Nach fast sieben Monaten und bislang 28 Verhandlungstagen biegt der Trierer Amokprozess so langsam auf die Zielgerade ein. Sieben weitere Tage hat das Schwurgericht bis Ende April terminiert. Prozessbeobachter gehen davon aus, dass es bis zu einem Urteil aber auch Mai oder Juni werden könnte.
Doch das Gros der Zeugen hat die fünfköpfige Kammer unter ihrer Vorsitzenden Richterin Petra Schmitz inzwischen gehört. Ein weiteres „hundertfaches Wiederholen bringt auch nicht viel zusätzlichen Erkenntnisgewinn“, meinte Schmitz am Ende des 28. Prozesstages.
Zahlreiche Zeugen schilderten die Amokfahrt
Auch am Dienstag sagten abermals Betroffene und Zeugen aus, die das schreckliche Geschehen in der Fußgängerzone mit womöglich sechs Toten, vielen Verletzten und Traumatisierten miterlebt haben. Die Schilderungen ähneln sich: Viele Augenzeugen haben gesehen, wie der Amokfahrer am 1. Dezember 2020 durch die Trierer Innenstadt gerast ist und dabei nach ihren Schilderungen gezielt auf Menschen zugefahren ist. Etliche konnten sich durch einen Sprung zur Seite in letzter Sekunde retten, einige wurden von dem heranrasenden Geländewagen völlig überrascht. Dazu zählte auch eine vierköpfige Familie, auf die der Amokfahrer geradewegs zusteuerte, wie mehrere Zeugen im Prozess schilderten. Ein neuneinhalb Wochen alter Säugling und der 45-jährige Vater hatten keine Chance. Sie erlagen noch auf dem Hauptmarkt ihren schweren Verletzungen.
Die verzweifelten Schreie der Mutter, die immer wieder nach ihrem Baby rief, sind vielen Zeugen auch fast anderthalb Jahre nach dem Gewaltverbrechen noch präsent. „Auch die Bilder bleiben weiter in meinem Kopf“, sagt am Dienstag eine 31-jährige Frau, die damals selbst mit ihrer kleinen Tochter auf dem Hauptmarkt unterwegs war. Sie hatte Glück, konnte sich in letzter Sekunde in ein Geschäft retten, als der Amokfahrer in nur ein, zwei Meter Entfernung an ihr vorbeiraste.
Wird sich der Angeklagte doch noch äußern?
Am Dienstag saß der unter anderem wegen mehrfachen Mordes angeklagte Tatverdächtige im großen Saal des Landgerichts nur ein paar Meter von ihr entfernt und verzog keine Miene, als er die Schilderungen über das Leid und die traumatischen Spätfolgen, mit denen viele Betroffene immer noch zu kämpfen haben, hörte. Der 52-jährige Mann aus dem Trierer Stadtteil Zewen gab sich wie an den 27 Verhandlungstagen zuvor. Er schwieg, machte sich nur ab und an Notizen in einen mitgebrachten Block.
Die spannende Frage steht weiter unbeantwortet im Raum, ob sich der zuletzt arbeits- und wohnsitzlose Mann an einem der verbleibenden Prozesstage noch äußern wird. Zitate aus den Vernehmungen vor Prozessbeginn lassen allerdings befürchten, dass nichts Erhellendes über ein mögliches Motiv oder die Hintergründe des Gewaltverbrechens zu erwarten wäre. Laut einer Bekannten, bei der der Angeklagte häufiger übernachtet hat, litt er zunehmend unter Verfolgungswahn. Selbst von seinem besten Freund habe er sich irgendwann bespitzelt gefühlt.
Könnte der Angeklagte schuldunfähig sein?
Nach vorläufiger Einschätzung eines Sachverständigen leidet der 52-Jährige an einer Psychose. Das detaillierte Gutachten steht noch aus; es ist eines der Dinge, die an den verbleibenden Verhandlungstagen noch auf dem Programm stehen.
Der Trierer Strafrechtler Till Zimmermann rechnet trotz der Einschätzung des Sachverständigen nicht damit, dass der Angeklagte am Ende des Hauptverfahrens für schuldunfähig erklärt wird. Nach Ansicht des Juristen ist es wahrscheinlich, dass der 52-Jährige zu lebenslanger Haft verurteilt werden wird.
Zudem könnte das Gericht die besondere Schwere der Schuld feststellen und womöglich Sicherungsverwahrung anordnen. Das würde die Möglichkeit einer Entlassung des bislang strafrechtlich nicht in Erscheinung getretenen Mannes auf Bewährung weiter einschränken.
Der Mordprozess wird übernächsten Dienstag fortgesetzt. An diesem Tag werden die Gutachten der Rechtsmedizin verlesen.
De Maart
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können