Sonntag16. November 2025

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Martin ScorseseTrilogie der Gier: Die Lockungen allumfassender Verantwortungslosigkeit

Martin Scorsese / Trilogie der Gier: Die Lockungen allumfassender Verantwortungslosigkeit
Sam „Ace“ Rothstein (Robert De Niro), ein begnadeter Redner, der von der Mafia an die Spitze des Hotel-Casinos „Tangiers“ in Las Vegas befördert wurde, ist die Hauptfigur aus „Casino“  Foto: Universal/Collection Christophel via AFP

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Einer der Altmeister des amerikanischen Films, Martin Scorsese, kehrt zurück ins Kino. So wie „The Irishman“ (2019) den Schwanengesang auf den Mafiafilm darstellte, so bedeutet sein neuer Film „Killers of the Flower Moon“ einen weiteren Abgesang, nicht so sehr auf den Mafia- oder Gangsterfilm per se, sondern vielmehr auf den „amerikanischen Traum“.

In der Tat spricht vieles dafür, Scorseses neuen Film als den innerfilmisch-chronologisch ersten Teil einer Trilogie der Gier zu lesen, die mit „Casino“ (1995) und „The Wolf of Wall Street“ (2013) in ihrem harsch-entzaubernden Blick vervollständigt wird.

Gott ist Geld: Die Anbetung des Kapitals bei Martin Scorsese

„I do love that money“, sagt der Kriegsheimkehrer Ernest Burkhart (Leonardo DiCaprio) in „Killers of the Flower Moon“ lächelnd zu seinem Onkel und Mentor William Hale (Robert De Niro) – er sagt es gleich mehrfach, ja, fast gebetsartig. Freilich ist die religiöse Dimension, die sich in Scorseses Werk oft wiederfindet, weitestgehend bekannt und hinsichtlich Scorseses Kindheit und Erziehung kaum verwunderlich. Aufgrund seines kränklichen Gesundheitszustandes und seines Asthmaleidens musste der junge Martin Scorsese in seiner Kindheit und Jugend sportliche Aktivitäten meiden und verbrachte viel Zeit sowohl im Kino als auch in der Kirche. Beides hat ihn im gleichen Maße geprägt, er hatte „das Gefühl, dass beides zusammengehörte“1). Dementsprechend ähneln Scorseses Filme auf unterschiedliche Weisen einem Gottesdienst, in dem immer wieder auf den Ablauf von Gebet, Chor und Buße verwiesen wird oder die auch Züge einer Beichte aufweisen können. Der Antrieb dieser religiös-kulturellen Weltanschauung bei Scorsese basiert auf der anziehenden Wirkungsmacht des Geldes. „Der Gott von Scorseses Helden ist das Geld“,2) schreibt Georg Seeßlen in seiner umfangreichen Monografie, und Dana und Gerhard Poppenberg ergänzen: „Das Geld ist in Scorseses Welt nichts weniger als ein Gott, sondern mit allen Anzeichen des Teuflischen belegt.“3) Tatsächlich lässt sich grundlegend sagen, dass Scorseses Werk maßgeblich von einem Konnex aus Religion-Geld, Verbrechen-Gewalt, Schuld-Sühne durchzogen ist.

Das Paradies auf Erden: „Casino“ (1995)

Sam „Ace“ Rothstein (Robert De Niro), ein begnadeter Redner, der von der Mafia an die Spitze des Hotel-Casinos „Tangiers“ in Las Vegas befördert wurde, ist die Hauptfigur aus „Casino“ – einer großen Erzählung von Ruhm und Zusammenbruch, einer Metapher für das Ende einer bestimmten Welt. In „Casino“ bleibt Scorsese dem Mafia-Milieu treu. Wie bei Scorsese üblich, berichtet Rothstein über den Voice-over-Kommentar von seiner Machtposition innerhalb des Spielcasinos. Dabei wird er von der Kamera stark untersichtig erfasst, seine Dominanz wird nachdrücklich inszeniert. Die gewählte Kameraposition gibt zudem den Blick auf die Decke des Casinos frei, wo die Lichterkette ihm eine Art Heiligenschein verleiht. Als Casinoverwalter ist er in der Tat ein Heiliger im Dienste Gottes. Nicht zufällig hören wir am Filmanfang Auszüge aus Johann Sebastian Bachs „Matthäus-Passion“. Sakraler kann man die Szenerie nicht gestalten – ein Raum, der nur zur Anbetung des Geldes geschaffen wurde, für Rothstein, so sagt er, sei es „das Paradies auf Erden“.

