DeutschlandTrierer Amokfahrer grinste die Fahnder an – Polizisten beschreiben die Festnahme am Geländewagen

Deutschland / Trierer Amokfahrer grinste die Fahnder an – Polizisten beschreiben die Festnahme am Geländewagen
Polizisten stehen bei Prozessbeginn am Landgericht Trier. Der Angeklagte soll am 1. Dezember 2020 mit seinem Geländewagen durch die Trierer Fußgängerzone gerast sein, um möglichst viele Menschen zu töten oder zu verletzen. Foto: dpa/Harald Tittel

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Zweiter Tag im Mordprozess gegen einen 51-jährigen Mann aus Trier-Zewen: Mehrere Polizisten schildern die ungewöhnliche Festnahme des Tatverdächtigen kurz nach dem Gewaltverbrechen.

Die Szene kurz vor der Festnahme des mutmaßlichen Amokfahrers von Trier geht dem jungen Polizisten auch neun Monate nach dem schrecklichen Gewaltverbrechen nicht aus dem Kopf. „Als ich den Angeklagten kurz nach der Tat neben seinem nahe der Porta Nigra abgestellten Geländewagen stehen sah, habe ich sein deutliches Grinsen gesehen“, erinnert sich der 29-jährige Beamte am Freitag vor Gericht. Dieser Gesichtsausdruck des Mannes, „ein genugtuendes Grinsen“, gehe ihm nicht mehr aus dem Kopf. „Das verfolgt mich bis heute.“ Es war, so der Beamte, als habe der Angeklagte signalisieren wollen, die Sache sei erledigt.

Erste Zeugen sagen am zweiten Prozesstag aus

Am zweiten Verhandlungstag des Prozesses um die Aufarbeitung der schrecklichen Amokfahrt von Trier mit fünf Toten, Dutzenden Schwerverletzten und Traumatisierten werden die Polizisten gehört, die den 51-jährigen Tatverdächtigen seinerzeit festnahmen – nur wenige Minuten nachdem der aus dem Trierer Stadtteil Zewen stammende Mann in der Fußgängerzone ein Blutbad angerichtet haben soll.

Schwer vorstellbar, dass der Amokfahrer zu diesem Zeitpunkt seelenruhig neben seinem Geländewagen stand und eine Zigarette rauchte, als würde er auf jemanden warten. „Es war eine surreale Szene“, meint auch ein anderer Kripobeamter, der bei der Festnahme dabei war. Der Angeklagte habe dort mit einer stoischen Ruhe gestanden, „völlig unbeeindruckt“ von den aus allen Richtungen mit Sondersignal herbei brausenden Polizeifahrzeugen.

Der Mann habe schadenfroh gegrinst und den Eindruck gemacht, „als würde er auf uns warten“, erinnert sich auch eine junge Polizistin, die bei dem Einsatz am Nachmittag des 1. Dezember als Praktikantin mit zwei Kollegen in der Christophstraße eintraf. Eine andere Polizistin kann ihre Tränen nur mühsam zurückhalten, als sie von dem grinsenden Angeklagten spricht, der kurz zuvor in der Trierer Fußgängerzone eine Schneise des Todes, Leides und der Verwüstung hinter sich gelassen hat. „Das ist sehr, sehr makaber“, sagt die 24-jährige Beamtin.

Die Anwälte des Angeklagten, Martha Schwiering (l) und Frank Peter, unterhalten sich vor Prozessbeginn
Die Anwälte des Angeklagten, Martha Schwiering (l) und Frank Peter, unterhalten sich vor Prozessbeginn Foto: dpa/Harald Tittel

Für die an diesem Dezembernachmittag kurz hintereinander am Tatfahrzeug eintreffenden Beamten war trotz der befremdlichen Szenerie rasch klar, dass sie den mutmaßlichen Amokfahrer gestellt hatten. Letzte Sicherheit bot der Abgleich des Nummernschildes mit einem zuvor in der Fußgängerzone verlorenen Kennzeichen des silberfarbenen Amokfahrzeugs, das ein Zeuge der Polizei übergeben hatte.

Mehrere Beamte schildern am zweiten Verhandlungstag im weiter schwer gesicherten Trierer Landgericht, wie sie den Tatverdächtigen schließlich überwältigten und festnahmen. „Ich bin raus aus dem Auto“, sagt ein Beamter, „habe die Pistole gezogen und ihn angeschrien, er solle sich auf den Boden legen.“

Doch nichts passierte. Weitere Kollegen kamen hinzu, die Schusswaffen ebenfalls im Anschlag. Gemeinsam überwältigten sie den ebenso großen wie schweren Tatverdächtigen schließlich mit einem sogenannten Armstreckhebel, sodass der 51-Jährige auf den Asphalt fiel. „Aua, ihr tut mir weh“, soll der zuletzt arbeits- und wohnsitzlose Mann die Polizisten dabei nach deren Angaben angeraunzt haben. Was für ein Ausruf aus dem Mund eines Mannes, der zuvor fünf Menschen getötet und Dutzende teils lebensgefährlich verletzt hat.

