
Als Erstes kommen wir auf das Konzert von Tempus est Iocundum zu sprechen, das am 25. und 26. Juni im „Théâtre du centaure“ gespielt wurde. Das auf die Musik des Mittelalters spezialisierte Ensemble wurde 1976 von Johny Fritz gegründet und gibt seitdem regelmäßig Konzerte. Allerdings ist es schade, dass Tempus est iocindum in der luxemburgischen Musikszene noch immer unter „ferner liefen“ eingestuft wird und trotz höchster Qualitätsansprüche und wichtiger pädagogischer Aspekte nie den Weg auf die große Bühne gefunden hat. Sicher, die mittelalterliche Musik gehört zum sogenannten Nischenrepertoire; wenn man dieses allerdings in ein attraktives Gewand steckt, wie Jordi Savall das beispielsweise tut, dann kann diese wunderbare Musik schon ein großes Publikum anziehen.
Prädikat „besonders wertvoll“

Leider ist das bei Tempus est iocundum nicht der Fall; man ist auch nach fast 50 Jahren immer noch zu bescheiden, um wirklich offensive Akzente in der hiesigen Musikszene setzen zu wollen. So bleiben unterm Strich und am Ende „nur“ Konzerte für ein kleines, eingeweihtes Publikum übrig. Diese sind aber dann musikalisch unwahrscheinlich wichtig und besitzen das Prädikat „besonders wertvoll“. Der unermüdliche Gründer, Entdecker und Leiter von Tempus est iocundum, Johny Fritz, hat auch diesmal wieder ein hochinteressantes Programm zusammengestellt, das von mittelalterlicher Musik über die Renaissance bis hin zu Bearbeitungen moderner Komponisten reichte. Vor allem konnten wir die wunderbare Musik eines Claude Gervais (1525-1583) kennenlernen. Die großzügigen Auszüge aus den „Livres de danseries“ waren ein reines Hörvergnügen. Und endlich konnte man einmal im Konzert Stücke aus den ungarischen Volksmusik-Sammlungen Béla Bartóks (1891-1945) und Zoltán Kodály (1882-1967) erleben.
Auch die Bearbeitung bzw. Zusammenstellung einer „Jugoslawischen Tanzsuite“ von Eberhard Werdin (1911-1991) war ein Gewinn für dieses Konzert. Dazwischen wurden in dem rund zweistündigen Konzert Stücke von William Brade, Benedict Grep und anderen gespielt. Jedes Werk hatte seine eigene Sprache und seine eigene Dynamik und dass dem Publikum zu keinem Moment langweilig wurde, lag auch an den hervorragenden Musikern des Ensembles und ihren jeweiligen historischen Instrumenten. Hoffen wir, dass das Ensemble Tempus est iocundum die Gunst der Stunde nutzen wird und im kommenden Jubiläumsjahr offensiv und erhobenen Hauptes in den Vordergrund treten wird.
Von null auf hundert in fünf Sekunden

Zu einem wahren Publikumsliebling ist das Orchestre Place de l’Europe geworden. Seit ihrem ersten Konzert vor drei Jahren haben sich die rund 110 Amateurmusiker unter der Leitung von Benjamin Schäfer in die Herzen der Zuhörer gespielt. Dementsprechend gut besucht war das Konzert vom vergangenen Sonntag, wo das OPE erstmal mit den Kollegen vom Publikumsorchester Konzerthaus Berlin zusammen musizierte. Das Konzert begann mit der dynamischen „Festlichen Ouvertüre“ von Dmitri Schostakowitsch, bei der alle Musiker sofort gefordert waren. Die dynamische und präzise Leitung von Benjamin Schäfer verstärkte dabei die musikalische Wirkung, sodass alle Musiker quasi „von null auf 100 in fünf Sekunden“ waren.
Für Kay Westermanns „Konzert für Marimba und Orchester“ aus dem Jahr 2009 wechselte man dann in eine ganz andere musikalische Welt, nämlich die unendlich vieler Nuancen, Farben und fein abgestimmter Stimmungen. Dieses Werk wurde von Dirk Wucherpfennig, dem Dirigenten vom Publikumsorchester Konzerthaus Berlin, geleitet. Die kapellmeisterliche Präzision des Dirigenten kam Musikern und Werk zugute, sodass man Westermanns Konzert in einer erstklassigen Darbietung erleben konnte. Der Soloschlagzeuger des Konzerthausorchesters Berlin, Jan Westermann, begeisterte durch eine exzellente Darbietung und eine meisterhafte Beherrschung seines Instruments.

Besonders gespannt war man dann nach der Pause auf die 5. Symphonie von Schostakowitsch, für ein Amateurorchester eine riesengroße Herausforderung. Doch die Musiker beider Klangkörper harmonierten bestens zusammen und auch spieltechnisch leisteten sie Überragendes. Natürlich, einige Durchhänger blieben nicht aus; das ist normal und auch nicht schlimm. Wichtig ist aber, dass die Haltung, der Tonus und die Konzentration bis zum Schluss da waren. Die Qualität der Musiker erlaubte es auch Benjamin Schäfer, Akzente in Sachen Interpretation zu setzen und nicht einfach nur die Partitur korrekt zu dirigieren. Es gelang Schäfer sehr gut, die Doppelbödigkeit des Werkes zu zeigen und den plakativen Triumph als Lüge zu entlarven.
So wurde diese Interpretation zu einem ebenso tragischen wie dramatischen und menschlichen Porträt von Schostakowitsch. Erstklassige Soli im Holz und im Blech zeigten immer wieder, welch gute Amateurmusiker doch in diesem Orchester spielen. Natürlich gab es Standing Ovation und mit Schostakowitschs „Walzer Nr. 2“ und Paul Linckes „Berliner Luft“, beide von Dirk Wucherpfennig dirigiert, verabschiedeten sich das OPE und das Berliner Publikumsorchester dann endgültig von ihrem begeisterten Publikum. Das gleiche Konzert findet am 7. Juli im Konzerthaus Berlin statt. In der Philharmonie Luxemburg wird das OPE unter Benjamin Schäfer wieder am 28. Juni 2026 zu hören sein. Also bitte schon jetzt vormerken.
De Maart
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