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RusslandSyrien-Schmach: An der Levante zeigen sich die Grenzen der Moskauer Illusionen

Russland / Syrien-Schmach: An der Levante zeigen sich die Grenzen der Moskauer Illusionen
Am 7. Januar 2020 führte der syrische Diktator Baschar al-Assad (r.) seinen Gast Wladimir Putin in Damaskus herum Foto: Sana/AFP

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Der Fall des syrischen Diktators Baschar al-Assad ist auch eine Niederlage für Russlands Präsidenten Wladimir Putin. An der Levante zeigen sich die Grenzen der Moskauer Illusionen.

In Russlands sozialen Medien wird fröhlich vor sich hin gespottet: Ob denn irgendwo in Rostow ein Seniorenheim für Diktatoren entstehe, heißt es da. Rostow liegt an der Grenze zur Ukraine, dorthin hatte sich 2014 auch der gestürzte ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch geflüchtet. Moskau hatte ihm Asyl gewährt – wie es das nun auch dem gestürzten syrischen Diktator Baschar al-Assad und seiner Familie zukommen ließ, aus „humanitären Überlegungen“, wie es schlicht hieß. Es ist vor allem Russlands ressourcenfressendes Abenteuer seiner „Spezialoperation“ in der Ukraine, das Moskau nun auch seine Reputation als angeblich verlässlicher Partner im Nahen Osten kostet.

Wo sich Assad derzeit genau aufhält, ist nicht bekannt. Russlands Präsident Wladimir Putin ist auffallend still, die Pressearbeit für Assad hatte bereits am Sonntag das russische Außenministerium übernommen, als es seine Erklärung veröffentlichte, der syrische Präsident habe seinen Posten aufgegeben und Syrien verlassen, „mit der Anweisung, die Machtübergabe friedlich zu gestalten“. Die noch vor wenigen Tagen als „Terroristen“ bezeichneten syrischen Aufständischen waren da schnell zur „Opposition“ geworden, mit der Moskau nun rede. An den Verhandlungen zur Aufgabe Assads habe sich Russland allerdings nicht beteiligt. Russlands Militärbasen seien zwar in höchster Alarmbereitschaft, eine ernste Gefahr aber bestehe für sie nicht, hieß es vom Außenministerium.

Weltpolitische Ambitionen

Mittlerweile halten die Islamisten um Abu Muhammad al-Julani alias Ahmed al-Scharaa, den Anführer der Rebellengruppe Haiat Tahrir al-Scham (HTS), auch die Provinz Latakia, wo sich die beiden wichtigsten russischen Stützpunkte befinden. In Tartus am Mittelmeer ist der einzige Marinestützpunkt Russlands außerhalb der ehemaligen Sowjetunion. Vom Luftwaffenstützpunkt Hmeimim, nur 70 Kilometer nördlich von Tartus, fliegt Russland seine Einsätze nach Libyen, in den Sudan und in die Zentralafrikanische Republik. Er ist längst zum Transitzentrum für seine Afrika-Operationen geworden. Deshalb reagiert Russland relativ schmallippig, es will es sich mit den neuen Machthabern, wer immer das in Syrien sein wird, nicht verscherzen und so seine Militärbasen zu halten versuchen.

Für Moskau ist der Fall Assads eine Niederlage, vor allem, weil sich darin die Grenzen seiner Interventionspolitik im Ausland zeigen. Russland hat nicht genügend Streitkräfte, Ressourcen und Einfluss für wirksame militärische Einsätze außerhalb der ehemaligen Sowjetunion. Es kann lediglich agieren, solange andere – mächtigere Akteure – es lassen. In Syrien ging es Putin stets um weltpolitische Ambitionen. Der Kreml hatte viel Geld in den Wüstenkrieg gepumpt, um Assad zu halten, hatte damit letztlich in ein morsches und ineffektives System investiert, um am Ende zwischen zwei Stühlen zu sitzen: Kämpfen konnte es nicht mehr, weil die Ressourcen in der Ukraine gebraucht werden, gehen aber konnte es auch nicht, weil es keine Exit-Strategie für Syrien hatte. Seit 2022, als Russland die Ukraine überfiel, zeigt sich noch offensichtlicher, dass Moskau auf der Weltbühne wunderbar mit der Illusion von Macht und militärischen Fähigkeiten auftrumpfen kann. Doch glaubt es oft zu sehr an den eigenen Bluff.

Nun erst recht keine Kompromisse in der Ukraine?

In Syrien sammelte Russland Kampferfahrung für die Ukraine, in Syrien wuschen die gescheiterten russischen Chargen oft ihr Versagen während der „Spezialoperation“ frei. In Syrien hatte Russland im großen Stil auch den Einsatz seiner Wagner-Truppe getestet, die später in die Ukraine verlagert wurde und nach dem gescheiterten Prigoschin-Aufstand vom Sommer 2023 zerschlagen wurde. Die Überreste davon agieren nun in Afrika, Syrien blieb eine vergessene Front. Die russische Schlappe zeigt sich hier gleich mehrfach: außenpolitisch, aber auch darin, dass die „Stabilität“ autoritärer Regime ein Trugbild ist.

Den Imageverlust Russlands redet die propagandagetränkte russische Öffentlichkeit klein. Die Nachrichtensendung des russischen Staatssenders Perwyj Kanal meldet den Fall Assads als vorletzte Meldung und verweist vor allem auf „Chaos und Gewalt“, die sich derzeit in Syrien abspielten. Auf die Rolle Russlands im Nahen Osten, außer, dass es Assad Asyl gewähre, geht der Nachrichtenbeitrag mit keinem Wort ein. Russlands Oberpropagandist Dmitri Kisseljow bezeichnete in seinen „Nachrichten der Woche“ den Fall Assads als „Rätsel“. Syrien sei für Russland zwar nicht gleichgültig, die Ukraine aber umso wichtiger nun. Manche russische Experten rechnen damit, dass Russlands Schmach in Syrien nun erst recht zu keinen Kompromissen Russlands in der Ukraine führe.