Nach dem Vormarsch der vergangenen Tage hielten die ukrainischen Erfolge auch am Montag an. Dem ukrainischen Generalstab zufolge seien binnen 24 Stunden mehr als 20 russisch-besetzte Ortschaften im Nordosten zurückerobert worden. In sozialen Medien war vielfach zu sehen, wie die Bewohner die einrückenden ukrainischen Soldaten freudig empfingen.
Tausende russische Soldaten hatten angesichts des überraschend schnellen Vormarsches der ukrainischen Truppen ihre Stellungen zuletzt aufgegeben und dabei große Mengen an Munition und Ausrüstung zurückgelassen. Witali Gantschew, ein von Russland eingesetzter Statthalter in den besetzten Gebieten Charkiws, räumte am Montag im staatlichen russischen Fernsehen Gebietsverluste ein. Die Ukrainer seien mit achtmal mehr Soldaten angerückt als Russland zusammen mit seinen prorussischen Verbündeten in dem Gebiet stationiert gehabt habe, sagte Gantschew. „Die Lage wird von Stunde zu Stunde schwieriger.“ Man habe etwa 5.000 Zivilisten nach Russland in Sicherheit gebracht. Die ukrainische Grenze zur russischen Region Belgorod sei inzwischen geschlossen.
Erfolge im Süden
Auch aus dem Süden, wo die Gegenoffensive wegen starker russischer Artillerie langsamer vorankommt, meldete die Ukraine Erfolge. In der Region Cherson habe man „rund 500 Quadratkilometer befreit“, sagte eine Sprecherin des Südkommandos der ukrainischen Armee am Montag. Mehrere Ortschaften stünden wieder „vollständig unter ukrainischer Flagge“. Am Sonntag hatte ein ukrainischer Armeechef von 3.000 Quadratkilometern Fläche gesprochen, welche die Ukraine im Zuge ihrer Gegenoffensive von den russischen Truppen zurückerobert habe, ein Großteil in der Region Charkiw im Nordosten.

Dem ukrainischen Verteidigungsminister Oleksij Resnikow zufolge ist die ukrainische Gegenoffensive die „dritte Phase“ eines Plans Kiews zur Rückeroberung besetzter Gebiet. In einem Interview mit der französischen Zeitung Le Monde sagte Resnikow, in der ersten Phase habe die Ukraine versucht, Moskau von weiteren Angriffen abzuhalten, in der zweiten sei es um eine „Stabilisierung“ der Frontlinien gegangen. Die Leitung der Armee habe ihren Plan gegen den russischen Angriffskrieg auf Grundlage der Waffenlieferungen westlicher Partner entwickelt. Mit den von den USA gelieferten Himars-Raketenwerfersystemen habe Kiew begonnen, die Versorgungslinien der Russen abzuschneiden. Die Ukraine habe „das Blatt zu ihren Gunsten gewendet“, die derzeitige Gegenoffensive werde aber „den Krieg nicht beenden“, schrieb die US-Denkfabrik Institute for the Study of War am Montag auf Twitter.
Angriffe auf Stromversorgung
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj warf Russland vor, als Vergeltung für die Erfolge bei der ukrainischen Gegenoffensive gezielt die zivile Infrastruktur des Landes zu attackieren. „Keine Militäreinrichtungen. Das Ziel ist es, den Menschen Licht & Wärme zu berauben“, schrieb er auf Twitter.
Nach der erfolgreichen Gegenoffensive war am Sonntag wegen russischer Raketenangriffe in mehreren Regionen im Norden, Süden und Osten der Ukraine der Strom und teilweise auch die Wasserversorgung ausgefallen. Getroffen wurde unter anderem das zweitgrößte Elektrizitätswerk der Ukraine bei Charkiw.

In den meisten Regionen war die Stromversorgung am Montag nach ukrainischen Angaben aber wiederhergestellt. Allein in der Region Charkiw funktionierten 80 Prozent der Strom- und Wasserversorgung wieder, erklärte der stellvertretende Leiter des Präsidialamts, Kyrylo Tymoschenko, am Montagmorgen. Der ukrainische Verteidigungsminister Resnikow sagte dem Le Monde auch noch, die Offensive sei wie ein Schneeball, der einen Hang runterkugele. „Das ist ein Zeichen, dass Russland besiegt werden kann.“ (Reuters, AFP, A.B.)
De Maart
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