Donnerstag11. Dezember 2025

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Analyse von AussenTrump will Europa wieder weiß machen

Analyse von Aussen / Trump will Europa wieder weiß machen
Trumps Nationale Sicherheitsstrategie macht überdeutlich, dass Europa wenig Unterstützung der USA für die Ukraine zu erwarten hat   Foto: AFP/ Andrew Caballero-Reynolds

Seit seiner Rückkehr ins Weiße Haus war die Vision, die US-Präsident Donald Trump für die Welt – und insbesondere für Europa – verfolgt, inmitten seiner charakteristischen Inkohärenz und seines Bombasts oft schwer zu erkennen. Seine neue Nationale Sicherheitsstrategie jedoch gibt Aufschluss über die Grundsätze, die seine außenpolitische Agenda bestimmen.

Der in seiner neuen Sicherheitsstrategie skizzierte explizit nationalistische und nativistische Rahmen markiert einen scharfen Bruch mit dem multilateralen Ansatz, der die US-Außenpolitik seit 1945 geleitet hat. Die darin zum Ausdruck kommende Verachtung für liberale Werte sollte alle verbleibenden Illusionen über den gegenwärtigen Zustand des transatlantischen Bündnisses zerstreuen und deutlich machen, dass Trump nur dann an der Seite Europas stehen wird, wenn es seine MAGA-Ideologie (Make America Great Again) – oder besser gesagt, deren europäische Variante: Make Europe White Again – vollständig übernimmt.

Während die Führungsrolle der USA einst von ideologischem Universalismus geprägt war, lässt die neue Nationale Sicherheitsstrategie eine ausnehmend auf das Eigeninteresse verengte Haltung erkennen. Wie Trumps Kriegsminister Pete Hegseth formulierte, wird sich das Pentagon nicht länger durch „Demokratieaufbau, Interventionismus, undefinierte Kriege, Regimewechsel, Klimawandel, Wokeness oder planloses Nation-Building“ ablenken lassen.

Verteidiger individueller Freiheiten

Viele Regierungen des globalen Südens werden diesen Wandel zweifellos begrüßen. Einige der Gegner der USA haben es bereits getan. Für Russland, das Trumps Nationale Sicherheitsstrategie als „im Einklang mit unserer Vision“ bezeichnete, sieht der Krieg in der Ukraine plötzlich vielversprechender aus.

Trump präsentiert sich gern als Verteidiger individueller Freiheiten, insbesondere der Redefreiheit. Doch die neue Nationale Sicherheitsstrategie erzählt eine andere Geschichte. Sie kündet von seiner Absicht, sich den „elitengesteuerten, antidemokratischen Einschränkungen von grundlegenden Freiheiten in Europa, der Anglosphäre und der übrigen demokratischen Welt, insbesondere bei unseren Verbündeten“, entgegenzustellen.

Wie die Strategie zeigt, weichen Trumps Erwartungen an Europa stark vom Verständnis der Europäer von den transatlantischen Beziehungen ab. Während die europäischen Staats- und Regierungschefs den amerikanischen Sicherheitsschirm bewahren wollen, ohne sich Trumps ideologischem Projekt anzuschließen, verlangt er von ihnen, dass sie sich einer von MAGA geprägten Weltordnung anschließen, bietet ihnen aber kaum eine Gegenleistung.

Im Wesentlichen schlägt Trump vor, die strategische Solidarität zwischen den USA und Europa – an die er nicht mehr glaubt – durch eine zivilisatorische Allianz zu ersetzen, die auf drei zentralen Bedingungen beruht.

Keine politische Zensur

Die erste ist die Forderung an die Europäische Union, die rechtlichen Rahmenbedingungen abzubauen, die nach Trumps Ansicht die Meinungsfreiheit beeinträchtigen und den Interessen der USA schaden. Vizepräsident J.D. Vance hat auf der Münchner Sicherheitskonferenz im Februar genauso argumentiert und behauptet, die wahre Bedrohung für Europa gehe von „alten, etablierten Interessen aus, die sich hinter hässlichen Begriffen aus der Sowjetära wie Fehlinformation und Desinformation verstecken“, um populistischen Stimmen eine „digitale Zensur“ aufzuerlegen.

