Zwei Wochen lang feierten die Menschen ausgelassen in Spanien: erst die Weihnachtstage. Dann den Jahreswechsel. Und schließlich das Dreikönigsfest, das am 5. Januar vielerorts mit karnevalsähnlichen Straßenumzügen eingeleitet wurde und am 6. Januar mit dem Überreichen von Geschenken im großen Familienkreis endet. Mit dem Fiesta-Marathon explodieren nun auch im Impfmusterland Spanien die Corona-Infektionen, die mit jedem Tag neue Rekordhöhen erreichen.
Vor zwei Monaten wies Spanien noch eine der niedrigsten Ansteckungsraten Europas auf, mit einer 7-Tage-Inzidenz von unter 20 Fällen pro 100.000 Einwohnern. Ganz Europa schaute neidisch auf das südeuropäische Land, das mit einer bewundernswerten Impfquote von 80 Prozent der Bevölkerung glänzte.
Doch nun zeigt sich, dass auch dieser erste Impferfolg für sich alleine nicht die Omikron-Welle aufhalten kann. Und es rächt sich vermutlich, dass sich Spanien auf seinem Ruhmesblatt zu lange ausruhte: Mit der Booster-Kampagne hinkt Spanien deswegen hinterher, bisher erhielten erst 30 Prozent der impffähigen Bevölkerung den dritten Piks in den Arm. Corona-Restriktionen wie etwa 3G-Regeln wurden bisher nur sehr zögerlich oder gar nicht verhängt.
Nach den Berechnungen der amerikanischen Johns Hopkins Universität beträgt die nationale 7-Tage-Inzidenz in Spanien inzwischen annähernd 1.600 – mit weiter steil ansteigender Tendenz. Diese offiziell gemeldete Fallzahl dürfte nur ein Teil der Wahrheit sein. Denn Spaniens Gesundheitsbehörden kommen schon seit Tagen nicht mehr mit dem Zählen von Neuansteckungen hinterher. Weil die staatlichen Gesundheitszentren völlig überlastet sind, werden viele Verdachtsfälle ohne Symptome oder mit leichten Krankheitszeichen weder getestet noch mitgezählt.
Am schlimmsten sieht es momentan in der nördlichen und kühleren Hälfte Spaniens aus. Dort strebt die offizielle wöchentliche Fallhäufigkeit rund um die feierfreudige Stadt Pamplona bereits auf den Rekordwert von 4.000 zu. Auch im benachbarten Baskenland, wo sich das abendliche Leben vielfach in Tavernen und Tapasbars abspielt, liegt die 7-Tage-Inzidenz schon bei über 3.000. Omikron ist inzwischen in ganz Spanien der vorherrschende Virustyp – in der Millionenstadt Madrid verursacht dieser bereits 90 Prozent aller Infektionen.
Personalausfälle werden zusehends zum Problem
Die Omikron-Welle verschont auch nicht Mallorca, die meistbesuchte europäische Ferieninsel, wo die Wocheninzidenz bereits die Marke von 1.000 übersprang. Ähnlich sieht es auf den Kanaren aus, mit den Inseln Teneriffa und Gran Canaria, die zu den populärsten Winterreisezielen der sonnenhungrigen Nordeuropäer gehören. Die Tatsache, dass die Corona-Lage in den spanischen Feriengebieten mittlerweile deutlich schlechter ist als in vielen Urlauberherkunftsländern, sorgte über die Festtage für eine Flut von Stornierungen.
Spaniens Gesundheitsministerin Carolina Darias versucht, die Spanier wie die ausländischen Touristen zu beruhigen: „Es stimmt, dass wir die höchsten Inzidenzen seit Pandemiebeginn verzeichnen. Aber wir beobachten zugleich weniger schwere Erkrankungen. Und das hat viel mit der hohen Impfquote in unserem Land zu tun.“ Immerhin seien inzwischen 90 Prozent der Menschen über zwölf Jahren doppelt geimpft. Die Krankenhäuser seien bisher nicht überlastet, versichert die Ministerin.
Doch von Entspannung im spanischen Gesundheitswesen kann keine Rede sein. Lange Schlangen vor den staatlichen Ambulatorien, die für die Erstversorgung der Corona-Infizierten zuständig sind, signalisieren, dass der Druck steigt. Vor allem durch die bisher nicht gekannte Masse an Neuinfektionen. Das bekommen, mit einigen Tagen Verzögerung, zunehmend die Hospitäler zu spüren, in denen in manchen Hotspotregionen wie Katalonien bereits nahezu die Hälfte der Intensivbetten mit Covid-Patienten belegt sind. Erschwerend kommt hinzu, dass wegen Omikron immer mehr medizinisches Personal ausfällt.
In ganz Spanien liegen derzeit mehr als 13.000 Covid-Patienten im Hospital. Davon befinden sich etwa 2.000 auf der Intensivstation. Aber das ist immerhin dreimal weniger als während der winterlichen Corona-Welle vor einem Jahr. Nach spanischen Medizinerangaben müssen jetzt nur etwa ein bis zwei Prozent der Infizierten mit Komplikationen im Krankenhaus behandelt werden. Es gibt also deutlich weniger schwere Fälle und damit auch weniger Todesopfer: Doch trotzdem werden in Spanien derzeit immer noch täglich 60 bis 70 Covid-Tote gemeldet.
Zu einem wachsenden Problem werden, wie in anderen Ländern, die vielen Personalausfälle. Die Zahl der Krankschreibungen verdreifachte sich in den letzten Wochen. Deswegen beschloss Spaniens Regierung, die Quarantänezeit von Infizierten ohne Symptome oder mit einem leichten Krankheitsbild generell von zehn auf sieben Tage zu verkürzen. Die Rückkehr an den Arbeitsplatz kann dann ohne abschließenden negativen Test erfolgen.
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