US-Präsident Donald Trumps Zollkrieg ist mittlerweile in vollem Gange und Investoren weltweit fragen sich: Was steht als Nächstes auf seiner Agenda, um die globale Wirtschaftsordnung auf den Kopf zu stellen? Viele richten ihre Aufmerksamkeit auf das sogenannte „Mar-a-Lago-Abkommen.“ Dabei handelt es sich um einen Plan von Stephen Miran, Vorsitzender des wirtschaftlichen Beraterstabs von Trump, der eine Koordinierung mit den Handelspartnern der USA zur Schwächung des Dollars vorsieht.
Im Mittelpunkt des Plans steht die Überzeugung, dass der Status des Dollars als Weltreservewährung kein Privileg, sondern eine kostspielige Belastung ist, die maßgeblich zur Deindustrialisierung der amerikanischen Wirtschaft beigetragen hat. Die weltweite Nachfrage nach dem Dollar treibe seinen Wert in die Höhe, wodurch US-amerikanische Waren teurer würden als Importe. Dies führe wiederum zu anhaltenden Handelsdefiziten und veranlasse US-Hersteller, ihre Produktion ins Ausland zu verlagern und damit Arbeitsplätze zu vernichten.
Ist an dieser Darstellung etwas dran? Die Antwort lautet ja und nein. Es ist sicherlich plausibel, dass ausländische Investoren, die US-Aktien, Anleihen und Immobilien in ihren Portfolios halten wollen, einen stetigen Kapitalfluss in die Vereinigten Staaten generieren können, der den Binnenkonsum ankurbelt und die Nachfrage sowohl nach handelbaren Gütern wie Autos als auch nach nicht handelbaren Gütern wie Immobilien und Restaurants steigert. Insbesondere die höhere Nachfrage nach nicht handelbaren Gütern führt tendenziell zu einem Anstieg des Dollarkurses, wodurch Importe für amerikanische Verbraucher attraktiver werden, genau wie Miran es beschreibt.
Stabilisierung der Wechselkurse
Allerdings werden in dieser Logik auch wichtige Details außer Acht gelassen. Der Status des Dollars als Reservewährung treibt zwar die Nachfrage nach US-Staatsanleihen in die Höhe, erhöht aber nicht zwangsläufig die Nachfrage nach allen US-Vermögenswerten. Asiatische Zentralbanken beispielsweise halten Billionen Dollar in Form von US-Schatzanweisungen, die sie zur Stabilisierung ihrer Wechselkurse und zur Schaffung einer finanziellen Reserve für Krisenfälle nutzen. Andere Arten von US-Vermögenswerten wie Aktien und Immobilien meiden sie in der Regel, da diese nicht ihren politischen Zielen dienen.
Das heißt, wenn andere Länder einfach nur Treasuries anhäufen wollen, müssen sie dafür keine Handelsüberschüsse ausweisen. Die nötigen Mittel können auch durch den Verkauf von bestehendem Auslandsvermögen wie Aktien, Immobilien und Fabriken aufgebracht werden.
Und wenn das Handelsdefizit zahlreiche Ursachen hat, ist die Idee von Zöllen als Allheilmittel bestenfalls fragwürdig
-Genau das geschah in den 1960er bis Mitte der 1970er-Jahre. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich der Dollar als globale Reservewährung fest etabliert, doch die USA verzeichneten fast immer einen Leistungsbilanzüberschuss – und kein Defizit. Ausländische Investoren kauften US-Staatsanleihen, während amerikanische Unternehmen im Ausland expandierten, entweder durch den direkten Kauf ausländischer Produktionsstätten oder durch „Greenfield-Investitionen“, im Rahmen derer sie Fabriken von Grund auf neu bauten.
Die Nachkriegszeit war keineswegs der einzige Zeitraum, in dem das Land, das die Weltreservewährung ausgab, einen Leistungsbilanzüberschuss verzeichnete. Das britische Pfund war vom Ende der Napoleonischen Kriege in den frühen 1800er-Jahren bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914 die unangefochtene Weltreservewährung. Während dieser Zeit erzielte das Vereinigte Königreich in der Regel Außenhandelsüberschüsse, die durch hohe Renditen aus Investitionen in seinem Kolonialreich gestützt wurden.
