Montag27. Oktober 2025

Demaart De Maart

Trügerische Ruhe vor dem großen Sturm

Trügerische Ruhe vor dem großen Sturm

Jetzt weiterlesen!

Für 0,99 € können Sie diesen Artikel erwerben:

Oder schließen Sie ein Abo ab:

ZU DEN ABOS

Sie sind bereits Kunde?

Alberto Contador bat um Entschuldigung – Andy Schleck akzeptierte

Alberto Contador und Andy Schleck haben bis morgen eine Art „Burgfrieden“ geschlossen. Die Tour de France soll dann an den Hängen des Tourmalet und zwei Tage darauf beim Zeitfahren nach Bordeaux entschieden werden. Gestern gewann der Franzose Pierrick Fedrigo. (Siehe auch Artikel: Contador entschuldigt sich für Attacke)

Aus Pau berichten „T“-Redakteur Kim Hermes (khe) und „T“-Radsport-Experte Petz Lahure (P.L.)

Alberto Contador hat sich via Video-Nachricht auf www.youtube.com (www.youtube.com/watch?v=XdOJLuePexs) bei Andy Schleck entschuldigt. Es fällt allerdings schwer, dieser verspäteten Bitte um Vergebung des Spaniers, der Schleck das „Maillot jaune“ abnahm, weil dieser wegen eines Kettendefekts absteigen musste, nachzukommen. Contadors Rechtfertigungsversuch ist für viele „suiveurs“ nichts anderes als eine Ausrede, um diejenigen, die ihn reich machten, zufrieden zu stellen. Das sind an erster Stelle sein Rennstall und die Sponsoren, die ihm bis zu 5 Millionen Euro pro Jahr zahlen.

„Ich hoffe, dass mein Verhältnis zu Andy so gut bleibt wie bisher“, meint Contador: „Als ich attackierte, hatte er ein mechanisches Problem. Vielleicht habe ich einen Fehler gemacht. Es tut mir leid. In der entscheidenden Phase des Rennens denkt man nur daran, schnell zu fahren. Ich bin nicht glücklich über die Umstände, weil für mich Fairplay sehr wichtig ist“.

Ein Heuchler?

Ehrlichkeit oder Heuchelei? Diese Frage ist nicht einfach zu beantworten. Fakt ist, dass es lange, ja viel zu lange dauerte, bis Contador seinen Irrtum einsah. Der Toursieger von 2007 und 2009 hat von Schlecks Pech profitiert. Das gehört zum Sport. Es passt sich allerdings nicht, wenn man die Unwahrheit sagt und sich Stunden später (auf Druck von wem auch immer) reinwaschen will. Schleck hat sich im Verlauf der gestrigen Etappe mit Contador ausgesprochen, dessen Entschuldigung angenommen und das Publikum in Pau aufgefordert, die Pfiffe gegen den Spanier einzustellen. Andy zeigte dabei ein Fairplay, wie es nur ganz großen Champions eigen ist. Er will seine Revanche auf dem Terrain nehmen, dort, wo der Sport ja auch hingehört.

Vorerst aber wird das „Psychodrama“ zwischen beiden vor den Mikrofonen fortgesetzt. Am heutigen Ruhetag logieren sowohl die Astana- als auch die Saxo-Bank-Mannschaft im Novotel Pau Lescar am „rond-point“ der route de Bayonne. Dort wird es am frühen Nachmittag zum Gedränge kommen, denn beide Teams haben ihre Pressekonferenz für 14.30 Uhr angesetzt. Hier Contador, dort Schleck, „à chacun de faire son choix“.

Über Andys geheime Pläne im Hinblick auf die Etappe vom Donnerstag wird kaum etwas zu erfahren sein. Bekannt ist nur, dass er angreifen muss. Wann und wo, kann nur er oder Bjarne Riis entscheiden. Auf den Hängen des Tourmalet spielt Andy seine allerletzte Chance aus, die Tour doch noch zu gewinnen.

Regen angesagt

Eine Rolle dürfte auch das Wetter spielen. Météo France hat für Donnerstag Gewitter und Regen mit mäßigem Wind aus Südsüdwest angekündigt. Die Temperaturen in der Gegend von Barèges, also im schweren Anstieg zum Tourmalet, dürften dabei 11 bis 12 Grad nicht übersteigen. Sollten diese Voraussagen eintreten, käme es zu einem radikalen Wetterumschwung bei der Tour de France. Seit über zwei Wochen quält der Tross sich mit Temperaturen über 30 Grad herum. Nun soll das Thermometer mit einem Mal um mehr als die Hälfte sinken. Trübe Aussichten!

Für das Peloton wird die Donnerstagsetappe also zur „Königsetappe“. Eigentlich hatten die Organisatoren die gestrige Teilstrecke zur Hauptetappe erkoren. Dies zur Erinnerung an den legendären Soloritt von Eddy Merckx aus dem Jahr 1969. Damals legte „der Kannibale“, wie Merckx wegen seiner Sucht auf Etappen- und Schlusssiege genannt wurde, am Tourmalet den Grundstein für den ersten seiner fünf Tour-Siege.

Bei der nach Mourenx-Ville-Nouvelle führenden Etappe attackierte Eddy im Anstieg und gewann nach einer über 130 km langen Soloflucht mit rund acht Minuten Vorsprung. Bei der Tour 1969 trug Merckx noch fünf weitere Etappen davon: eine in den Vogesen, eine in den Pyrenäen, die Einzelzeitfahren bei Revel und Divonne-les-Bains sowie das abschließende „contre-la-montre“ nach Paris. Und, um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, holte Eddy sich damals alle Wertungen: das „Maillot jaune“, das „Maillot vert“, das Bergpreis-Klassement und die erst 1968 eingeführte „Kombination“. Lang, lang ist’s her …
Die gestrige Etappe kam in ihrer Intensität nicht im Entferntesten an das heran, was Merckx vor 41 Jahren zum Besten gab. Nicht einmal Lance Armstrong, der sich in die „échappée du jour“ mogelte, konnte die Fahrt durch die prächtige Landschaft aus ihrer Lethargie erwecken.

So gewann mit Pierrick Fedrigo einer, der am Berg nicht einmal stark ist. Der Franzose hatte schon 2006 (Gap) und 2009 (Tarbes) eine Tour-Etappe gewonnen. Gestern siegte er vor Landsmann Sandy Casar. Damit durfte Frankreich gestern den dritten Etappenerfolg in Serie feiern, den sechsten insgesamt bei dieser Tour. Das gab es seit 1997 nicht mehr. „Cocorico!“

P.L.