Japan„Starkes Gefühl der Hoffnungslosigkeit“: Junge Bevölkerung hofft auf ein besseres Leben in Australien

Japan / „Starkes Gefühl der Hoffnungslosigkeit“: Junge Bevölkerung hofft auf ein besseres Leben in Australien
Tokyo: Japan ist bekannt für lange Arbeitstage Foto: AFP/Yuichi Yamazaki

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Japans Mindestlohn beträgt nicht einmal die Hälfte von dem, was australische Unternehmen zahlen. Im Februar rutschte das Land zudem in eine Rezession. Immer mehr junge Leute zieht es deswegen nach Australien. Ausgelöst hat diesen „Goldrausch“ unter anderem ein Youtuber in Sydney.

Als Shoma Tanaka zum Working Holiday von Japan nach Australien zog, hätte er es nicht für möglich gehalten, dass diese Reise zu einer finanziellen Goldgrube für ihn werden würde. Bei dem beliebten Programm für junge Leute können zahlreiche Nationalitäten eine gewisse Zeit in Australien verbringen und dort arbeiten und gleichzeitig das Land bereisen.

Auch Tanaka kam so ins Land und schaffte es, dank seines Berufes zu bleiben. Inzwischen arbeitet der Japaner in einer Metallfabrik in Sydney und verdient damit so viel mehr Geld als zu Hause, dass er über 200.000 Australische Dollar (über 120.000 Euro) sparen und sogar ein neues Auto für seinen Vater kaufen konnte, wie der australische Sender ABC vor Kurzem berichtete.

Weil der 33-Jährige die Misere vieler seiner jungen Landsleute kennt – niedrige Mindestlöhne und lange Arbeitszeiten – startete er nebenbei verschiedene Social-Media-Accounts, um sein Erlebnis in Australien zu teilen. Auf seinem Youtube-Kanal und auf der Plattform X spricht er offen über seine Einnahmen, Kosten und Ersparnisse. „Ich sende diese Botschaft in der Hoffnung, dass sie den Menschen zeigt, dass es Möglichkeiten gibt“, sagte er dem australischen Sender.

Sinkende Geburten: die „größte Krise Japans“

Obwohl die japanische Börse derzeit glänzend da steht und viele große Unternehmen Gewinne einstreichen, kämpfen die normalen Bürger und Arbeitnehmer um das tägliche Überleben. Im Februar machte die Nachricht Schlagzeilen, dass Japan in eine Rezession abgerutscht ist. Damit löste Deutschland das Land als drittgrößte Volkswirtschaft der Welt nach den USA und China ab. So lag Japans Bruttoinlandsprodukt 2023 mit 4,2 Billionen US-Dollar unter dem von Deutschland mit umgerechnet 4,5 Billionen Dollar.

Ganz neu sind die wirtschaftlichen Probleme des Landes nicht. Japans Wirtschaft kränkelte mehr als drei Jahrzehnte, nachdem eine Immobilienblase platzte und das „Wirtschaftswunder“ abrupt endete. Der Mindestlohn ist inzwischen weniger als halb so hoch wie in Australien. Die Hauptstadt Tokio hat mit 1.113 Yen pro Stunde (knapp sieben Euro) noch den höchsten Satz, in anderen Präfekturen wird teils deutlich weniger gezahlt.

In Australien ist der Mindestlohn dagegen landesweit gleich und beträgt 23,23 Australische Dollar oder umgerechnet fast 14 Euro. Auch die Zahl der Ehen und Kinder im Land ist aufgrund hoher Lebenshaltungskosten und mangelnder Berufsaussichten zurückgegangen. Premierminister Fumio Kishida hat die sinkende Geburtenrate in einer Rede als die „größte Krise Japans“ bezeichnet und gewarnt, dass das Land „am Rande der Frage stehe, ob wir als Gesellschaft weiterhin funktionieren können“. Denn gleichzeitig hat das Land auch eine der höchsten Lebenserwartungen der Welt: Fast jeder 1.500. Mensch ist in Japan 100 Jahre oder älter.

Gutes Arbeitsumfeld und kein Stress

Shoma Tanaka, der nun versucht, anderen jungen Japanerinnen und Japanern sein Leben in Australien schmackhaft zu machen, arbeitete nach seinem Umzug im Jahr 2019 zunächst in verschiedenen landwirtschaftlichen Berufen in Australien, bevor er seinen jetzigen Job fand, der etwa 45 Australische Dollar (rund 27 Euro) pro Stunde und am Wochenende zusätzlich zahlt. Auf seinem Youtube-Kanal berichtet der junge Japaner ganz offen über seine Finanzen, was er verdient, wie viel er ausgibt – die Lebenshaltungskosten sind in Australien höher als in Japan – und wie viel er sparen kann.

Neben den höheren Löhnen sind laut Tanaka weitere Vorteile: „Die Arbeitszeiten sind kürzer und es gibt keinen Stress.“ Australien habe ein sehr gutes Arbeitsumfeld, schrieb er auf der Plattform X. „Wenn Sie jung und berufstätig und mit der aktuellen Situation in Japan unzufrieden sind, sollten Sie einen Working Holiday in Betracht ziehen.“ Laut des Japaners verdient er in Australien ungefähr das Doppelte von dem, was er einst in Japan verdient hatte.

Working-Holiday-Boom

Tanaka ist inzwischen bei Weitem nicht mehr der Einzige, der die Vorzüge Australiens entdeckt hat, das mit günstigen Direktflügen und geringem Visaaufwand für junge Menschen unter 30 Jahren von Tokio aus einfach zugänglich ist. Tatsächlich zeigen Daten des australischen Innenministeriums dann auch, dass die Zahl der Working-Holiday-Visa für japanische Staatsangehörige im Geschäftsjahr 2022/23 (immer bis Ende Juni) mit weit über 14.000 einen Rekord erreichte.

Auch Takahiro Toyama, Führungskraft bei Smaryu, einem Unternehmen, das Japanern hilft, die im Ausland arbeiten und studieren möchten, bestätigte der ABC, dass sich immer mehr Menschen in Japan dafür entscheiden würden, ins Ausland zu gehen und zu arbeiten. „In Japan herrscht ein starkes Gefühl der Hoffnungslosigkeit“, sagte er. Das positive Umfeld in Australien bewirbt dann auch seine Website als einen der Gründe, auf den fünften Kontinent zu ziehen. Hier seien die Menschen „freundlich“ und außerdem „tolerant“ gegenüber anderen Nationalitäten.

Dass Japan durch diesen Trend talentierte Arbeitskräfte verlieren könnte, ist inzwischen auch im Land selbst angekommen. So berichtete das Nachrichtenmedium „Nikkei Asia“, dass kürzlich nun mehrere große japanische Konzerne Gehaltserhöhungen versprochen hätten.

 Foto: AFP/Yuichi Yamazaki