Die EU-Strafen gegen US-Technologiegiganten wie Google, Apple, Facebook und Amazon hatten jedoch nichts mit politischer Zensur zu tun. Und die jüngste Geldstrafe in Höhe von 140 Millionen Dollar, die gegen X (ehemals Twitter) verhängt wurde und Vertreter der Trump-Regierung erzürnte, betraf Verstöße gegen die Transparenz und den Verbraucherschutz: die irreführende Benutzerverifizierungspolitik der Plattform, ihr Versäumnis, die vorgeschriebenen Werbedaten bereitzustellen, und ihre Bemühungen, Forschern den Zugang zu verwehren. Indem er dies als Zensur bezeichnet, wiederholt Trump lediglich die Behauptungen des X-Eigentümers Elon Musk, der aus seiner Unterstützung für die „Abschaffung“ der EU keinen Hehl gemacht hat.

Die zweite Bedingung ist, dass die EU ihre Einwanderungs- und Asylpolitik überarbeitet, die in der Nationalen Sicherheitsstrategie als Bedrohung der westlichen Zivilisation dargestellt wird. Europas vor allem durch ihre Ablehnung der Einwanderung gekennzeichnete rechtsextreme Parteien haben diese ideologische Unterstützung schnell aufgegriffen. So hat etwa der französische Rechtsextremistenführer Eric Zemmour verkündet, Trump sei „der Einzige, der die europäische Zivilisation verteidigt“.

Sicherheitsgarantien der USA

Trumps dritte Bedingung ist, dass Europa aufhört, den militärischen Schutz der USA als selbstverständlich zu betrachten. Seiner Meinung nach haben sich die europäischen Regierungen lange Zeit auf die NATO gestützt, um Sicherheitsgarantien der USA zu erhalten, während sie die EU nutzten, um die wirtschaftlichen Interessen der USA zu untergraben.

Der stellvertretende US-Außenminister Christopher Landau unterstrich dies kürzlich in einem Beitrag auf X. „Wenn diese Länder ihre NATO-Hüte aufsetzen“, schrieb er, würden sie die transatlantische Einheit beschwören. Aber wenn sie „ihre EU-Hüte tragen“, würden sie Ziele verfolgen, die „den Interessen und der Sicherheit der USA völlig zuwiderlaufen“, darunter „Zensur, wirtschaftlichen Selbstmord/Klimafanatismus, offene Grenzen, Verachtung der nationalen Souveränität/Förderung multilateraler Regierungsführung und Besteuerung sowie Unterstützung für das kommunistische Kuba“.

Eine besonders auffällige Passage in der Nationalen Sicherheitsstrategie warnt, dass „spätestens in einigen Jahrzehnten bestimmte NATO-Mitglieder mehrheitlich außereuropäisch sein werden“. Es sei eine „offene Frage“, ob künftige Bevölkerungen „ihren Platz in der Welt oder ihr Bündnis mit den USA auf dieselbe Weise sehen werden wie diejenigen, die die NATO-Charta unterzeichnet haben“.

Diese Formulierung spiegelt Trumps langjährige Überzeugung wider, dass die europäischen Länder durch die Einwanderung „weniger europäisch“ werden – als würde die Identität Europas auf ethnischer Reinheit beruhen. Dieses tiefe Missverständnis unterstreicht die wachsende kulturelle und politische Kluft zwischen Europa und den USA.

Geopolitischer Dornröschenschlaf

Trumps Nationale Sicherheitsstrategie macht zudem überdeutlich, dass Europa wenig Unterstützung der USA für die Ukraine zu erwarten hat. Die US-Regierung sieht sich „im Widerspruch zu europäischen Funktionsträgern, die unrealistische Erwartungen an den Krieg haben“ und zielt darauf, „die Bedingungen für strategische Stabilität auf der gesamten eurasischen Landmasse wiederherzustellen“ und „das Risiko eines Konflikts zwischen Russland und europäischen Staaten zu verringern“. In dieser Vision sind die USA nicht Europas Partner gegen Russland, sondern ein Vermittler zwischen beiden Seiten.

Zusammengenommen sollten diese Positionen die europäischen Politiker alarmieren. Angesichts einer feindlich gesonnenen US-Regierung müssen sie erkennen, dass die Zeit des automatischen Schutzes durch die USA vorbei ist, und sich der strategischen Verwundbarkeit des Kontinents direkt stellen. Wie Charles de Gaulle schon vor Jahrzehnten warnte, kann sich Europa nicht ewig auf die USA verlassen. Um zu überleben, muss es aus seinem geopolitischen Dornröschenschlaf erwachen und wieder die Kontrolle über sein Schicksal übernehmen.

* Aus dem Englischen von Jan Doolan

Zaki Laïdi war Sonderberater des Hohen Vertreters der Europäischen Union für Außen- und Sicherheitspolitik (2020 bis 2024). Er ist Professor an der Sciences Po.

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