Das Leistungsbilanzdefizit der USA lässt sich auch anders interpretieren, wodurch sich besser erklärt, warum die Beziehung zwischen Wechselkurs und Handelsungleichgewichten komplexer ist, als Mirans Theorie vermuten lässt. In der Wirtschaftsrechnung entspricht der Leistungsbilanzüberschuss eines Landes der Differenz zwischen den nationalen Ersparnissen und den Investitionen des Staates sowie der Privatwirtschaft. Dabei ist zu beachten, dass mit „Investitionen“ hier Sachwerte wie Fabriken, Wohnraum, Infrastruktur und Sachanlagen gemeint sind – keine Finanzinstrumente.
Aus dieser Perspektive betrachtet wird deutlich, dass das Leistungsbilanzdefizit nicht nur vom Wechselkurs beeinflusst wird, sondern von allen Faktoren, die sich auf das Gleichgewicht zwischen Ersparnissen und Investitionen eines Landes auswirken. Im Jahr 2024 betrug das Haushaltsdefizit der USA 6,4 Prozent des BIP und lag damit deutlich über dem Leistungsbilanzdefizit von unter 4 Prozent des BIP.
Fehlerhafte Diagnose
Die Schließung der Haushaltslücke würde zwar nicht automatisch das Leistungsbilanzdefizit beseitigen – das hinge davon ab, wie die Lücke geschlossen wird und wie der private Sektor darauf reagiert – aber es wäre eine weitaus einfachere Lösung als die Einleitung eines Handelskrieges. Die Senkung des Haushaltsdefizits würde jedoch die schwierige politische Aufgabe mit sich bringen, den Kongress davon zu überzeugen, verantwortungsvollere Gesetzesentwürfe in den Bereichen Besteuerung und Ausgaben zu verabschieden. Und anders als im Fall einer öffentlichkeitswirksamen Handelskonfrontation würde man damit Anbiederungsversuche ausländischer Staatschefs bei Trump vermeiden und stattdessen die Aufmerksamkeit der Medien wieder auf die Innenpolitik und die Verhandlungen im Kongress lenken.
Ein weiterer wichtiger Faktor für das Leistungsbilanzdefizit ist die Stärke der US-Wirtschaft, die sich in den letzten Jahren mit Abstand als die dynamischste unter den großen Volkswirtschaften der Welt präsentierte. Dadurch wurden US-Unternehmen für Investoren besonders attraktiv. Selbst der Anteil der Produktion am BIP ist gewachsen. Der Grund, warum die Beschäftigung nicht Schritt gehalten hat, liegt in dem hohen Automatisierungsgrad moderner Fabriken.
Mirans Plan, so schlau er auch sein mag, basiert auf einer fehlerhaften Diagnose. Der Dollar als weltweit führende Reservewährung spielt zwar eine Rolle, ist aber nur einer von vielen Faktoren, die zu den anhaltenden Handelsdefiziten der USA beitragen. Und wenn das Handelsdefizit zahlreiche Ursachen hat, ist die Idee von Zöllen als Allheilmittel bestenfalls fragwürdig.
* Aus dem Englischen von Helga Klinger-Groier
Kenneth Rogoff ist ehemaliger Chefvolkswirt des Internationalen Währungsfonds, Professor für Wirtschaftswissenschaften und Public Policy an der Harvard University sowie Preisträger des Deutsche Bank Prize in Financial Economics 2011. Er ist Ko-Autor des gemeinsam mit Carmen M. Reinhart verfassten Buchs „Dieses Mal ist alles anders. Acht Jahrhunderte Finanzkrisen“ (FinanzBuch Verlag 2010) und Verfasser des demnächst erscheinenden Buchs „Our Dollar, Your Problem“ (Yale University Press, 2025).
Copyright: Project Syndicate, 2025. www.project-syndicate.org
De Maart
Yannis Varoufakis kommt mit bestenfalls sehr abenteuerlichen Erklärungen zu dieser Thematik.
Kenneth Rogoff scheint mir ausgewogener.