Mit dieser Ausstellung reiht sich Casino Luxembourg in den europäischen Monat der Fotografie (EMOP), der unter dem Motto „Rethinking Photography“ läuft, ein. Jeder Künstler, so wird versichert, hat sich auf seine Art mit „Buch“ und im „Raum“ artikuliert. Zuerst wird der Besucher mit dem „Antifoto Manifesto“ von Katja Stuke und Oliver Sieber konfrontiert. Ein Exemplar liegt zur Ansicht bereit, sowie ein A2-Poster, auf dem in englischer Sprache alle in der Ausstellung genutzten fotografischen Formen aufgelistet sind – mit zum Auftakt „We live Photography“ und als Fazit „Photography is too good to be regarded as Art only“. Von der Eingangshalle (dort befindet sich das Werk von Susan Meise, mit 21 Ideen, um den Kindern die Fotografie schmackhaft zu machen, sowie „Exosphere“ von Batia Suter, mit Fotos von zerknülltem Verpackungsmaterial und Bildern von Rüstungen aus dem Jahre 2023) geht es ins Aquarium des Casino.
Hier entdecken sowohl der Expo-Besucher als auch der am Casino vorbeiflanierende Stadtbummler an die Glasfenster angebrachte Farbfotos des Luxemburgers Christian Aschman, der seine in Japan entdeckten Motive (Linien, geometrische Kompositionen und strukturierte Volumen) auf Papier festgehalten und für diese Schau auf zum Boulevard Roosevelt ausgerichtete Schaufenster des „Aquarium“ fixiert hat. Die Horizontalität der Bilder steht in Kontrast zu den in den Raum ragenden Gebäude Tokios. Es sind dies Auszüge aus dem Buch „The Space in Between“ oder stammen von anderen Präsentationen des Künstlers. Aschman hat sich öfters mir Architektur und ihren Formen und Volumen beschäftigt. Wer Tokio kennt, weiß, wie treffend diese Arbeiten sind.

Im angrenzenden Expo-Raum verläuft als Fußleiste eine Reihe aneinander gefügter Bilder, die diesen mit dem zweiten Showroom verbinden. Eine endlose Bildergalerie, die nur in gebückter Haltung zu erkennen ist und die die Vielfalt des Mediums wiedergeben soll. Julien Correyn, Jahrgang 1973, setzt seine Modelle und Figuren in recht unterschiedliche Dekors, ob Buchladen, Bäckerei, Blumengeschäft, Museum oder gar öffentliches Parkgelände. Er lässt sie freie Bewegungsabläufe absolvieren und hält diese mit verschiedenen Apparaten fest, ob Nikon FE2 oder Handy, egal, seine Fotos sind klein und sorgsam in seinen Büchern eingesetzt. Die hier bewusst eingegrenzten Schauplätze, sowohl in Luxemburg als in Paris, sind im Band „Carte postale du Luxembourg“ verewigt.
Dieser Raum wird jedoch beherrscht von Pierre Hourquet. Jahrgang 1974, stammt er aus Paris und präsentiert eine Neufassung des „Super Chair“ des amerikanischen Designers Ken Isaac aus dem Jahr 1967. Er zeichnet eine völlig neue Perspektive dieses ikonischen Objekts. Im Casino darf der Betrachter liegend genießen, um so besser die an die Decke projizierten „News from Elsewhere“ (Doppelseiten aus Büchern) zu betrachten und auf den Spuren der Lektüre des Künstlers wandeln zu können.
Beeindruckend auch das von Ruth van Beek aufgespannte Tuch und ihre in einem Leporello-Blatt „Dishes for Dolls“ dargebotenen Bilder, die ihrer „Erkundung der häuslichen Welt und des Alltagslebens“ entstammen. Auch hier wieder das Wechselspiel zwischen vertikaler und horizontaler Ausrichtung in der Darstellung.
Zur Ausstellung
„Tube.Photo.Dash“ im Casino Luxembourg. Noch bis zum 14. September, weitere Infos auf
casino-luxembourg.lu
Im zweiten Raum ein zweigeteilter Print, eine Illustration der Arbeitsweise von Wade Guyton, Jahrgang 1972. Sein sechzig Seiten starkes Buch „Zeichnungen für ein großes Bild“, das er 2010 in seiner Expo im Museum Ludwig in Köln vorgestellt hatte, zeigt Fotos mit zersetzten/ausgeschnittenen Bildern, die er andersrum wieder zusammensetzt. Er erläutert dabei auch die Herkunft der genutzten Fotos, die oft Abbildungen anderer Einzelmotive sind. Beim Durchblättern ergibt sich eine Sicht auf immer kleinere Bild-Stapel.
Mit der Serie „Permanent Concern“ steuert Bertrand Cavalier, Jahrgang 1989, eine Reihe von in Holland mit seinem Handy geschossenen Fotos bei. Er fokussiert in seinen Bildern Dinge des Alltags, seiner Umgebung. In dieser Expo setzt er Figuren mit einem Sprungseil in Bewegung. Er zoomt diese so herbei, dass er den Gegenständen „eine eigene Struktur“ verleiht und sie dadurch fremd aussehen lässt.
Doppeldeutigkeit der „Concorde“
Verbleiben bei diesem ungewöhnlichen Rundgang durch die Räumlichkeiten des Casino noch die Arbeiten von Aurélien Mole, mit „Gold Grows on Trees“, einem Diaporama mit Ansichten aus dem Casino-Gebäude, sowie das Buch „Concorde III“ von Wolfgang Tillmans aus dem Jahre 1997. Tillmans, kein Unbekannter in Luxemburg und aktuell mit einer Expo im Centre Pompidou in Paris vertreten, hat sich damals dem Überschallflugzeug Concorde gewidmet, dieses in der Luft abgelichtet und in einem Buch mit 67 Farbfotografien zelebriert. In seinen Kommentaren geht er nicht zimperlich mit Concorde um, spricht sowohl von der „Schönheit“ des „Vogels“ als auch von den „Umweltauswirkungen“ dieses legendären Flugzeugs.
Die Ausstellung „Tube.Photo.Dash“ gestaltet sich so vielseitig wie Fotografie eben ist, und führt uns eine spannende Leseart von Bildern vor. Interessant sind die Kontraste zwischen der „horizontalen“ Darbietung im Buch und der „vertikalen“ Betrachtung im Expo-Raum, eine Perspektive, die Kurator Théophile Calot wohl gesucht und sicherlich auch veranschaulicht hat. Diese Schau reiht sich nicht von ungefähr in den Monat „Rethinking Photography“ ein.
De Maart
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