Der Handel mit fernen Ländern und die Erkundung neuer Welten faszinieren die Menschheit seit Jahrtausenden. Von Alexander dem Großen bis Marco Polo, von der Seidenstraße bis zur East India Company – die Geschichte ist voller Beispiele dafür, wie der Handel die Landkarte der bekannten Welt neu gezeichnet hat. Über weite Teile der Geschichte hinweg war der Handel jedoch eher von Macht als von Fairness geprägt. Diese Situation begann sich zu ändern, als Adam Smith und David Ricardo aufzeigten, dass Zölle der Wirtschaft schaden: Sie erhöhen die Kosten für Importeure, die Produktion wird in Länder mit höheren Kosten verlagert, Innovationen werden gehemmt, und Monopole sowie Korruption begünstigt. Nach und nach setzten sich Smiths Erkenntnisse um die Gefahren des Protektionismus, die Bedeutung einer berechenbaren Wirtschaftspolitik und die Rechtsstaatlichkeit durch.
Nach dem Zweiten Weltkrieg, als die Vereinigten Staaten zur dominierenden Wirtschafts- und Militärmacht aufstiegen, vollzog sich ein dramatischer Wandel hinsichtlich der Steuerung des internationalen Handels. Anstatt wirtschaftliche Zugeständnisse von besiegten Ländern zu fordern, setzten sich führende US-Politiker für die Schaffung eines offenen, regelbasierten Handelssystems ein.
Wirtschaftswachstum durch offene Märkte
Von dem multilateralen Handelssystem, das durch das Allgemeine Zoll- und Handelsabkommen und dessen Nachfolger, die Welthandelsorganisation, institutionalisiert wurde, profitierten die USA und die übrige Welt gleichermaßen und es folgten acht Jahrzehnte beispiellosen Wirtschaftswachstums. In den 1990er Jahren erkannten sogar protektionistische Regierungen in Entwicklungsländern den Freihandel als wirksames Mittel zur Armutsbekämpfung und zur Anhebung des Lebensstandards an.
Im Laufe der Jahre wurden Handelsbarrieren schrittweise abgebaut, da die Welthandelsorganisation (WTO) den offenen Welthandel förderte, Streitigkeiten beilegte und Verhandlungen über gegenseitige Zollsenkungen und die Beseitigung anderer Handelsbeschränkungen erleichterte. Bis vor etwa einem Jahrzehnt galt dieses System weithin als Erfolg.
Doch nach seinem Sieg bei den US-Präsidentschaftswahlen 2016 begann Donald Trump, diese Fortschritte zurückzunehmen. Während seiner ersten Amtszeit brach Trump mit der Tradition der jahrzehntelangen parteiübergreifenden Unterstützung für den Freihandel und löste einen Handelskrieg mit China aus. Von seinem Nachfolger, Joe Biden, erwartete man eine Rückkehr zur traditionellen US-Handelspolitik. Stattdessen jedoch beließ er viele der Zölle und Handelsbeschränkungen aus der Trump-Ära in Kraft.
In seiner zweiten Amtszeit geht Trump noch weiter. Er hat Handelsabkommen aufgekündigt und einen weltweiten Handelskrieg vom Zaun gebrochen. Derzeit unterliegen alle Einfuhren in die USA einem Mindestzollsatz von zehn Prozent, wobei ein 90-tägiges Zeitfenster für bilaterale Verhandlungen offensteht, um deutlich höhere Sätze zu vermeiden. Die Zölle auf chinesische Importe wurden auf 145 Prozent angehoben, nachdem China seinerseits während einer Woche gegenseitiger Vergeltungsmaßnahmen die Zölle auf US-Güter auf 125 Prozent erhöht hatte.
Handelspolitik als geopolitisches Machtinstrument
Zusätzlich verschärft wird das Problem noch durch die sprunghafte und unberechenbare Vorgehensweise der Trump-Regierung. In den letzten drei Wochen hat Trump fast allen Ländern der Welt drastische Zölle in Aussicht gestellt, die meisten davon wieder aufgehoben und andere erneut eingeführt, womit er für weitreichende Unsicherheit sorgte. Seine Regierung ist offensichtlich entschlossen, die geopolitische Vorherrschaft der Reichen und Mächtigen wiederherzustellen, hat aber bislang nur Chaos verursacht. Obwohl Trump gelegentlich zu verstehen gab, sein Ziel sei es, andere Länder zu einer Senkung ihrer Zölle oder ihrer Handelsüberschüsse zu bewegen, sind derartige Behauptungen nicht mehr ernst zu nehmen. Die Europäische Union beispielsweise bot an, alle Industriezölle abzuschaffen, wenn die USA dies ebenfalls tun – Trump lehnte ab. Außerdem hat er trotz eines Freihandelsabkommens, das er selbst während seiner ersten Amtszeit ausgehandelt hatte, Zölle auf mexikanische und kanadische Importe verhängt. Singapur, das keine Zölle auf amerikanische Waren erhebt und gegenüber den USA ein Handelsdefizit aufweist, wurde dennoch mit dem
Basis-Zollsatz von zehn Prozent belegt.
