Donnerstag6. November 2025

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Der blinde FleckSudan befindet sich in einer schweren humanitären Krise – und die Welt schaut weg

Der blinde Fleck / Sudan befindet sich in einer schweren humanitären Krise – und die Welt schaut weg
Frauen warten außerhalb einer von den MSF unterstützten Geburtsstation im Sudan auf eine Schwangerschaftsuntersuchung Foto: Médicins sans frontières (MSF)

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Der Sudan befindet sich momentan in einer schweren humanitären Krise. Und die Welt schaut zu – oder eben weg.

Susan Bucknell, stellvertretende Missionsleiterin bei „Médecins sans frontières“ (MSF) in der Region West-Darfur, klärt im Interview mit dem Tageblatt über die prekäre Situation der Menschen im Sudan auf: „Es besteht eine riesige Lücke zwischen der Hilfe, die der Sudan braucht, und der Hilfe, der im Sudan ankommt.“ Die Region Darfur gilt besonders im Westen als am schwersten vom Krieg betroffene Region des Landes.

Kurz nach Beginn des gewaltsamen Konfliktes kam es in der Hauptstadt der Region El-Geneia zu einem großflächigen Angriff durch die paramilitärischen Rapid Support Forces (RSF) und verbündeten arabischen Milizen. Es starben zwischen 12.000 bis 15.000 Menschen, hauptsächlich Mitglieder ethnischer Minderheiten wie die der nicht-arabischen Massalit oder der Fur. Das Massaker gilt bis heute als größtes Kriegsverbrechen seit Beginn des Konfliktes. Mitte August starben bei zwei Anschlägen auf das Flüchtlingslager Abu Shouk mindestens 70 Menschen, darunter Kinder und schwangere Frauen.

Der Krieg im Sudan führt zurzeit zur weltweit größten Binnenmigrationskrise seit Jahrzehnten. Über 14 Millionen Menschen sind auf der Flucht, mehr als drei Millionen flüchten in Nachbarländer wie Ägypten oder Tschad. Hilfsorganisationen wie die MSF beobachten einen akuten Mangel an Nahrungsmittelzufuhr in Regionen, in denen der Zugang für humanitäre Hilfe weitaus eingeschränkt ist, wie die Region rund um El Fasher, erklärt Bucknell. Beide Kriegsparteien, die sudanesische Armee (SAF) und die RSF, behindern die humanitäre Hilfe durch Angriffe auf die Konvois von Hilfsorganisationen.

Hungersnot in fünf Stufen

Die Hungersnot wird in einem Fünf-Stufen-System dargestellt. Einige Regionen des Sudans befinden sich auf der Stufe fünf der akuten Hungersnot, weitere Teile des Landes auf Stufe drei: Die akute Ernährungssicherheit erklärte Leni Kinzli vom Welternährungsprogramm gegenüber dem Tageblatt bereits Ende 2024: Mehr als zwei Millionen Menschen sind aktuell Opfer der Hungersnot im Sudan, weil die grenzüberschreitende Hilfe stark eingeschränkt ist. Viele Kinder sterben durch Unterernährung.

Das Zusammenbrechen des landesweiten Gesundheitssystems und der rezente Cholera-Ausbruch der Cholera führen dazu, dass die medizinischen Helfer an ihre Grenzen stoßen. Bucknell erklärt, ein gravierender Rückgang von medizinischer Versorgung sei zu beobachten. Kinder unter fünf Jahren sind am schwersten durch die medizinische Situation gefährdet, besonders jetzt während der „Malaria-Saison“, erklärt sie. Die Region West-Darfur ist mit einem Mangel an Malaria-Medizin konfrontiert. Durch die Tötung von Ärzten und medizinischen Helfern in den besetzten Regionen seien Krankenhäuser außerdem weitgehend außer Betrieb. Besonders gefährdet sind schwangere Frauen. Die Sterberate bei Geburten war im Sudan bereits vor der Krise hoch, doch jetzt finden Frauen keinen sicheren Ort mehr zum Gebären und bekommen nicht die nötige Hilfe, falls Komplikationen bei der Geburt auftreten.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) plant in Krisenzuständen etwa 7,5 Liter Wasser pro Person pro Tag ein zum Trinken, Kochen und der Hygiene. Die Bewohner von Teilen des Sudans müssen aktuell mit nur der Hälfte davon auskommen. Laut Medienberichten sind Menschen dazu gezwungen, das Wasser zu trinken, in dem davor durch die Leichen von mit Cholera infizierten Personen lagen.

Die humanitären Mittel für den Sudan liegen weit unter dem erforderlichen Niveau

Susan Bucknell, MSF

Susan Bucknell erklärt, dass je länger der Konflikt andauere, desto mehr die Notwendigkeit nach humanitärer Hilfe steige und desto schwieriger Hilfsmaßnahmen seien. Letztere erleben eine „riesige Lücke“ in der Bereitstellung von außenstehender humanitärer Hilfe. „Die humanitären Mittel für den Sudan liegen weit unter dem erforderlichen Niveau“, so Bucknell. Von dem für 2025 aufgestellten Hilfsplan für den Sudan wurde bis zum heutigen Tag weniger als 24 Prozent von dem umgesetzt, was angekündigt war. Bucknell erklärt, die von der UNO und anderen NGOs angekündigte Hilfe sei nicht einmal annähernd umgesetzt worden.

Die durch US-Präsident Donald Trump ausgelöste Umstrukturierung der amerikanischen Hilfsorganisation Usaid und mit ihr die erhebliche Kürzung der Finanzpakete in Länder wie dem Sudan hatte ebenfalls weitreichende Folgen. In West-Darfur führte dies zur Verzögerung der Bereitstellung von Hilfsprojekten und der Kürzung der Finanzierungen durch Amerika.

Aktuell sind „Médecins sans frontières“ in elf der 18 Regionen des Sudans aktiv, sowohl in den von den SAF als auch von den RSF kontrollierten. Die Projekte betreffen generell Hilfe im Gesundheitswesen, in dem seit einigen Monaten jetzt auch die Cholera-Epidemie neue Strategien gefordert hat. Die Organisation führt in mehreren Regionen medizinische Zentren zur Bekämpfung des akuten Magen-Darm-Infekts. Auch für die hohe Zahl an Trauma-Patienten, die immer weiter steigt, setzen sich MSF ein.