Dienstag28. Oktober 2025

Demaart De Maart

Rede zur AußenpolitikStabiler Partner in einer instabilen Welt: Außenminister Bettel über Luxemburgs internationale Rolle

Rede zur Außenpolitik / Stabiler Partner in einer instabilen Welt: Außenminister Bettel über Luxemburgs internationale Rolle
Schreibt auch gerne Nachrichten an seine internationalen Amtskollegen: der selbsternannte „WhatsApp“-Diplomat Xavier Bettel (DP) Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

Während die Weltordnung chaotischer wird, bleiben die luxemburgischen Verhältnisse stabil. Welche Aufgabe folgt daraus für das Großherzogtum auf internationaler Bühne? Solidarisch zusammenstehen mit Europa und den Verbündeten, sagt Außenminister Bettel, aber ohne dem Narrativ zu verfallen: „The West against the Rest“.

Eine „Tour um den Globus“ verspricht Außenminister Xavier Bettel (DP) den Abgeordneten der Chamber an diesem Dienstagnachmittag. Knapp anderthalb Stunden braucht der „Reisende“ im Auftrag Luxemburgs dafür, wie er sich selbst in dieser Zeit einmal nennt, – von den Kriegs- und Krisenherden Ukraine, Naher Osten und Sudan, über Afrika, Asien und die Amerikas, um schließlich wieder bei den Grenzkontrollen vor der eigenen Haustür zu landen. Es sei viel passiert im Jahr seit seiner letzten Deklaration vor dem Parlament, sagt Bettel gleich zu Beginn. Was jedoch konstant geblieben ist: die politische Instabilität nah und fern. Vom Erstarken rechtsextremer Parteien in den Nachbarländern bis zum Waffenstillstand zwischen Israel und der Hamas, der, so Bettel, „am seidenen Faden“ hänge.

„Nicht die vorhersehbarste Zukunft“, resümiert der Außenminister. Dabei geht es seinem Land im Vergleich zu den Nachbarn ziemlich gut. Die Weltordnung wird chaotischer, aber die luxemburgischen Verhältnisse bleiben stabil. Im Zentrum von Bettels Rede steht deshalb die Frage: Was ist die Rolle eines stabilen Landes in einer instabilen Welt? Die Antwort des Vizepremiers lässt sich kurz und knapp zusammenfassen: Partner finden und mit ihnen solidarisch sein. Frieden sei keine Selbstverständlichkeit mehr seit dem Ukrainekrieg, sagt Bettel. „Wir haben uns als europäischer Kontinent seit dem Zweiten Weltkrieg ausgeruht auf den Sicherheitsgarantien der USA.“ Unter Präsident Trump erlebe man nun einen besorgniserregenden Rückzug der USA aus dem Multilateralismus und vielen internationalen Organisationen. „Europe first“ könnte man darauf nun populistisch antworten, so der Vizepremier, das dürfe aber niemals „Europe alone“ bedeuten. Gerade Luxemburg als kleines Land brauche ein Netzwerk. „Wenn das Recht des Stärkeren wieder zur Norm wird, dann zählen wir nicht zu den Gewinnern.“

Im Gespräch mit Indien und China bleiben

Was europäische Zusammenarbeit erreichen könne, so Bettel, sehe man am Beispiel von Airbus, der sich als größter europäischer Luft- und Raumfahrtkonzern zum größten Konkurrenten von Boeing entwickelt habe. Der Außenminister spricht in seinen anderthalb Stunden von vielen Bündnissen und Gemeinschaften. Von der weltweiten Partnerschaft in der Koalition der Willigen, von der wachsenden Nähe zu Kanada, von EU und NATO, von der UNO. Nicht immer zeigt er sich zufrieden mit deren Funktionieren. Er kritisiert den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, bei dem die Stimme eines einzigen Landes ausreichen kann, um zu blockieren, „was der Rest der Welt will“ (Bettels Vorschlag: eine Zwei-Drittel-Mehrheit in der Generalversammlung sollte das Veto brechen können). Auch Europa gebe im Moment nicht das „sexyste Bild“, man müsste effektiver arbeiten, doch dafür brauche es grundlegende Änderungen, die wiederum in den einzelnen Mitgliedstaaten teilweise sogar über ein Referendum umgesetzt werden müssten. Vereinfachung ist kompliziert.

Wir dürfen uns nicht in das Narrativ hineindrängen lassen: The West against the Rest

Xavier Bettel, Außenminister und Vizepremier

Nichtsdestotrotz preist Bettel im Osten, zum Beispiel in Aserbaidschan und Armenien, die Hinwendung zu und Partnerschaft mit Europa als besseren Deal im Vergleich zu russischer Einflussnahme an. Die wächst in der Region, man sehe das an den hybriden Attacken im Vorfeld der Wahl in Moldawien. Georgien sei „eine große Enttäuschung“, so Bettel, das Land rücke immer weiter von der EU weg – mit dem Gesetz zu ausländischen Agenten nach russischem Vorbild und der Verhaftung Oppositioneller. Luxemburg stehe jedoch weiter hinter der Zivilgesellschaft, die sich für Demokratie einsetze, so der Außenminister.  