Diese Maßnahmen stellen einen eklatanten Verstoß gegen den Geist und den Wortlaut der WTO-Regeln sowie gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung der Handelspartner dar. Sie stehen auch in klarem Widerspruch zu langjährigen Zusagen der USA und zu den vor dem Zweiten Weltkrieg geltenden Regeln hinsichtlich der Machtausübung in bilateralen Beziehungen. Sind Importeure und Exporteure nicht in der Lage, künftige Zölle abzuschätzen oder auf einen stabilen Marktzugang zu zählen, sinkt ihre Bereitschaft zu langfristigen Investitionen. Folglich dürften sich die globalen Wachstumsaussichten erheblich verschlechtern, sollte die Trump-Regierung ihren derzeitigen Kurs fortsetzen.
Die Antwort auf Trumps Abschottung
Reagieren einzelne Länder auf Trumps Drohungen mit dem Versuch, seinen vagen und sprunghaften Forderungen nachzukommen, könnte dies zu einer Fragmentierung der Weltwirtschaft mit langsamerem Wachstum und größerer Instabilität führen. Angesichts dieser Risiken wäre der wirksamste Weg zur Wiederherstellung der globalen Wachstumsaussichten, die USA zu einem Kurswechsel zu bewegen und der internationalen Gemeinschaft zu versichern, dass dieser Wandel echt und dauerhaft ist.
Sollte Trump jedoch, wie zu erwarten ist, weiterhin nicht zu Kompromissen bereit sein, könnten andere Länder die Initiative ergreifen und eine neue Handelsallianz bilden, die unabhängig von den USA agiert und in deren Rahmen WTO-Grundsätze gewahrt bleiben. Schließlich entfallen auf die USA weniger als fünf Prozent der Weltbevölkerung und lediglich etwa neun Prozent der weltweiten Exporte. Eine derartige Allianz könnte sich über eine internationale Handelsorganisation koordinieren, die Streitbeilegungen erleichtert und damit die
Verhandlungsmacht der USA schwächt. Nennen könnte man sie „Minus US Trade Organization“ (MUTO).Für diese Art von Initiative gibt es einen Präzedenzfall. Als die USA den Streitbeilegungsmechanismus der WTO durch die Verweigerung ihrer Zustimmung zu neuen Berufungsrichtern praktisch lahmlegten, einigten sich viele Länder darauf, Handelsstreitigkeiten untereinander im Rahmen der WTO beizulegen. Wenn genügend Länder ihre Zoll- und Handelsverpflichtungen innerhalb eines neuen MUTO-Rahmens bekräftigen, würde der Einfluss der USA schwinden, und nationale Interessengruppen könnten auf eine Rückkehr zu einem
offenen multilateralen Handelssystem drängen.
Immer wenn Zölle und andere Handelsbarrieren eingeführt werden – sei es in den USA oder anderswo – entstehen Interessengruppen, die von diesen Maßnahmen profitieren, wodurch deren Abschaffung zunehmend schwieriger wird. Gelingt es den von Trumps 90-Tage-Forderungen betroffenen Ländern, eine zeitnahe und einheitliche Reaktion zu koordinieren, wäre es möglich, dass sich der Ausblick für die Weltwirtschaft wieder aufhellt. Sollten Trumps Schikanen – und die damit verbundene Unsicherheit – jedoch fortbestehen, droht ein Großteil des wirtschaftlichen Fortschritts der letzten 80 Jahre zunichtegemacht zu werden.
Aus dem Englischen von Helga Klinger-Groier.
* Anne O. Krueger ist ehemalige Chefökonomin der Weltbank und ehemalige stellvertretende geschäftsführende Direktorin des Internationalen Währungsfonds. Derzeit ist sie Senior Research Professor für internationale Ökonomie an der School of Advanced International Studies der Johns Hopkins University sowie Senior Fellow am Center for International Development der Stanford University.
Copyright: Project Syndicate, 2025.
De Maart
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können