Das Casino bildet dabei lediglich die äußere Hülle, eine Haut, hinter der sich vitale, lebenserhaltende Kreisläufe des Kapitals abspielen. Da müssen Geldbeträge aus dem Zählerraum des Casinos in den großen Kreislauf der „Bosse“, der Mafiaoberhäupter, gebracht werden, die weit entfernt von der Wüste Nevadas leben. Die Kamerabewegung interessiert sich dabei mehr für den Glanz der Münzen und die Koffer, mit denen sie transportiert werden. Der Mensch, der sie trägt, hat keine Identität, ist durch den Bildkader nur angeschnitten, er ist mehr tragender Arm als vollständiger Körper, der sich als Subjekt gar nicht erst konstituieren kann.

Die Figuren dieses Films sind ohnehin leere Zeichen, denen nur über das Verständnis der Schaffung und Zirkulation von Geld beizukommen ist. Sie sind Funktionsträger innerhalb einer kapitalistischen Logik der gierigen Zunahme. Dass die Geldflüsse intakt bleiben müssen, das ist das oberste Gebot in „Casino“. „Unterm Strich geht es ums Bargeld“, sagt Nicki Santoro (Joe Pesci), der Leibwächter Rothsteins, ebenso so lapidar wie klarsichtig. Das Geld umfasst in „Casino“ jede Dimension des Lebens: Die Ehe zwischen Rothstein und Ginger McKenna (Sharon Stone) ist ein Geschäftsvertrag. Das heilige Sakrament der Ehe beruht auf Geld und nichts als Geld. Dabei geht es nicht um finanzielle Absicherung, es geht um ein Leben im Überfluss. „Casino“ ist nicht nur der desillusioniert-kritische, ja karikierende Blick auf die Auswüchse des mafiösen Verbrechens und deren Handlanger, auch ist es ein Film des Abgesangs auf eine Welt des Glücksspiels, der in äußerst elegischen Bildern zu seinem Austritt findet.

Hemmungsloser Hedonismus: „The Wolf of Wall Street“ (2013)

Mehr noch als in „Casino“ wird das Bild von einem sorgenfreien Leben aus Reichtum, Überfluss und Genuss in „The Wolf of Wall Street“ auf die Spitze getrieben. Der Film basiert auf der Autobiografie Jordan Belforts und erzählt, wie der junge Börsenmakler betrügt, indem er wertlose Papiere verkauft und die Gier seiner Kunden ausnutzt, um die eigene Gier zu befriedigen. Scorseses Börsenhai ist moralisch absolut verwerflich. Tragische Züge, die noch ein Gordon Gekko („Wall Street“, Oliver Stone, 1987) erkennen ließ, sucht man hier vergebens. „The Wolf of Wall Street“ ist der Versuch, über die Muster des Biopics ein Bild der Zeit zu reflektieren, die kriminalistischen Ausmaße der Welt der Hochfinanz verständlich zu machen und so auch als der Versuch eines Befundes für die Weltfinanzkrise von 2007 zu gelten.

