Mittwoch5. November 2025

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Handel im WandelStadt, Land, Fluss: So unterschiedlich floriert der Handel in Luxemburgs Gemeinden

Handel im Wandel / Stadt, Land, Fluss: So unterschiedlich floriert der Handel in Luxemburgs Gemeinden
Die route d’Arlon in Strassen teilt die Stadt auf wie ein Fluss Foto: Editpress/Alain Rischard

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Während Grevenmacher ein belebtes Stadtzentrum hat, zerreißt die viel befahrene route d’Arlon Strassen wie ein Fluss. Mersch und das ländliche Junglinster hingegen locken mit großen Einkaufszentren. Ein Überblick über die Geschäftswelt der vier Gemeinden, die seit 2025 mit dem „Observatoire national des PME“ zusammenarbeiten.

Handel im Wandel: Die Serie

In der wöchentlichen Artikelserie „Handel im Wandel“ schaut sich das Tageblatt in Zusammenarbeit mit dem „Observatoire national des PME“ (GIE) die Geschäftswelt der Luxemburger Gemeinden an. Mithilfe des Datentools „Cadastre de Commerce“ wird zunächst die Situation in der jeweiligen Kommune analysiert, dann kommen die Gemeindeverantwortlichen zu Wort: Wie steht es um den lokalen Einzelhandel? Was unternimmt die Politik, um die Geschäftswelt zu beleben? Das Tageblatt untersucht jede Woche eine oder mehrere neue Gemeinden. Nach Mondorf und Mertert-Wasserbillig sind nun Grevenmacher, Junglinster, Mersch und Strassen an der Reihe.

Die Gemeinden Strassen, Mersch und Junglinster gehören seit Jahresbeginn zu den jüngsten Projektpartnern des GIE. Wie auch die anderen Gemeinden, die in den vergangenen Wochen vorgestellt wurden, haben sie seit wenigen Monaten Zugang zum Cadastre-Tool. Mit der Gemeinde Grevenmacher ist zudem ein weiterer Anwärter in der Pipeline und lediglich die Abstimmung im Gemeinderat steht noch bevor. Was lässt sich bisher über die Nutzung des Tools sagen und wo gibt es Anwendungspotenzial? 

Gegenwärtig wird in den einzelnen Gemeinden noch eine Basis-Analyse vorbereitet. Dazu werden neben den Cadastre-Daten und den soziodemografischen Daten auch weitere Marktdaten, beispielsweise zu Einzelhandelsumsätzen oder zur Kaufkraft, herangezogen. Ziel der Analyse ist es, zunächst einmal einen nüchternen Blick auf die Gemeinden und deren regionales Umfeld zu werfen, um herauszufinden, wie sich Stadt und Handel in den vergangenen Jahren strukturell entwickelt haben und wo es möglicherweise Handlungsbedarf gibt.

 Michel Malherbe, Bürgermeister von Mersch
 Michel Malherbe, Bürgermeister von Mersch Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

Michel Malherbe (DP), Bürgermeister von Mersch

Tageblatt: Wie entwickelt sich der Handel in Mersch?
Michel Malherbe: In Mersch boomt er. Es kommen viele Leute hierhin wohnen und es gibt viele Projekte. Die Masse an Leuten ist da, ich sehe keine Insolvenzen, und die Geschäfte laufen. In Mersch hat man fast alles, was man zum Bauen, zum Wohnen, zum Leben benötigt. Man muss die Gemeinde kaum verlassen. Es fehlt uns nur noch eine Klinik, dann hätten wir alles. Leider haben wir keinen Metzger mehr, aber es ist auch schwierig, noch ausgebildete Metzger zu finden. (sog)

Auf Basis jener Erkenntnisse werden dann konkrete Aktionsmaßnahmen definiert. Die Maßnahmen können in ganz unterschiedlichen Bereichen ansetzen – etwa bei der Einbindung lokaler Geschäfte in bestehende City-Apps, der Weiterentwicklung eines professionellen Geschäftsflächenmanagements oder bei der Optimierung von Parkraumangeboten. Welche Maßnahmen tatsächlich zielführend sind, hängt maßgeblich von den jeweiligen örtlichen Rahmenbedingungen ab – und diese unterscheiden sich deutlich zwischen den vier genannten Gemeinden.

