ÖsterreichSuiziddrama im FPÖ-Intrigantenstadel

Österreich / Suiziddrama im FPÖ-Intrigantenstadel
FPÖ-Chef Herbert Kickl wird nach dem Suizidversuch eines engen Vertrauten einige Erklärungen schuldig sein Foto: Michael Gruber/AP

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Eine Intrigenaffäre in der FPÖ nahm am Sonntag eine dramatische Wende: Ein Vertrauter von FPÖ-Chef Herbert Kickl versuchte, sich das Leben zu nehmen, nachdem aufgeflogen war, dass er Urheber einer anonymen Korruptionsanzeige gegen die Wiener FPÖ war.

Es lief wieder ganz gut für die FPÖ. Der Ibiza-Skandal um das heimlich aufgenommene Video mit Ex-Parteichef Karl-Heinz Strache macht drei Jahre danach weniger den Blauen als der nun mit den Grünen koalierenden ÖVP zu schaffen. Die Pandemie brachte der FPÖ mit Impfskeptikern und Corona-Leugnern eine neue Zielgruppe, die nun mit einem neutralistischen Kurs im Ukraine-Konflikt bedient wird. In den Umfragen liefern sich die Freiheitlichen bei etwa 20 Prozent mit den abgestürzten Türkisen ein Duell um Platz zwei – zehn Prozentpunkte hinter den aufstrebenden Sozialdemokraten.

Doch nach diesem Wochenende könnte die Karten schon wieder neu gemischt werden: Der ehemalige FPÖ-Abgeordnete Hans-Jörg Jenewein liegt nach einem Selbstmordversuch im Spital. Seine Ehefrau hatte ihn am frühen Sonntagmorgen in seinem Haus in Niederösterreich leblos aufgefunden. Die FPÖ-Spitze gab zunächst keine Stellungnahme ab, sondern bat im Sinne der Familie um mediale Zurückhaltung.

Als privates Suiziddrama, über das Medien nicht berichten würden, wird sich die Angelegenheit jedoch nicht abtun lassen. Denn Jenewein war vorigen Donnerstag überraschend aus der FPÖ ausgetreten. Er hatte seit seinem Ausscheiden aus dem Nationalrat nach der Wahl im Herbst 2019 als Angestellter der FPÖ-Fraktion gearbeitet und galt als einer der engsten Vertrauten von Herbert Kickl. Sein Austritt wurde mit Ermittlungen in der Affäre um einen ehemaligen Verfassungsschutzbeamten gebracht. Dieser soll der FPÖ über seinen Kontaktmann Jenewein interne Informationen aus der Staatsschutzbehörde verkauft haben. Schon vor knapp einem Jahr war es deshalb zu einer Hausdurchsuchung bei Jenewein gekommen. Dabei dürften die Ermittler explosive Datenfunde gemacht haben.

FPÖ von Ibiza eingeholt

Auf Jeneweins Handy wurde der Mitschnitt eines Telefonats mit zwei anderen FPÖ-Funktionären gefunden, in dem es um die Vorbereitung auf die Zeugenbefragung im Ibiza-Untersuchungsausschuss ging. Thema war die vom damaligen Parteichef Strache beauftragte Konstruktion FPÖ-naher Vereine, die am Parteiengesetz vorbei Spendengelder annehmen sollten. Genau diese Umgehungsmöglichkeit hatte Strache in dem 2017 in einer Villa auf Ibiza heimlich aufgezeichneten Video einer vermeintlichen russischen Oligarchen-Nichte angepriesen. Pikant für Straches Nachfolger: Dem mitgeschnittenen Telefonat zufolge war der damalige FPÖ-Generalsekretär Kickl in die Bildung dieser dubiosen Vereine involviert. Das bestreitet er inzwischen auch nicht, wehrt sich aber gegen eine Skandalisierung dieser legalen Vereinsgründungen.

Kickl gegen geimpften Parteifreund?

Erklärungsbedarf – nicht zuletzt parteiintern – hat Kickl auch wegen eines weiteren Fundes auf dem Jenewein-Handy: Es handelt sich um den Text einer Anzeige, die im vergangenen Oktober anonym von einem „getäuschten und enttäuschten Wähler“ gegen Spitzenfunktionäre der Wiener FPÖ um Landesparteichef Dominik Nepp eingebracht worden ist. Darin geht es um angeblichen Missbrauch von Fördermitteln in Millionenhöhe durch freiheitliche Vereine. Die nun gar nicht mehr so anonyme Anzeige bringt Kickl in die Bredouille. Denn es ist schwer vorstellbar, dass Jenewein sie ohne Wissen seines Chefs eingebracht hat, auch wenn dieser nun betont, von der wahren Urheberschaft selbst erst jetzt erfahren zu haben. Bekannt ist auch, dass sich Kickl und Nepp nicht grün sind: Der Wiener FPÖ-Vorsitzende war in der Pandemie auf Distanz zum radikalen Kurs des Parteichefs gegangenen und hatte sich im Gegensatz zu diesem auch impfen lassen.

Nachdem bekannt geworden war, dass die „anonyme“ Anzeige auf Jeneweins Handy gefunden worden war, dürfte Kickl seinen Freund fallen gelassen haben. FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz sprach vorigen Freitag von „dienstrechtlichen Konsequenzen“, sprich: Jenewein dürfte seinen Job in der blauen Parlamentsfraktion verloren haben.

Einen Bericht der Kronen-Zeitung, wonach der 48-Jährige seine Verzweiflungstat in einem Abschiedsbrief selbst damit begründete, von Kickl „tief enttäuscht“ zu sein, dementierte dessen Schwester Dagmar Belakowitsch. Es gebe keinen Abschiedsbrief, so die FPÖ-Abgeordnete. Ihr Bruder liege „auch Gott sei Dank nicht im Koma“.