Mehr noch als in irgendeinem anderen Scorsese-Film zeigt „The Wolf of Wall Street“ die Erblindung durch die Gier. Vieles von der Naivität, die Burkhart in „Killers of the Flower Moon“ noch zum unfreiwilligen, tragikomischen Schurken macht, bleibt diesem Jordan Belfort erhalten. Er ist dermaßen von der Vermehrung des eigenen Reichtums besessen, dass er die Gefahr nicht sieht, die sich um ihn herum aufbaut: Er sieht nicht, dass der FBI-Beamte sich nicht kaufen lässt, er sieht nicht, dass die Steuerfahndung ihm bereits auf der Spur ist, er sieht schlicht nicht, dass seine zunehmende Geldgier auch das Risiko einer Festnahme erhöht. Und wieder bleibt die religiöse Komponente innerhalb dieses pathologisch-routinierten Gierempfindens nicht aus: Belforts Tagesablauf, so schildert er uns, verläuft nach einem klaren, ritualisierten Prinzip, der Wandlung während des Gottesdienstes nicht unähnlich: Morgens beim Duschen gilt es, die Restbestände an Drogen aus seinem Körper zu spülen, um sich anschließend mit seiner Ehefrau Naomie zu versöhnen.

Dies gilt auch für seinen streng geregelten Drogenkonsum: Er befolgt exakte Vorschriften, wann er wie viele seiner Quaaludes einnehmen muss. Der geplante Rhythmus ist für Belfort ein Zeremoniell, an das er sich nicht nur hält, sondern das er auch seinen Mitmenschen vorlebt. Es ist die Grundvoraussetzung, die das gierige Streben nach mehr Geld für sich verlangt, die aber ohne das Geld so auch nicht umsetzbar wäre – ein paradoxer Teufelskreis, der nur durch die Fehler zerstört werden kann, die der zunehmende Exzess selbstverschuldet. Die eigens zum Zwecke der Befriedigung der Gier gegründete Firma Stratton Oakmont ist ein Tempel, wo Orgien und Zeremonien gefeiert werden. Fast prozessionsartig ziehen Scharen an Prostituierten durch Belforts Großraumbüro. Der Exzess wird zum Kult: Konsum und Genuss, die bis zur Dekadenz reichen, geben sich die Hand. Die Quaaludes, die Drogen, die Belfort zu sich nimmt, sind in diesem Sinne der äußere Ausdruck seines verzerrten Bezugs zur Realität: Das wahre Problem für Belfort ist nicht virtueller Natur, nicht etwa fallende oder steigende Aktienkurse. Gar lebensgefährliche Situationen entstehen für ihn erst dann, wenn er sich selbst physisch bewegen muss. So glaubt er, er hätte seinen Sportwagen ohne Schäden nach Hause gebracht, dabei hat er ihn doch in Wirklichkeit zu Schrott gefahren.

„Niemand kann vorhersagen, ob eine Aktie steigt, fällt oder seitwärts im Kreis dreht“, gibt Mark Hanna Belfort als Initiation mit auf den Weg – Scorsese findet dafür eine virtuose formalsprachliche Übersetzung: Um weiterhin seine Geldwäsche garantieren zu können, muss Belfort ungeplant in die Schweiz. Er glaubt, die Fahrt in seiner Yacht problemlos absolvieren zu können, steuert jedoch direkt in ein lebensgefährliches Unwetter auf hoher See. Auch hier wird die Yachtfahrt, die reale, physische Bewegung, zur Herkulesaufgabe und stellt sich am Ende als unmöglich heraus. Das Boot wird zum gelebten Aktienkurs: Über den stürmischen Wellen der See treibend, kann die nächste Welle tragend oder fallend sein – Leben und Tod im Moment, ganz nah beieinander. Es ist der komplette Verlust jedes Realitätsbezuges, augenfällig ins Bild gesetzt, eine Folge der reinsten Erblindung durch die Gier.

