, die öffentliche Debatte verworren und die Streitpunkte sind zahlreich.
Wie also raus aus dem Schlamassel? Die vier Unterhändler suchen derzeit fieberhaft nach Wegen der Annäherung. Man betont gegenseitig die gute Arbeitsatmosphäre, verweist eher auf Störrufe von außerhalb der Gruppe. Doch dort sucht man ebenso nach gemeinsamen Anknüpfungspunkten. Wie aus Fraktionskreisen verlautete, finden in dieser Woche unterschiedliche Verhandlungsrunden statt, auch mal mit Pistorius oder mit Vertretern relevanter Verbände. Am kommenden Montag sind im Verteidigungsausschuss dann sechs Sachverständige eingeladen, um Stellung zu beziehen zum Entwurf des neuen Wehrdienstes.
Per Lotterie in die Armee
Idealerweise soll die Vierergruppe also bis Montag eine neue Einigung finden zwischen den Koalitionsfraktionen. Gelingt ihnen das nicht, sollen dem Vernehmen nach die Fraktionschefs nach der Sachverständigenanhörung hinzugezogen werden – eine gängige Eskalation entlang der Hierarchie.
Denn zwei Dinge sind in der Koalition unstrittig beim Wehrdienst: Es muss ein tragfähiges Modell entstehen, das den Personalzuwachs für die Bundeswehr angesichts der gestiegenen Bedrohungen gewährleisten kann. Und das Gesetz dazu soll pünktlich zum 1. Januar 2026 gelten, damit man beim Rekrutieren keine Zeit verliert.
Doch dann hört es auch schon beinahe auf mit den Gemeinsamkeiten, so schien es zuletzt. Zwar wollen beide Seiten ja nur einen Teil eines jeweiligen Jahrgangs für die Truppe gewinnen, die dafür entscheidende Frage der Musterung aber entzweit die Koalitionspartner bereits. So streitet Unionsfraktionsvize Röttgen für ein Losverfahren, das per Zufallsprinzip Teile eines Jahrgangs zur Musterung verpflichtet, wenn es nicht genug Freiwillige für die definierten Aufwuchszahlen gibt. Bei einem weiteren Losdurchgang sollen aus dieser gemusterten Gruppe dann Rekruten herangezogen werden. Dies hatte nun nicht nur Pistorius scharf kritisiert, sondern zuletzt waren auch Mitglieder der Unionsfraktion davon abgerückt – etwa der Chef des Verteidigungsausschusses, Thomas Röwekamp (CDU).
Komplizierte rechtliche Frage offen
Doch nicht nur bei der möglichen „Röttgen’schen Lotterie“, wie manche Spötter sie in der Koalition bereits nennen, gibt es noch Streit. Auch bei der Frage, an welchen Punkten Freiwilligkeit dem Zwang weichen muss, herrscht Dissens. Während Pistorius sich bislang weigerte, klare Schwellen für die Zwangsrekrutierung ins Gesetz zu schreiben, und man im Ministerium darauf verwies, dass dies im Wehrdienstgesetz auch förmlich gar nicht angebracht sei, pochte man seitens der Union stets auf klare Definitionen.
Nun könnte es dem Vernehmen nach einen politisch vereinbarten Korridor geben, um beiden Seiten gerecht zu werden. Die Kernfrage in dem Zusammenhang lautet: Ab welchem Punkt kann man Menschen zum Dienst an der Waffe heranziehen, wenn noch kein Spannungsfall zur Bündnis- oder Landesverteidigung ausgerufen wurde? Denn in diesem Fall würde ohnehin automatisch eine Rückkehr zur alten Wehrpflicht kommen. Es sind also teils komplizierte rechtliche Fragen, die noch offen sind. Der Zeitdruck wächst.
De Maart
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