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SüdostasienTsunami 2004 – Was wurde aus den Opfern?

Südostasien / Tsunami 2004 – Was wurde aus den Opfern?
Verschnürte Leichen der Tsunami-Opfer, unter ihnen viele Touristen, liegen vor dem Hotel „Sofitel Magic Lagoon“, Khao Lak, Provinz Phang Nga im Süden Thailands. Am zweiten Weihnachtstag 2004 verwüsteten gewaltige Flutwellen Küsten am Indischen Ozean. Bei der größten Tsunami-Katastrophe seit Menschengedenken kamen rund 230.000 Menschen ums Leben. Foto: dpa/Rungroj Yongrit

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Ein Forscherteam hat Überlebende des Tsunamis in Südostasien 2004 über die vergangenen 16 Jahre begleitet. Wie gut sie sich von dem Trauma der Katastrophe erholten, hing dabei von ihrem Geschlecht, ihrem Alter und ihrer Mentalität ab.

Am 26. Dezember 2004 löste ein gigantisches Erdbeben einen schweren Tsunami aus, der die Küsten Südostasiens überschwemmte. 230.000 Menschen in 14 Staaten rund um den Indischen Ozean starben an diesem verhängnisvollen Weihnachtstag vor über 16 Jahren. Die Küsten Indonesiens, Thailands und Malaysias wurden von hohen Flutwellen getroffen, doch die Wassermassen trafen auch noch auf Indien, Sri Lanka, die Malediven und sogar das vom Epizentrum weit entfernte Somalia.

Besonders stark betroffen war die indonesische Provinz Aceh am nördlichen Ende der Insel Sumatra. Dort wurden mehr als 160.000 Menschen – fast fünf Prozent der lokalen Bevölkerung – getötet. In den am schlimmsten betroffenen Gebieten wurden ganze Gemeinden zerstört. Die Überlebenden verloren ihre Lebensgrundlage.

Eine Gruppe US-amerikanischer und indonesischer Forscher hat seitdem Überlebende aus den betroffenen Regionen begleitet, um zu sehen, wie sich ihr Leben und ihre Gesundheit in der Folgezeit entwickelt haben. Die Ergebnisse ihrer Studie veröffentlichten die Wissenschaftler nun in einem Begleittext im akademischen Magazin The Conversation.

Stressbelastung forderte Tribut

Darunter waren zwei junge Männer, die ihre Frau und jeweils ein Kind verloren haben. Der erste Mann verlor zudem 27 weitere Familienmitglieder in den Fluten. Beide Männer haben in der Zwischenzeit wieder geheiratet. Der Mann, der fast 30 Familienmitglieder verlor, sagte, dass die Zeit seit dem Tsunami ihn gelehrt habe, dass das Leben manchmal Glück bringe und manchmal nicht, aber dass gegenseitige Zuneigung entscheidend sei. Der zweite Mann dagegen berichtete, dass die Zeit seit dem Tsunami keine positiven Veränderungen in seinem Leben gebracht habe, obwohl er hart arbeite, um die Ausbildung seiner beiden kleinen Kinder zu finanzieren.

Insgesamt kam die Studie zu dem Ergebnis, dass die Katastrophe noch weitaus mehr als die 230.000 Opfer forderte, die durch den Tsunami und das Erdbeben ums Leben kamen. Andere Todesfälle traten „im Laufe der Jahre“ auf, da „die anhaltende Stressbelastung ihren Tribut“ forderte, wie die Forscher erklärten. Die Sterblichkeitsrate der Überlebenden hing dabei von der Widerstandsfähigkeit der jeweiligen Menschen ab. „Die durch den Tsunami verursachten Verwüstungen können ‘Narben‘ bei den Menschen hinterlassen und zu ihrem vorzeitigen Tod führen“, formulierten die Forscher. Ebenso könnten die Überlebenden aber auch schützende Eigenschaften entwickeln, die mit Langlebigkeit und guter Gesundheit in Verbindung gebracht werden.

Unterschiedliche Folgen bei Männern und Frauen

Beispielsweise waren männliche Überlebende, die zum Zeitpunkt der Katastrophe 50 Jahre oder älter waren, fünf Jahre nach dem Tsunami noch eher am Leben, wenn sie aus stark betroffenen Gebieten stammten, als solche, die aus relativ unberührten Gebieten stammten. „Dies zeigt, dass in diesem Zeitraum bestimmte Schutzmerkmale der Überlebenden (vielleicht die allgemeine Fitness) einen stärkeren Einfluss auf die Langlebigkeit hatten als die Bereiche des Ereignisses, die ‘Narben‘ hinterließen“, schlussfolgerten die Wissenschaftler. Bei Frauen über 50 war jedoch genau das Gegenteil der Fall: So hatten Überlebende aus stark betroffenen Gebieten in den ersten fünf Jahren nach dem Tsunami ein höheres Sterberisiko als Frauen aus nicht betroffenen Gebieten.

„Diese Grundmuster waren auch zehn Jahre nach der Katastrophe noch erkennbar“, so die Forscher. An diesem Punkt zeigte sich jedoch, dass im Falle der älteren Männer posttraumatischer Stress und bei älteren Frauen der Verlust des Ehepartners die Wahrscheinlichkeit verringerten, dass sie noch lebten. Außerdem zeigten die Daten der Forscher, dass 13 Jahre nach dem Tsunami Erwachsene, die die Katastrophe direkt erlebt hatten, einen größeren Taillenumfang hatten, es vermehrt Schwierigkeiten bei der Regulierung des Glukosespiegels gab sowie höhere Entzündungswerte vorlagen – etwas, das auf eine Infektion oder Krankheit im Körper hinweist. Außerdem hatten Überlebende ein höheres Risiko für chronische Krankheiten wie Herzkrankheiten und Diabetes.

Kinder holten wieder auf

Kinder, die den Tsunami überlebten, hatten in den Folgejahren ein eingeschränktes Wachstum. Auch Kinder, die sich noch im Bauch der Mutter befanden, waren bei der Geburt klein und selbst mit drei Jahren noch mal deutlich kleiner als andere Kinder. Bei vielen der Kinder wurden diese Defizite in den Folgejahren jedoch aufgeholt und sie erreichten schließlich die gleiche Größe wie andere Gleichaltrige. Unklar ist bisher jedoch, ob ein schnelles Aufholwachstum erhöhte Risiken für eine schlechtere Gesundheit im Erwachsenenalter bedeuten könnte.

Im Rahmen ihrer Studie untersuchten die Forscher auch die Todesfälle, die eine direkte Folge der Katastrophe waren. Eine Analyse der Opfer ergab dabei, dass vor allem ältere Erwachsene und kleine Kinder im Tsunami ums Leben kamen. Bei den Erwachsenen hatten Frauen weniger Überlebenschancen als Männer. Eine weitere Erkenntnis aus der Studie war, dass Hilfsmaßnahmen wie wieder eine stabile Wohnung für Katastrophenopfer zu schaffen und Möglichkeiten für bezahlte Arbeit zu bieten, posttraumatischen Stress mildern können.

Eine Frau geht durch die Trümmer des vom Tsunami am 26. Dezember 2004 zerstörten Nang-Thong-Resorts am Strand von Khao Lak
Eine Frau geht durch die Trümmer des vom Tsunami am 26. Dezember 2004 zerstörten Nang-Thong-Resorts am Strand von Khao Lak Foto: dpa/Vinai Dithajohn