Am Ende von „The Wolf of Wall Street“ führt Belfort ein gewöhnliches Leben: Er tritt als Motivations- und Verkaufstrainer auf, von seinem hedonistischen Lebensstil ist nichts mehr geblieben. Es zeigt sich darin aber eine ironische Brechung: Belfort wird trotz Verurteilung und Gefängnisstrafe erneut gefeiert – sein Lebensstil wird weiterhin gepriesen und als erstrebenswert angesehen. Darin liegt die bittere Schlusspointe des Films, denn alles Vorläufige basiert auf der Negation eben dessen. Immer wieder entschleunigt Scorsese den ungemeinen Bilderrausch, wählt Stilmittel wie die Obersicht, die Zeitlupe oder noch ein eher meditatives Musikstück, „Smokestack Lightning“ von Howlin’ Wolf, um zu dem Gezeigten auf Distanz zu gehen. Er glorifiziert den Exzess, ohne ihn zu affirmieren, das ist kein Widerspruch. Den Exzess, den er zelebriert, unterläuft er im gleichen Zuge, eine spannungsvolle Dialektik wohnt diesen Bildern fortwährend inne – „The Wolf of Wall Street“ ist einer der eindringlichsten Filme über die moralische Verwahrlosung und die Verzückung allumfassender Verantwortungslosigkeit der vergangenen Dekade.

Wehret den Anfängen: „Killers of the Flower Moon“ (2023)

Martin Scorsese in London, am 7. Oktober 2023
Martin Scorsese in London, am 7. Oktober 2023 Foto: AFP/Henry Nicholls

Situiert an der Schnittstelle zwischen Western- und Gangsterzeit erzählt Scorsese noch einmal nach „Gangs of New York“ (2002) eine blutige Gründungsgeschichte Amerikas, die an Sergio Leones „Once Upon A Time in the West“ erinnert. Da bestehen zwischen Leone und Scorsese durchaus Ähnlichkeiten: Da wie hier erinnern die Establishing Shots der Landschaft am Anfang an dieses mythische Moment. Burkhart, gerade aus dem Krieg in Europa zurück, steigt aus dem Zug und unvermittelt spürt man seine Ahnung für das Land, das er betritt. Die Erdölplattformen sind die Triebfeder der Gier in Scorseses „Killers of the Flower Moon“. In nahezu elegisch-verklärenden Einstellungen zeigt Scorsese die indigenen Bewohner, die sich im Öl zu baden scheinen, es ist das „schwarze Gold“, dem die Figuren huldigen. Der Western als genuin amerikanisches Filmgenre erzählt von der Verlagerung der Grenze, Scorseses Film interessiert sich indes für das „danach“. Die Erschließung des Landes mit dem Zug gen Westen hat dahinter neue, innere Grenzen entstehen lassen, sozusagen einen „inneren Frontier-Mythos“ ausgebildet.

Davon erzählt „Killers of the Flower Moon“, der sich lose an die gleichnamige Romanvorlage von David Grann hält und von einem Kriminalfall aus den 1920er-Jahren ausgeht – rund zwanzig Morde soll William Hale an den Grundbesitzern des Osage Countys als Drahtzieher verübt haben. Sein Neffe Burkhart ist dabei sein naiver Gehilfe – ebenso wie in „Casino“ wird sein Ehegelübde zum Zwecke der Befriedigung der Gier geschlossen. Mit der Heirat der jungen einheimischen Mollie (Lily Gladstone) soll er in den Wohlstand der Osage einheiraten. Die Morde, die sich alsbald sukzessive mehren, dürfen wohl als später Ausgang einer Historie stehen, die mit der gewaltsamen Besiedelung des Westens ihren Anfang nahm. An den Western-Sheriff, gleichsam der Ordnungshüter aus der Not heraus, erinnert nur noch der Stern an der Wand, ein Anhängsel als Erinnerungsstück an wilde Zeiten und die rauen Herausforderungen, die sich an die Westerner stellten. Aus dieser Mischung von eigenwilliger Rechtsvorstellung, weißem Überlegenheitsgedanken und der Idee der unbegrenzten Möglichkeiten erwächst eine Verantwortungs- und Maßlosigkeit, auch in den Gewalttaten gegenüber den Ureinwohnern, denen das Land in dieser Logik kapitalistischen Exzesses nochmals genommen werden darf.

