Nach einem Notfall im russisch besetzten Atomkraftwerk Saporischschja fordert die Ukraine dringend Aufklärung durch die Internationale Atomenergiebehörde IAEA. Nach russischer Darstellung könnte eine IAEA-Mission nächste Woche beginnen. Ob diese Ankündigung belastbar ist, blieb unklar. An dem AKW, das Russland seit März besetzt hält, gibt es immer wieder Beschuss, für den sich beide Kriegsparteien gegenseitig verantwortlich machen. Der Notfall am Donnerstag hatte in umliegenden Regionen zu Stromausfällen geführt.
Nach Kiewer Darstellung wurde das AKW nach russischem Beschuss zeitweise komplett vom regulären ukrainischen Stromnetz abgeklemmt und nur noch über eine Notleitung mit Elektrizität versorgt. Zwei Reaktorblöcke seien notabgeschaltet worden. Die russische Besatzungsverwaltung bestätigte die zeitweilige Abschaltung beider Reaktoren, machte aber die ukrainische Armee für die Angriffe verantwortlich. Am Freitag waren die notabgeschalteten Blöcke nach Darstellung beider Seiten wieder am Netz.
IAEA-Mission in den nächsten Tagen?
Vertreter der Atomenergiebehörde IAEA und der Vereinten Nationen sollten bei einem Besuch in Saporischschja nukleare Sicherheitsstandards untersuchen, schrieb der ukrainische Energieminister Herman Haluschtschenko auf Facebook. Er forderte den kompletten Rückzug der russischen Truppen vom AKW-Gelände. Ähnlich hatte sich zuvor der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenkskyj geäußert.
IAEA-Direktor Rafael Grossi bekräftigte seine Bereitschaft, in den kommenden Tagen mit Experten nach Saporischschja zu fahren. Bislang ist eine solche Mission im Streit über Reisemodalitäten nicht zustande gekommen. Nun erklärte der russische Vertreter bei der IAEA, Michail Uljanow: „Es laufen aktive Vorbereitungen für einen Besuch.“ Ein russischer Diplomat bei den Vereinten Nationen nannte als möglichen Termin Ende August oder Anfang September.
In den Kriegsgebieten im Osten und Süden der Ukraine scheint sich militärisch wenig zu bewegen. Der ukrainische Militärgouverneur Pawlo Kyrylenko sagte beim TV-Sender Nastojaschtscheje Wremja, die Ukraine habe 45 Prozent des umkämpften Donezker Gebiets unter Kontrolle. Dort hielten sich noch 350.000 Menschen auf. Vor dem russischen Einmarsch kontrollierte die Ukraine demnach etwa zwei Drittel des Gebiets mit rund 1,67 Millionen Einwohnern. Russland hat das ostukrainische Gebiet Luhansk komplett erobert. Dazu stehen weite Teile der Gebiete Charkiw, Donezk, Saporischschja und Cherson in der Ost- und Südukraine unter russischer Kontrolle.
Die tschechische EU-Ratspräsidentschaft will so schnell wie möglich eine Sondersitzung des EU-Energierats vorschlagen, um über steigende Energiepreise zu sprechen. Das kündigte Industrieminister Jozef Sikela am Freitag auf Twitter an. „Wir befinden uns in einem Energiekrieg mit Russland, und das schadet der gesamten EU“, so Sikela. Die Tschechische Republik hat am 1. Juli die rotierende Ratspräsidentschaft der EU übernommen. (AFP, dpa)
Nach Pressebericht: Totalenergies zieht sich zurück
Der französische Energiekonzern Totalenergies gibt seine Beteiligung an einem Förderunternehmen in Russland nach dem Vorwurf auf, dass von dort Kampfflugzeuge im Krieg gegen die Ukraine mit Kerosin versorgt worden sind. Totalenergies verkaufe seine 49-prozentige Beteiligung am Gemeinschaftsunternehmen Terneftgaz an seinen russischen Partner Novatek, teilte das Unternehmen am Freitag in Paris mit. Die Zeitung Le Monde hatte am Mittwoch gestützt auf Daten der Nichtregierungsorganisation Global berichtet, dass von dem Gemeinschaftsunternehmen geförderter Kraftstoff nach der Verarbeitung zu Kerosin über eine andere Firma zu zwei russischen Luftwaffenstützpunkten geliefert worden sei. Dort stationierte Geschwader sollen Angriffe auf die Ukraine geflogen haben.
De Maart
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