EditorialSpäte Vernunft: Warum Claude Meisch richtig entschieden hat

Editorial / Späte Vernunft: Warum Claude Meisch richtig entschieden hat
Wie ernst die Lage ist, zeigt sich an Claude Meischs aktueller Entscheidung: so oft die Regierung nicht evidenzbasiert handelte, so erstaunlich transparent war die Argumentation des Bildungsministers. Foto : Editpress/Didier Sylvestre

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Spätestens am 15. Januar war die Märchenstunde zu Ende. Ein staubtrockener, unspektakulärer – aber sehr aussagekräftiger Bericht ordnete die Glaubensdebatte über das Infektionsgeschehen in Luxemburgs Schulen ein. Zwischen Oktober und November 2020 hatte die Regierung die Kontrolle verloren: Die Containment-Politik war vorerst gescheitert.

Ungeachtet dieser Entwicklung wiederholte Bildungsminister Claude Meisch gebetsmühlenartig, das Infektionsgeschehen in Luxemburgs Schullandschaft spiegele die allgemeine Entwicklung der Gesellschaft wider. Die Datenlage war dünn. Ein erster umstrittener Bericht wurde veröffentlicht. Meisch erhielt Rückendeckung. Das Problem: die Infektionsentwicklung bei Lehrern und dem restlichen Schulpersonal wurde ausgeblendet. Vor knapp drei Wochen folgte der zweite Teil. Nun wurde das Gesamtbild analysiert. Neben Beamten hatten schließlich auch Forscher das Dokument mit ausgearbeitet. Der Unterschied zeigte sich an der wissenschaftlichen Argumentation – und an einer unscheinbaren, aber zentralen Kritik am ersten Bericht. Sie hilft, die aktuelle Situation zu verstehen: „Le rapport du 12 novembre avait constaté que l’évolution du nombre de cas positifs parmi la population scolaire était parallèle à l’évolution générale dans la société; cette constatation reste vraie à la lumière des chiffres couvrant la totalité du premier trimestre de l’année scolaire avec toutefois des incidences légèrement plus élevées parmi les enseignants et les élèves que parmi la population totale.“

Damit war das Argument gestorben, die Infektionsentwicklung in den Schulen spiegele genau die gesamtgesellschaftliche Tendenz wider. Während für die Schüler von November bis Dezember eine leicht höhere Infektionsentwicklung festgestellt wurde, hieß es mit Blick auf die Lehrer unzweideutig: „Pour les enseignants nous remarquons tout d’abord, au cours de la période d’augmentation exponentielle du nombre des infections (19 octobre au 8 novembre 2020), une incidence nettement plus élevée que pour la population générale.“ Dass Claude Meisch jetzt die Reißleine gezogen hat, ist vor diesem Hintergrund die richtige Entscheidung.

Angesichts der aktuellen Cluster-Entwicklungen an verschiedenen Schulen, der Gefahren neuer Virusvarianten und eines erneuten Kontrollverlusts wäre ein Hinauszögern der wichtigen Maßnahmen unverantwortlich gewesen. Inzwischen infizieren sich 25 bis 30 Prozent der positiv getesteten Kinder und Jugendlichen in der Schule, die Szenario-4-Fälle nehmen zu. Auch wenn die zeitlich begrenzte Schließung der Grundschulen, „Maisons relais“ und Kompetenzzentren Jugendliche und Erwachsene stark belastet, muss man zumindest intellektuell so redlich sein und Folgendes anerkennen: Späte Lerneffekte einer Regierung sind besser als keine. Denn was wäre die Alternative gewesen? Wieder einmal passiv beobachten, wie sich die Lage zuspitzt? Trotz des Wissens um die rezente Verzweiflung und die gegenwärtige Müdigkeit des Krankenhauspersonals? Trotz des um sich greifenden Impfstoffnationalismus und einer brandgefährlichen internationalen Debatte, bei der die Geschwindigkeit und der Preis der Impfstoffproduktion scheinbar wichtiger sind als die Qualitätsprüfung und eine solidarische Lösung?

Solange die transnationale Impfstofflogistik auf derart wackeligen Beinen steht und gemäß Robert-Koch-Institut weiterhin das Risiko bleibt, dass die Wirksamkeit der aktuell verwendeten Impfstoffe gegen die neuen Varianten reduziert sein könnte, sollten wir vernünftig bleiben. Jeder hat diese Pandemie satt. Unsere Verzweiflung sollte jedoch nicht den Blick auf das Wesentliche verschleiern. Wieder einmal werden benachteiligte Kinder am härtesten getroffen, um dem Gemeinwohl zu dienen. Stimmt. Die Schulschließung ist aber nicht die Ursache dieser Ungerechtigkeit. Sie legt vielmehr gesellschaftliche Ungleichheiten offen, die sonst im wohlbehüteten Luxemburg als Schauermärchen von Marx-Fans mit rotem Stern am Revers abgetan werden.

malade chronique
6. Februar 2021 - 10.08

vernunft? t'kanner bakterienschleuder wàerten op der gaass spillen, zesummen an de kino goen, an de buttiker trellen... an aner leit ustiechen. an der schoul waren se winstens enner sech, geographesch enner kontroll, lo net ! si ginn superspreader soi-disant doheem...

Robin Hut
5. Februar 2021 - 21.30

Viel zu späte Vernunft!

luc jung
5. Februar 2021 - 21.14

Sehr transparente Entscheidung. JA! Zu späte Entscheidung. JA!

Jemp
5. Februar 2021 - 19.52

Jo, en huet des Kéier richteg entscheed, mee en huet iwert e Joer gebraucht, fir et ze kapéieren. Aner Sache versteet e guer net, oder eréischt, wann et ze spéit ass.

Carlo
5. Februar 2021 - 19.06

Dee Mann do huet versood an huet d'vollek an gefor bruecht bis d'lompen gestonck hun an elo soll hien vernünfteg sin , wers glaubt wird seelig

de spëtzbouf
5. Februar 2021 - 13.56

An der Europaschoul ass d'Situatioun eng aner, déi hunn e spézielle Virus, deen se nët mat deenen Aneren deele wëllen. :)

Till Spiggel
5. Februar 2021 - 13.49

„ Mat 200 an d‘Mauer gerannt an dann schwäetzen mäer vun Vernonft“. Vernonft ass, wéi beim Schach ,emmer en puer Schrett viraus denken.

Mamm vu 4
5. Februar 2021 - 11.36

Europaschoulen man emmer wat se wellen. Aner vakanzen. 1gr bus fir 1 schüler...

Vulnerabel
5. Februar 2021 - 11.35

Nix späte vernunft: 0 vernunft...

Mamm
5. Februar 2021 - 8.39

An europaschoulen hei???