Scorsese schildert all dies mit seinen gewohnten Stilmitteln: Das Voice-over führt hier, vielleicht mehr als in anderen Scorsese-Filmen, die vollkommene Ignoranz – wieder eine Folge der Erblindung durch die Gier – seiner Protagonisten vor: Es sind nicht die verkommenen Moralvorstellungen, die diese Figuren beschränken, es mangelt mehr an der Intelligenz. Ihnen fehlt es ebenso noch am Charme und Charisma, die die Gangsterfiguren aus „Casino“ und „The Wolf of Wall Street“ auszeichnen. Burkhart ist kein rhetorisch brillanter Redner, er besitzt nicht die Kunst der Überredung, die Hale schon viel eher verinnerlicht hat. Die Figuren dieses Films verstricken sich nicht in gefährliche Dreiecksverhältnisse wie in „Casino“ oder in skurrile Praktiken der Geldwäsche wie in „The Wolf of Wall Street“. Es sind einfach von sich aus dumme Dilettanten, die in ihrer Dümmlichkeit die eigenen Fehler nicht bemerken.

Die Etablierung einer neuen Ordnung auf amerikanischem Boden muss sich vor der Ausgangsbasis der einstigen gewaltvollen Landnahme nämlich erst durchsetzen – verzweifelt, fast schon mitleiderregend wirken die Figuren dieses Films, die gegenüber den Umbrüchen der Gesellschaft wie verloren erscheinen, weil sie unter diesen Umwälzungen eben noch keine „perfekten Verbrecher“ sind, ja sein können. Dafür fehlt ihnen das staatliche Gegengewicht, mit der Gründung des FBI ist eine Fahndungsinstitution erstmals am Ermitteln. Dies ist bedeutsam, weil es eine Perspektive auf die Entwicklung krimineller Aktivität in Aussicht stellt. Zudem ist damit implizit deutlich gemacht, wie Scorsese eigene innerfilmische Verbindungen schafft: Dieser William Hale und Burkhart wirken wie die Vorfahren von Ace Rothstein oder Jordan Belfort – die Ähnlichkeit beschränkt sich da nicht nur auf das äußere Erscheinungsbild von De Niro und DiCaprio, eine Parallele, die diese Annahme indes nur bekräftigt.

In allen Fällen überwiegt da eine ganz pessimistische Note, die besagt, dass das Geld gleichsam der Motor der Vereinigten Staaten ist, dass das Werden dieser neuen Nation auf Gier und Habsucht aufgebaut ist, ferner Verbrechen und Gewalt als Folge nicht lange auf sich warten lassen – eine tiefpessimistische, desillusionierte Americana, die Verantwortungslosigkeit und Profitgier zur Kehrseite hat.

Vom Taxifahrer zum Millionär

Es sind letztlich pervertierte Formen des „amerikanischen Traums“: Mit „Taxi Driver“ erlangte Scorsese 1977 den großen Durchbruch, er galt da unversehens als großer Erneuerer der Formensprache des Kinos, als großer Künstler des New Hollywood, über „Goodfellas“ (1992), „Casino“ (1995), „The Departed“ (2006) zu „The Wolf of Wall Street“, dem hemmungslosen Millionär – eine Kurve, die immer mehr die moralische Verwahrlosung seiner Film(anti)helden bebilderte. Mit „Killers of the Flower Moon“ hält Scorsese an diesem Porträt eines Amerikas der maßlosen Gier fest – aber, und das ist entscheidend, er öffnet erstmals den Blick auf die indigenen, vergessenen Völker dieser einseitigen, auf einer Erfolgsformel basierenden Erzählung. So bleibt zu hoffen, dass „Killers of the Flower Moon“ zumindest endgültig ein weit verbreitetes Missverständnis auflösen kann – denn, freilich: Wie kann man noch mit Blick auf diese Größe in der erzählerischen Haltung ernsthaft behaupten, die Filme Scorseses würden glorifizieren, was sie zeigen?

(1) Martin Scorsese zitiert bei Georg Seeßlen, Martin Scorsese, Bertz und Fischer 2003, S. 12
(2) Seeßlen, S. 15
(3) Dana und Gerhard Poppenberg: Martin Scorsese. Einführung in seine Filme und seine Filmästhetik. München: Wilhelm Fink 2018, S. 192