Polen ging am Freitag in den vierten Kampftag um die öffentlich-rechtlichen Medien. Das Kulturministerium setzte den bisherigen, Kaczynski-freundlichen Direktor der TV-Nachrichtenagentur TAI mit sofortiger Wirkung ab. Doch dieser hat sich in seinem Büro zusammen mit mehreren Abgeordneten der neuen konservativen Opposition verbarrikadiert. Das gleiche Vorgehen wählte der bereits am Mittwochmorgen abgesetzte Direktor der amtlichen Nachrichtenagentur PAP. Vor dem PAP-Sitz in der Warschauer Innenstadt demonstrierten in der Nacht zum Freitag Anhänger der Kaczynski-Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) für „Pressefreiheit“ und die polnische Verfassung.
Die Demonstranten imitieren dabei jenes Vorgehen der liberalen Opposition und der demokratischen Bürgergesellschaft im Kampf um das Verfassungsgericht vom Herbst 2015 kurz nach der Machtübernahme von Jaroslaw Kaczynskis PiS. Acht Jahre später sehen die PiS-Anhänger die Verfassung auf ihrer Seite und die Meinungs-, Rede- und Pressefreiheit in Gefahr. Worum es dabei wirklich geht, machte Kaczynski begleitet vom ehemaligen Regierungschef Mateusz Morawiecki (PiS) am Freitag vor dem PAP-Gebäude klar: „Ich bin gegen Änderungen bei den Medien, vor allem aber bin ich gegen solche Mittel“, sagte Polens einstiger starker Mann.
Auf dem Spiel steht für Kaczynski der künftige Einfluss seiner PiS, zumal 2024 zwei wichtige Prüfungen anstehen: Lokal- und Europawahlen. Für beide Urnengänge ist PiS auf die Stammwähler in den ländlichen Regionen Polens angewiesen. Diese sind medial am besten durch den Staatssender TVP zu erreichen, denn andere TV-Sender können in vielen Teilen Polens nicht leicht empfangen werden. Bis Mittwochmittag wurden bei TVP trotz des Regierungswechsels zu Donald Tusk immer noch einzig der Standpunkt von Kaczynskis PiS gesendet. Am Mittwochmittag jedoch wurde das Sendesignal des Nachrichtenkanals TVP Info plötzlich abgeschaltet. Vorausgegangen war die juristisch umstrittene Abberufung des bisherigen TVP-Verwaltungsrats durch Kulturminister Bartlomej Sienkiewicz von Tusks Bürgerplattform (PO), der größten Partei der erst seit einer Woche amtierenden Mitte-links-Regierung.
Staatspräsident Andrzej Duda (ehemals PiS) kritisiert diesen Schritt seitdem als „klaren Verfassungsbruch“. Denn Tusks Kulturminister setzte sofort einen neuen Verwaltungsrat ein und ließ die beliebte abendliche Nachrichtensendung „Wiadomosci“ durch ein eigenes Format ersetzen. Weil der neue TVP-Verwaltungsrat aufgrund eines einfachen Parlamentsbeschlusses und nicht eines neuen Gesetzes agiert, spricht die PiS von einem Verfassungsbruch. Tusks Regierung hat kein neues Gesetz verabschieden lassen, da dieses von Staatspräsident Duda mit dem Veto belegt werden könnte. Duda sieht sich nämlich als loyaler Nachlassverwalter der acht Jahre PiS-Herrschaft, wie er bereits in der Wahlnacht vom 15. Oktober angekündigt hatte.
PiS-Justizreform wird zurückgebaut
Ungelöst blieb am Freitag die Zukunft der TVP- und PAP-Gebäude im ganzen Land. „Wir wollen keine Gewalt anwenden, wir bedienen uns stattdessen aller juristischen Instrumente, um die Veränderungen bei TVP, PAP und im Polnischen Radio friedlich über die Bühne zu bringen“, sagte Vize-Kulturministerin Joanna Scheuring-Wielgus (Neue Linke) am Freitagabend.
Am späten Mittwoch hat die neue Sejm-Mehrheit – auch mittels einfacher Resolution und nicht mit einer Gesetzesnovelle – beschlossen, die PiS-Justizreform rückgängig zu machen. Der seit 2015 erfolgte Umbau der Justiz sei verfassungswidrig, begründete die links-liberale Dreiparteien-Koalition ihr Vorgehen. „Wir haben den demokratischen Reformprozess gestartet“, sagte Justizminister Adam Bodnar (parteilos) bei einem Treffen mit Menschenrechtsaktivisten. Die Rücknahme der umstrittenen Reform sei nötig, denn Polen erwarte eine Prozessflut vor dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg sowie dem Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg.
De Maart
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