Amokfahrer bleibt während der Festnahme ruhig

Der Tatverdächtige habe sich jedenfalls bei der Festnahme nicht gewehrt, schildert ein 39-jähriger Hauptkommissar am Freitag Details des Zugriffs. Mit mehreren Kollegen wurde der Zewener am Boden fixiert, und seine Hände wurden auf dem Rücken gefesselt. Auf die Frage, ob er Waffen dabei habe, soll der Mann gesagt haben: Ja, ein Messer. Den Personalausweis entdeckte ein Beamter, wie zuvor von dem Tatverdächtigen gesagt, auf dem Beifahrersitz.

Der Geländewagen, in dem der gelernte Elektroinstallateur zuletzt auch ab und zu übernachtet haben soll, war nach Angaben der Polizisten teilweise zugemüllt. Im Auto verstreut lagen auch einige Pakete herum. Weil nicht klar war, was die Pakete möglicherweise enthielten, wurden Sprengstoffspezialisten angefordert. Die Befürchtungen stellten sich später als unbegründet heraus.

Zu diesem Zeitpunkt war der Tatverdächtige schon auf dem Revier. Kollegen der Beamten vor Ort kamen mit dem Polizeibus vorbei und nahmen den in Handschellen gelegten Angeklagten mit. Auch während des Prozesses im großen Sitzungssaal des Trierer Landgerichts trägt der 51-Jährige Hand- und Fußfesseln. Die Handschellen werden dem hinter schusssicherem Glas sitzenden Tatverdächtigen aber auf Antrag seines Verteidigers später abgenommen. Er nutzt das Entgegenkommen, um sich während des rund drei Stunden dauernden zweiten Verhandlungstages fortlaufend Notizen zu machen. Wie schon zu Prozessbeginn macht er auch dieses Mal von seinem Schweigerecht ausgiebig Gebrauch.

Verstörende Details über das Tatfahrzeug

Dafür berichten die an diesem Tag als Zeugen geladenen Polizisten nicht nur vom zugemüllten Innenraum des Tatfahrzeugs, sondern auch von den äußeren Beschädigungen des Geländewagens, der am 1. Dezember vergangenen Jahres mit einer irren Geschwindigkeit durch die Trierer Fußgängerzone gerast ist. Ein Polizist berichtet von einer geborstenen Windschutzscheibe, an der noch Haut- und Haarreste der Opfer zu erkennen gewesen seien. Ein Kollege erzählt von einer stark beschädigten Motorhaube, ein Dritter von einem Außenspiegel, an dem noch eine Handtasche mit dem Ausweis eines getöteten Kleinkindes hängt.

Schilderungen, die auch hart gesottenen Prozessbeobachtern an diesem Freitagvormittag einiges abverlangen.

Der Mordprozess wird am 21. September fortgesetzt. Für den dritten Verhandlungstag sind weitere Zeugen geladen. Bis Ende Januar nächsten Jahres sind insgesamt 26 Verhandlungstage angesetzt.

Brandenbourger
7. September 2021 - 12.22

@Redaktion "Hier liegt offenbar ein Missverständnis vor: Die entsprechenden Aussagen haben die Polizisten vor Gericht gemacht, also nicht vor, sondern während des Prozesses." Danke. Aber trotzdem, die An- oder Entspannung der Gesichtsmuskeln besagt rein gar nichts über Schuld und Unschuld.

Frank Goebel
6. September 2021 - 12.54

Hier liegt offenbar ein Missverständnis vor: Die entsprechenden Aussagen haben die Polizisten vor Gericht gemacht, also nicht vor, sondern während des Prozesses. - Beste Grüße aus der Redaktion

Brandenbourger
6. September 2021 - 12.50

Polizisten hetzen vor dem Prozess gegen den Angeklagten indem sie unbeweisbare Interna in der Öffentlichkeit verbreiten? Unprofessioneller geht's ja gar nicht.

J.C. Kemp
4. September 2021 - 16.18

Immer die Geländewagenfahrer. Spielt der Wagentyp eine wichtige Rolle? Ich denke, man kann dieses Verbrechen mit jedem Wagen begehen, sogar mit einem Kleinwagen (cf. Wiltz!)

Tarchamps
4. September 2021 - 12.44

Mr. Mercedes.