Ben Ries, Bürgermeister von Junglinster
Ben Ries, Bürgermeister von Junglinster Foto: Editpress/Alain Rischard

Ben Ries (DP), Bürgermeister von Junglinster

Tageblatt: Besteht die Geschäftswelt in Junglinster nur aus großen Einkaufsflächen?
Ben Ries: Ja, aber wir versuchen, zu diversifizieren. Wir sind eine relativ rurale Gemeinde mit zwölf Dörfern und das meiste konzentriert sich in Junglinster, weil dort die meisten Flächen frei sind. 
Tageblatt: Welchen Nutzen hat das Cadastre-Tool für Sie?
Ben Ries: Wir wollten wissen, welche Unternehmen sich auf unserem Gebiet befinden. Keine Gemeinde wird eigentlich darüber informiert, wenn ein neues Geschäft öffnet und da verpasst man gerne etwas. Deswegen nutzen wir das Cadastre-Tool. Man bekommt tolle Statistiken. Jedes Jahr muss die Gemeinde die Gewerbesteuer anpassen und dafür muss man die Zahlen kennen. Geht es dem Einzelhandel gut? Gibt es Leerstände? Wandern die Geschäfte ab? So kann man die Situation vor Ort besser einschätzen. (sog)

In Grevenmacher etwa konzentrieren sich die Geschäftsaktivitäten stark auf das Stadtzentrum: 94 der insgesamt 136 Betriebe sind dort angesiedelt. In Junglinster und Mersch hingegen wird das Handelsgeschehen überwiegend durch große Einkaufszentren geprägt – namentlich Langwiss 1 & 2 in Junglinster sowie das Topaze-Zentrum in Mersch. In Strassen wiederum erstreckt sich das Geschäftsleben nahezu vollständig entlang der route d’Arlon; ein traditionelles, vielseitiges Stadtzentrum ist hier nicht vorhanden. Betrachtet man die Anzahl der Einzelhandelsgeschäfte im direkten Vergleich, so liegt Mersch mit 84 Betrieben an der Spitze, gefolgt von Strassen und Grevenmacher mit jeweils 54 sowie Junglinster mit 46 Geschäften.

Maryse Bestgen, Schöffin von Strassen
Maryse Bestgen, Schöffin von Strassen Foto: Maryse Bestgen

Maryse Bestgen („déi gréng“), Schöffin von Strassen

Tageblatt: Ist es eine Herausforderung, wenn sich die Geschäftswelt in einer Hauptstraße abspielt?
Maryse Bestgen: Ja, sowieso macht die „Areler Strooss“ die Stadt nicht schöner. Es sind vor allem große Geschäfte und die meisten fahren mit dem Auto dahin. Wir hätten jedoch gerne ein Zentrum mit Geschäften und sind dabei, daran zu arbeiten. Wir hätten auch gerne eine Kreislaufwirtschaft mit einem Repair-Café oder mit Ateliers.
Tageblatt: Bis wann soll das Zentrum entstehen?
Maryse Bestgen: Ich würde schon sagen, dass es innerhalb von fünf Jahren fertig sein sollte. Es wird wirklich ein neues Zentrum. Es wird noch eine neue Schule gebaut, am Fußballfeld, und die wird mit dem Zentrum verbunden. Im Prinzip sollen dort auch keine Autos fahren, damit es freundlicher für die Menschen und sicherer für die Kinder wird, die dort zur Schule gehen. (sog)

Für die Stadtzentren von Mersch und Grevenmacher könnte das Cadastre-Tool künftig als Instrument für ein professionalisiertes Geschäftsflächenmanagement eingesetzt werden. Zwar liegen die aktuellen Leerstandsquoten mit 9,1 Prozent in Mersch, bzw. 13 Prozent in Grevenmacher unter dem landesweiten Durchschnitt, jedoch sollte die Situation des Handels aufgrund der allgemeinen Dynamik im Einzelhandel weiterhin im Blick behalten werden. In ersten Gesprächen mit den Vertreterinnen und Vertretern der Gemeinden wurde zudem signalisiert, dass das Tool auch über die Einzelhandelsentwicklung hinaus für weitere Zwecke genutzt werden könnte. So ließen sich beispielsweise konkrete Bedarfe – etwa nach zusätzlichen Kindertagesstätten – sowie geeignete Standorte dafür mithilfe des Tools fundierter identifizieren und bewerten.

Monique Hermes, Bürgermeisterin von Grevenmacher
Monique Hermes, Bürgermeisterin von Grevenmacher Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

Monique Hermes (CSV), Bürgermeisterin von Grevenmacher

Tageblatt: Welche Nutzen erhoffen Sie sich vom Cadastre-Tool?
Monique Hermes: Wir erhoffen uns mehr Sichtbarkeit für unsere Geschäfte. Wir werden auch einen Citymanager haben, der sich darum kümmern wird. Die Menschen sollen außerdem online besser sehen können, was Grevenmacher zu bieten hat. Es ist wichtig, dass eine Gemeinde mit der Geschäftswelt zusammenarbeitet. Derzeit sind die Mieten besonders für neue Unternehmer zu hoch. Wir arbeiten deswegen an finanziellen Starthilfen für neue Geschäfte, die es noch nicht in Grevenmacher gibt. (sog)