Immer wieder betont Bettel in seiner Rede, wie wichtig es sei, nicht den Kontakt zu verlieren, im Gespräch zu bleiben. Als europäischer Akteur müsse Luxemburg den Dialog mit Indien suchen, man dürfe das Land „nicht direkt als Freund Russlands sehen“, so der Außenminister. Für 2026 oder 2027 sei eine Staatsvisite in Indien geplant. Auch mit China müsse man im Gespräch bleiben, sagt Bettel. Das Land könnte noch großen Einfluss auf Russland haben, im Kontext des Ukrainekriegs. Auch bei der Lösung der Klimakrise müsse man mit China als größtem Produzenten von erneuerbaren Energien zusammenarbeiten. „Wir dürfen uns nicht in das Narrativ hineindrängen lassen: The West against the Rest“, so der Vizepremier.

Premierminister Luc Frieden (CSV) lauscht seinem Vize bei dessen jährlicher Rede zur Außenpolitik Luxemburgs
Premierminister Luc Frieden (CSV) lauscht seinem Vize bei dessen jährlicher Rede zur Außenpolitik Luxemburgs Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

Importverbote für Siedler-Produkte

Selbstverständlich nimmt auch der Nahostkonflikt eine wichtige Position in Bettels Rede ein. Der Außenminister lässt zunächst die Ereignisse der vergangenen Jahre Revue passieren, bevor er feststellt, wie sehr sich das Lagerdenken verschärft habe. Er unterstreicht diese Beobachtung mit einer persönlichen Anekdote: Bei einem Essen in Luxemburg sei er beschimpft worden, die Polizei musste eingreifen, so etwas sei ihm in 26 Jahren in der Politik noch nicht passiert. Die Anerkennung eines Palästinenserstaates hebt Bettel als wichtigen Meilenstein hervor, betont jedoch, dass es nun auf den „day after“ ankomme. „Wie bekommen die Palästinenser Autonomie?“ Der Außenminister rät von allzu raschen, direkten Wahlen ab. Wenn die Hamas bei diesen wieder an die Macht käme, „dann haben wir alles verloren“. Des Weiteren dürfe man sich nicht vom Waffenstillstand blenden lassen, sondern müsse die Situation vor Ort weiter im Auge behalten. Die israelische Siedlungspolitik im Westjordanland bezeichnet Bettel als „reine Provokation“. Der Chamber-Kommission für Auswärtiges will Bettel in naher Zukunft Vorschläge für luxemburgische Maßnahmen unterbreiten, darunter ein Importverbot von Produkten aus israelischen Kolonien.

Bettel beklagt in seiner anderthalbstündigen Rede auch, dass der anhaltende Bürgerkrieg im Sudan zu einem „vergessenen Krieg“ zu werden drohe. „Die Situation ist katastrophal“, so der Minister, 13 Millionen Menschen seien auf der Flucht, 25 Millionen in einer humanitären Notlage. Luxemburgs Kooperationspolitik habe es aktuell auch vor allem in der Sahel-Zone schwer, in Burkina Faso, Mali und Niger. „Wir sind dort nicht mehr willkommen“, sagt Bettel – trotz jahrelanger gemeinsamer Projekte. Die Sicherheitslage sei nicht gut, die Militärregierungen reagierten empfindlich auf Kritik. Zum Schutz der Mitarbeiter vor Ort sei er vorsichtig mit seinen Aussagen, so Bettel in seiner Rolle als Kooperationsminister. „Wir versuchen in diesen drei Ländern unter immer schwierigeren Umständen unsere Projekte abzuschließen.“

Einen weiteren Hut, den der Vizepremier, Außen- und Kooperationsminister aufhat, ist der des Außenhandels. In der Handelspolitik seien die US-Zölle das große Thema des vergangenen Jahres gewesen. „Handel ist ein Druckmittel geworden“, sagt Bettel. In solch einem Umfeld sei es wichtig, neue Partnerschaften zu suchen. Bettel spricht von der langjährigen engen Beziehung zu Singapur, wo ab der kommenden Woche graduell eine neue Botschaft eröffnet werde. Überhaupt verspricht Luxemburgs Chefdiplomat einen Paradigmenwechsel in der Diplomatie: Botschaften sollen in Zukunft nicht mehr ausschließlich mit Personal des Außenministeriums bestückt werden – dort, wo es sinnvoll erscheint, zum Beispiel an Orten mit wichtigen Finanzplätzen, sollen neben Diplomaten auch Experten aus dem Finanzministerium in der luxemburgischen Vertretung arbeiten, um die Handelsbeziehungen zu stärken.

Bettel beendet seine Weltreise in Schengen und bei den deutschen Grenzkontrollen, die „Ausnahmen sein sollen, keine Regel“. Dann wird er sehr deutlich mit seiner Kritik in Richtung deutscher CDU und SPD: Wer Grenzkontrollen als wirksames Mittel gegen Kriminalität verkaufe, der stärke am Ende nur die extreme Rechte.

Altwies Yves
28. Oktober 2025 - 21.28

"Bettel beendet seine Weltreise in Schengen und bei den deutschen Grenzkontrollen..."
Sehr lustig.

Harry
28. Oktober 2025 - 19.46

Bettels Show-Auftritt, ansonsten dreimal nix.
Luxusburgs Probleme interressiert diesen blauen überheblichen
Politbonzen gar nicht.