RumänienSpannung vor Bukarester Stühlerücken: Zweckkoalitionäre dementieren Zweifel an geplanter Premier-Rotation

Rumänien / Spannung vor Bukarester Stühlerücken: Zweckkoalitionäre dementieren Zweifel an geplanter Premier-Rotation
Der frühere rumänische Sozialistenchef Liviu Dragnea (hier beim Verlassen des Gerichtsgebäudes im April 2019) ist auf seine einstige Partei nicht mehr gut zu sprechen: Sie sei eine von „Feiglingen“ geführte „Operettenpartei“. Foto: AFP/Daniel Mihailescu

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Jahrelang bekriegten sich Rumäniens Großparteien, die konservative PNL und die sozialistische PSD, bis aufs Messer. Seit Ende 2021 teilen sie sich erstaunlich harmonisch die Pfründe: Energisch dementieren die Zweckkoalitionäre Berichte, wonach sie von der vorgesehenen Premier-Rotation abrücken wollten.

Statt der verlorenen Zügel hat Rumäniens prominentester Ex-Häftling inzwischen den Kochlöffel fest im Griff. Seit Monatsbeginn moderiert der frühere Sozialistenchef Liviu Dragnea auf YouTube eine eigene Kochsendung (Bucataria de Acasa cu Liviu Dragnea – Ep. 2 – YouTube.) Auf seine einstige Partei ist der 2019 wegen Amtsmissbrauch zu 3,5 Jahren Haft verurteilte und nach dem Absitzen von zwei Dritteln der Strafe 2021 vorzeitig auf freien Fuß gesetzte Ex-Strippenzieher allerdings nicht mehr gut zu sprechen.

Die PSD sei zu einer von „Feiglingen“ geführten „Operettenpartei“, das Land zu einer „Diktatur“ verkommen, wetterte der mittlerweile 60-Jährige bereits bei seiner Haftentlassung. Tatsächlich hat sich Rumäniens Politparkett seit Dragneas Zwangsabschied gehörig gewandelt.    

In der Ägide von Dragnea als PSD-Chef bekriegten sich seine Partei und die damals oppositionelle konservative PNL bis aufs Messer: Vehement stemmten sich die PNL und der ihr nahestehende Staatschef Klaus Johannis gegen Dragneas Versuch, die Justiz unter die Kontrolle und Knute der PSD zu bringen.

Nach der von der PNL im Streit beendeten Kurzkoalition mit der unbequemen Anti-Korruptionspartei USR teilen sich die beiden „Systemparteien“ PNL und PSD seit Ende 2021 erstaunlich harmonisch die Regierungspfründe – assistiert von der ungarischen Minderheitspartei UDMR. Energisch dementieren die Zweckkoalitionäre Berichte, wonach sie von der vereinbarten Rotation auf dem Premierposten abrücken wollten: Planmäßig soll der derzeitige PSD-Chef Marcel Ciolacu Ende Mai das Amt des Regierungschefs vom derzeitigen Premier Nicolae Ciuca (PNL) übernehmen.

Erste Zweifel an der Verwirklichung der Koalitionsvereinbarung hatte indes der PSD-Generalsekretär Paul Stanescu Ende Januar mit dem Szenario eines vorzeitigen Urnengangs gesät: Falls PSD-Chef Ciolacu bis Ende Mai nicht zum Premier gekürt sei, „werden wir sicher vorgezogene Neuwahlen haben“, so seine Botschaft. Während manche Analysten danach spekulierten, dass die PNL den Premier-Posten nicht abtreten wolle, vermuteten andere, dass die PSD sich von dessen Übernahme drücken wolle, um als verkappte Oppositionspartei Ende 2024 in die Parlamentswahl ziehen zu können.  

Von einer „90-prozentigen Chance“ auf Neuwahlen im September spricht mittlerweile gar George Simion, der Chef der rechtsextremen Oppositionspartei AUR. Doch obwohl sich auch Kelemen Hunor, der Chef des mitregierenden UDMR, für vorgezogene Wahlen noch in diesem Jahr ausspricht, hält die Führung von PSD und PNL an der vereinbarten Premier-Rotation fest.

„Rumänien benötigt vor allem Stabilität“

Ein Streitpunkt scheint eher die Neubesetzung einiger Ministerposten zu sein. Einerseits drängen sich manche Skandalnudeln wie der des Plagiats seiner Doktorarbeit überführte Innenminister Lucian Bode (PNL) zur Ablösung auf. Andererseits würde die PNL das abzutretende Amt des Regierungschefs gerne mit dem bisher von der PSD gehaltenen Verteidigungsressort kompensieren.  

Er sei „fest überzeugt“, dass die Regierungsrochade bis zum 1. Juni „schnell, problemlos und ohne Skandale“ über die Bühne gehen werde, beteuert der PSD- und designierte Regierungschef Ciolacu: „Rumänien benötigt in diesem Moment vor allem Stabilität.“ Die Rotation sei „möglich und wird geschehen“, versichert Staatschef Johannis. Deren Infragestellung schreibt der PNL-Politiker Sergiu Bilcea wiederum dem „Zögern der PSD“ zu, die Führung der Regierung zu übernehmen: Die PSD müsse ihr „wahltaktisches Kalkül beiseitelegen“ und Verantwortung für das Regierungsprogramm übernehmen – auch für die mögliche Unzufriedenheit, die es verursachen könne.