„Wir, die Sozialdemokraten, haben einen historischen Sieg errungen“, frohlockte Parteivorsitzende Vilija Blinkeviciute in der Nacht zum Montag. Dank Absprachen mit zwei weiteren Oppositionsparteien gelang es, den Vorsprung nach der ersten Runde der Parlamentswahlen weiter auszubauen. Blinkeviciutes Sozialdemokraten distanzierten damit die bisher regierende, konservative Vaterlandsunion von Außenminister Gabrielius Landsbergis um fast 20 Prozent der Stimmen. Blinkeviciute kündigte Koalitionsverhandlungen mit zwei kleineren links-liberalen Parteien an – namentlich den „Demokraten für Litauen“ und den „Bauern und Grünen“ (LVZS).
Die Sozialdemokraten gewannen in beiden Runden der in einem gemischten System von proportionalen Parteilistenstimmen und Einerwahlkreisen organisierten litauischen Wahlen 52 von 141 Sitzen im Seimas (Parlament). Die konservative Vaterlandsunion verlor fast die Hälfte ihrer Sitze und kommt noch auf 28 Abgeordnete. An dritter Stelle platzierte sich mit 14 Prozent (20 Sitze) die neue populistische Rechtsaußenpartei „Nemunas Ausra“ (auf Deutsch „Memel-Morgenröte“) des antisemitischen Skandalpolitikers Remigijus Zemaitaitis.
Sechs weitere Parteien sind im Seimas vertreten: die liberalen „Demokraten für Litauen“ des ehemaligen Premiers Saulius Skvernelis (2016-20) (14 Sitze), die „Liberale Bewegung“ (12 Sitze), Ramunas Karbauskis eher links angesiedelte „Union der Bauern und Grünen“ (8 Sitze), die Wahlaktion der Polnischen Minderheit (3 Sitze) sowie die Rechtsparteien „Nationale Allianz“ und „Freiheit und Gerechtigkeit“ (je 1 Sitz).
Ukraine wird weiter unterstützt
Die Sozialdemokraten versprachen im Wahlkampf eine Steuererhöhung für die Besserverdienenden. Damit wollen sie über Sozialhilfen die wachsende Einkommensschere bekämpfen – neben der Inflation von rund 20 Prozent eines der Hauptthemen des Wahlkampfs. Auch soll so eine bessere Gesundheitsversorgung garantiert werden. Allerdings haben auch die Sozialdemokraten kein Rezept gegen die massive Abwanderung von Ärzten, Krankenschwestern und anderen Fachkräften vor allem nach Skandinavien.
Nach dem Wahldebakel der Vaterlandsunion trat deren Vorsitzender, Außenminister Gabrielius Landsbergis, mit sofortiger Wirkung zurück. „Ich habe mich entschieden, eine Politikpause einzulegen, und gebe auch mein Parlamentsmandat zurück“, sagte Landsbergis am Montag in Vilnius.
Die innenpolitische Wende in Litauen wird laut Beobachtern in Vilnius keine Auswirkung auf die Außenpolitik des größten der drei Baltenstaaten haben. Auch unter den Sozialdemokraten will Litauen seine Verteidigungsausgaben von drei Prozent des BIP beibehalten und die Ukraine unterstützen. Der östliche NATO-Frontstaat will auch an seinem Plan neuer Grenzbefestigungen zur russischen Exklave Kaliningrad (Königsberg) hin festhalten und belarussischen Exilpolitikern, allen voran der mutmaßlichen Wahlsiegerin der Präsidentenwahlen von 2020 Swjetlana Tichanowskaja, als sicherer Hafen dienen.
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