Ihrer Wut und Empörung über das Verbot der am Samstag in Belgrad geplanten EuroPride-Parade lassen Serbiens Homosexuelle und Lesben freien Lauf. „Schämst Du Dich nicht? Du hast uns verraten!“, rief ein aufgebrachter Aktivist bei einer Menschenrechtskonferenz im Belgrader Dom Omladine Serbiens lesbischer Regierungschefin Ana Brnabic zu.
Tatsächlich hatte die Strohfrau des allgewaltigen Staatschefs Aleksandar Vucic den Organisatoren der ersten EuroPride in Südosteuropa bereits vor drei Jahren schriftlich die Unterstützung ihrer Regierung für deren Durchführung gelobt. Doch ausgerechnet Serbiens Innenministerium hat an das von Vucic schon Ende August angedrohte Verbot der Parade aus „Sicherheitsgründen“ verkündet: Es hätte wegen einer gleichzeitig geplanten und nun ebenfalls verbotenen Gegendemonstration die Gefahr bestanden, dass es zu Gewalt und der „Störung der öffentlichen Ordnung in größerem Ausmaß“ kommen könne.
Wenn es den politischen Willen geben würde, bestünde auch kein Sicherheitsproblem, ist hingegen Goran Miletic überzeugt, der Organisator der seit Wochenbeginn bisher ohne nennenswerten Zwischenfälle über die Bühne gehenden EuroPride-Woche: „Wir sind keine Bedrohung der Sicherheit, sondern haben diese immer garantiert.“
Gegen die Entscheidung des Innenministeriums hat EuroPride auch mit Verweis auf die Urteile des serbischen Verfassungsgerichts Berufung eingelegt: Das ebenfalls mit Sicherheitsbedenken begründete Verbot der Belgrader Pride-Paraden von 2011, 2012 und 2013 hatte das Gericht bereits vor neun Jahren als verfassungswidrigen Verstoß gegen die Versammlungsfreiheit eingestuft.
Eingeknickt vor den Rechten
Die Organisatoren der EuroPride sind noch im Gespräch mit den Sicherheitsbehörden über eine etwaige Alternativroute. Doch auch bei Ablehnung ihres Einspruchs soll nicht nur die geplante Kundgebung vor dem Parlament, sondern auch die Parade auf jeden Fall steigen. Nicht die Parade selbst, sondern nur deren Route sei von der Polizei verboten worden, so Vladimir Bilcik, der Serbien-Berichterstatter des Europaparlaments.

Neben zahlreichen EU-Politikern haben auch heimische Oppositionsparteien und Bürgerrechtsgruppen ihre Teilnahme zur Unterstützung von Serbiens bedrängter LGTBQI-Bewegung angekündigt. Der Staat habe sich „vor den Hooligans zurückgezogen“, klagt Marinka Tepic, Fraktionschefin der sozialdemokratischen SSP. Das Verbot der Parade zeige die „Ohnmacht“ des Staats, die radikalen Rechten zu kontrollieren, konstatiert bitter die Bürgerrechtsplattform „Die drei Freiheiten“.
Bei den ersten Belgrader Pride-Paraden 2001 und 2010 war es zu heftigen Hooligan-Ausschreitungen gekommen – letztere auch mit tatkräftiger Unterstützung der serbischen Geheimdienste. Seit 2014 gingen – mit Ausnahme des Corona-Herbsts 2020 – die jährlichen Paraden zwar unter großem Polizeiaufgebot, aber ohne größere Zwischenfälle und Proteste über die Bühne.
Seit Mitte August hatten rechtsklerikale, angeblich auch von der russischen Botschaft mitinitiierte Gegendemonstrationen gegen die EuroPride aber auffällig an Zulauf gewonnen: An der letzten der sogenannten „Prozessionen“ nahm am Wochenende auch Präsidentenvater Andjelko Vucic teil.
De Maart
Die betroffenen Personen sollten sich die allgemeine politische Situation nochmal vor Augen führen und ihre Parade aus genannten Gründen überdenken bzw. absagen.