Sonntag19. Oktober 2025

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ForumUmverteilung von unten nach oben: Nico Wennmacher über Friedens Angriff auf unseren sozialen Besitzstand

Forum / Umverteilung von unten nach oben: Nico Wennmacher über Friedens Angriff auf unseren sozialen Besitzstand
    Foto: Editpress/Alain Rischard

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Die Rede von Staatsminister Luc Frieden zur Lage des Landes hat viele unterschiedliche Kommentare ausgelöst. Man kann sie als Angriff auf unseren sozialen Besitzstand bezeichnen. Eine neue Welle der Umverteilung von unten nach oben wird damit eingeleitet. Vor allem seine Ausführungen zu einer angekündigten Pensionsreform haben auf linker und aufseiten der Gewerkschaften Unverständnis und Proteste ausgelöst.

Seine Vorschläge zur Verlängerung der Lebensarbeitszeit werden das Pensionssystem nicht langfristig absichern. Sie bedeuten aber einen enormen sozialen Kahlschlag. Sie entsprechen der neoliberalen Logik des Herrn Frieden, wie er sie in einem Buch „Europa 5.0: Ein Geschäftsmodell für unsern Kontinent“ dargestellt hat. Um das wirtschaftliche Wachstum anzukurbeln, sollen „Produktionsfaktoren intensiver genutzt werden“. Zu den Produktionsfaktoren, welche intensiver genutzt werden sollen, zählt Luc Frieden unter anderem den „Faktor Arbeit“, also die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Eine solche intensivere „Nutzung des Faktors Arbeit“ soll wie folgt erfolgen: „Wir erhöhen die Zahl der aggregierten Arbeitsstunden etwa mit einer Verlängerung der Lebensarbeitszeit.“

Die von der Regierung propagierte Modernisierung des Arbeitsrechtes ist ebenfalls darauf ausgerichtet, den Faktor Arbeit intensiver zu nutzen. Die Arbeitgeber sollen die Möglichkeit erhalten, auf Betriebsebene, ohne Mitsprache der Gewerkschaften, Flexibilisierungsmodelle der Arbeitszeiten mit den Belegschaften auszuhandeln. Im Koalitionsprogramm wird zudem vorgeschlagen, die Arbeitszeit auf das ganze Jahr zu berechnen, was natürlich mit vielen Nachteilen für die Beschäftigten verbunden wäre. Auch die Gesetzesprojekte zur Sonntagsarbeit und zu den Öffnungszeiten der Geschäfte müssen als Elemente der sozial negativen Modernisierung des Arbeitsrechtes betrachtet werden.

Verteilungsgerechtigkeit

So wie im Koalitionsabkommen vorgesehen, sollen laut Frieden die privaten Zusatzpensionen stärker steuerlich gefördert werden. Die Geringverdiener sind von dieser Maßnahme ausgeschlossen, da sie sich solche Zusatzversicherungen nicht leisten können. Sie müssen aber indirekt, durch den erfolgten Steuerausfall, diese Pensionen mitfinanzieren. Diese weitere steuerliche Förderung geschieht vor allem im Interesse der Banken und Versicherungen, die sich hierdurch weitere Gewinne versprechen. Diese Begünstigung der privaten Zusatzpensionen muss auch als Gefahr für die schleichende Privatisierung unseres Sozialversicherungswesens gesehen werden. Anlässlich der Diskussionen um den europäischen Verfassungsvertrag sowie der Liberalisierung und Privatisierung von öffentlichen Dienstleistungen hatten wir davor gewarnt, dass nach den öffentlichen Dienstleistungen die Sozialversicherungen Gefahr laufen würden, auf der Privatisierungsagenda zu figurieren. Die Pensionsfrage ist unteilbar mit der Frage der Verteilungsgerechtigkeit verbunden. Letztendlich geht es darum, wie viel von dem bei uns erwirtschafteten Reichtum für Löhne, Gehälter und Pensionen aufgewendet wird. Die Lösung der Pensionsproblematik ist somit keine mathematische, sondern eine politische Frage.

Militärische Aufrüstung, Armut und Klima

In seiner Rede und in nachfolgenden Erklärungen unserer Kriegsministerin wurde uns erklärt, dass unser Land in den kommenden Jahren horrende Summen in die militärische Ausrüstung investieren wird. Obschon es sich hierbei auch um eine Umverteilung des geschaffenen Reichtums von unten nach oben handelt, erklärten sich praktisch alle Parteien mit dieser Vorgehensweise einverstanden. Mit der militärischen Aufrüstung bei uns und in Europa wird der Frieden nicht sicher, sondern die militärischen Auseinandersetzungen riskieren, zuzunehmen. Hinzu kommt, dass die Gelder, die hier investiert werden bei der Armutsbekämpfung, bei der Entwicklungshilfe und beim Klimaschutz fehlen. Sie werden aber der Rüstungsindustrie enorme Profite bescheren. Auch bei uns hat sich schon die Handelskammer zu Wort gemeldet, damit sich auch die hier präsenten Unternehmen ein Stück vom Rüstungskuchen abschneiden können. Eine Militarisierung der europäischen und unserer Wirtschaft riskieren dazu, zu führen, dass immer höhere Beträge in diesen Wirtschaftszweig investiert werden und dass Kriege in Zukunft als Förderung unseres Wirtschaftsstandortes betrachtet werden.

Die Armutsbekämpfung wurde von der aktuellen Regierung stets als prioritär bezeichnet. Tatsache ist, dass die Armut, auch bei jenen, die eine geregelte Beschäftigung haben, immer weiter ansteigt. In der rezenten Rede von Luc Frieden wurden lediglich verschiedene karitative Maßnahmen angekündigt. Auf eine strukturelle Bekämpfung der Armut, etwa durch die Erhöhung des Mindestlohnes und der Mindestrenten, riskieren die Betroffenen noch lange zu warten.

Der Klimaschutz gehört offensichtlich nicht zum Steckenpferd unseres Staatsministers. Es wundert daher, dass Abgeordnete, die stets Klima- und Umweltschutz predigen, den Rüstungsanstrengungen zustimmen. Vielleicht ist dies dem Umstand zuzuschreiben, dass die schädlichen Klimagase die hierbei entstehen, laut dem Pariser Klimaabkommen, unseren CO2 Bilanzen nicht angerechnet werden. Wenn in Folge einer sich anbahnenden Kriegswirtschaft der private Konsum sich rückläufig entwickelt, verbessern sich zudem unsere dementsprechenden Bilanzen.

Ich bin überzeugt, dass die diesjährige Rede unseres Staatsministers alle sozial denkenden Menschen überzeugt hat, sich an der Protestmanifestation von OGBL und LCGB am 28. Juni in Luxemburg-Stadt zu beteiligen.

Nico Wennmacher ist Präsident des Sektors Pensionäre im Syndikat Eisenbahnen/FNCTTFEL-Landesverband
Nico Wennmacher ist Präsident des Sektors Pensionäre im Syndikat Eisenbahnen/FNCTTFEL-Landesverband Foto: Editpress/Didier Sylvestre