Donnerstag6. November 2025

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Auftakt der BühnensaisonSo will die Theater Federatioun den Sektor unterstützen und neues Publikum anlocken

Auftakt der Bühnensaison / So will die Theater Federatioun den Sektor unterstützen und neues Publikum anlocken
Vertreten die Theater Federatioun: Pablo Chimienti (l.) und Sascha Dahm (r.) im Gespräch über Theater in Luxemburg Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

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Mit dem heutigen Theaterfest fällt der Startschuss: Die Bühnensaison 2025/2026 ist eröffnet. In den Kulturhäusern wird gespielt, hinter den Kulissen gekämpft. Wofür, verraten Pablo Chimienti und Sascha Dahm von der Theater Federatioun.

Auf dem Regal steht ein Rugby-Ball, daneben eine leere Kaffeetasse; auf dem Boden liegt eine zusammengeflickte Matte aus alten Theaterplakaten. Pablo Chimienti, Direktor der Theater Federatioun, rollt mit seinem Bürostuhl zum Interview heran. Sascha Dahm, der Präsident des Verwaltungsrats, nimmt auf einem Sofa Platz. Bevor sie den Auftakt der neuen Spielzeit feiern, blicken sie zurück auf die scheidende Saison.

Meilensteine

Der Sitz der Theater Federatioun und anderer Kulturinstitutionen Luxemburgs: die Banannefabrik in Bonneweg
Der Sitz der Theater Federatioun und anderer Kulturinstitutionen Luxemburgs: die Banannefabrik in Bonneweg Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

Sie sind sich einig: Die Minimaltarife für Angestellte „hannert der Bün“ – darunter fallen unter anderem Make-up-Artists oder technische Berufe – war ein Meilenstein, der 2024 erreicht wurde. „Wir haben die Mindesttarife gemeinsam mit der ‚Association luxembourgeoise des professionnel-le-s du spectacle vivant’ festgelegt“, sagt Dahm. 2023 verabschiedeten beide Verbände ähnliche Standards für die Künstler*innen „op der Bün“.

Ein weiterer Höhepunkt der Saison 2024/2025 sei der Kontakt zum luxemburgischen Autor*innenverband A:LL Schrëftsteller*innen gewesen. „Wir sprachen unter anderem über die Rollenverteilungen: Wofür ist die Regie verantwortlich? Was definieren wir als Arbeit am Text? Welche Rechte haben Theaterautorinnen und -autoren?“, fasst Dahm den Austausch zusammen. „Das war nur der Anfang. In der neuen Saison leisten wir die Detailarbeit.“

Work in progress

Darüber hinaus befasste sich die Theaterbranche 2024/2025 intensiv mit der Nachhaltigkeit. Im Februar 2024 veröffentlichte das Kulturministerium das Dossier „L’écoresponsabilité dans la culture“. Die Koordination übernahmen die ehemaligen Regierungsmitarbeitenden Josée Hansen und Jo Kox; Chimienti schrieb das Schlusswort. Darin erwähnt er die Arbeitsgruppe „Écoresponsabilité“ der Theater Federatioun, die 2020 gegründet wurde. Eine ihrer Kernforderungen: die Schaffung eines nationalen Fundus, um Materialverschwendung zu verhindern. Ist der inzwischen entstanden? Nein, aber Dahm versichert: „Wir bleiben dran.“

Pablo Chimienti, Direktor der Theater Federatioun, will neues Publikum anlocken
Pablo Chimienti, Direktor der Theater Federatioun, will neues Publikum anlocken Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

Chimienti betont, er stelle schon jetzt einen Gesinnungswechsel fest. „Wir erhalten oft Anfragen, ob wir Material weitervermitteln können“, sagt er. „Manche Häuser stellen ihr Beleuchtungssystem auf LED-Lichter um; achten bei den Kostümen und der Bühnengestaltung auf Nachhaltigkeit.“ Der Kultursektor zähle zwar nicht zu den größten Umweltverschmutzern, trotzdem sei es wichtig, einen Beitrag gegen die Klimakrise zu leisten.

Stichwort Publikum

Die Mitglieder der Theater Federatioun hinterfragen sich also selbst, behalten dabei aber das Publikum im Blick: Die Kommunikationsarbeit war ebenfalls ein Schwerpunkt der endenden Saison. „Wir wollen die Menschen erreichen, die nie ins Theater gehen“, so Chimienti. Das sind viele, wie die Studie „La vie culturelle au Luxembourg“ (2025) des Kulturministeriums zeigt. 56 Prozent der Befragten schauten sich 2023/2024 kein einziges Theaterstück an, 64 Prozent besuchten nie eine Tanzaufführung. Die meisten Befragten gaben an, der Informationsmangel über das Angebot (33 Prozent) halte sie allgemein von dem Besuch der Kulturevents ab. 

„Wir haben unsere Informationskanäle vervielfältigt. Wir posten auf Social Media, unterhalten unsere Website, gehen aktiver auf die Menschen zu“, erklärt Chimienti die Gegenmaßnahmen der Theater Federatioun. Er greift hinter sich in eine Kiste, legt einen Flyer und eine Visitenkarte des Dachverbands auf den Tisch. Beide verweisen auf theater.lu – die Website des Dachverbands, die unter anderem eine Agenda aller Partnerorganisationen in Luxemburg bereithält. „Ist die Hemmschwelle überwunden, finden die meisten Gefallen an dem Angebot“, sagt er.

In dem Sinne will sich die Theater Federatioun ab Herbst auch stärker im Bildungsbereich engagieren. Die Nachfrage besteht, sagt Dahm: „Oft kommt Lehrpersonal auf uns zu und ist begeistert. Schülerinnen und Schüler, die im Unterricht Schwierigkeiten haben, blühen durch den Theaterbesuch auf.“ Theaterpädagog*innen – zum Beispiel im Escher Theater oder im Théâtre national du Luxembourg – würden wertvolle Arbeit leisten. „Damit unser Theater erfolgreich bleibt, müssen wir junge Menschen für uns gewinnen“, meint er.

Beifall aus dem Ausland

Am Angebot kann das jedenfalls nicht scheitern, so Chimienti und Dahm. Luxemburgs Theaterszene sei vielseitig: sprachlich, inhaltlich, von den Genres her. Qualitativ könne Luxemburg längst mit dem Ausland mithalten. Dahm spricht von Produktionen, „die international als ‚big deal‘ gelten“. Chimienti verweist auf die Erfolge bei Festivals: „Unsere Produktionen werden beim Festival d’Avignon in Frankreich oder beim Festival Fringe in Schottland gefeiert. Unsere Kompanien touren im Ausland. Die internationale Szene ist interessiert, die Qualität stimmt.“

Was hat zu diesem Aufschwung geführt? Spontan kommen einem der Kulturentwicklungsplan 2018-2028 oder die Gründung von Kultur | lx – Arts Council Luxembourg im Jahr 2020 in den Sinn. Chimienti und Dahm nicken zustimmend, holen jedoch weiter aus. Sie erwähnen die Fördergelder, die das Kulturministerium dem Sektor bereitstellt.

Sascha Dahm, Präsident des Verwaltungsrats der Theater Federatioun, lobt die Kulturförderung in Luxemburg
Sascha Dahm, Präsident des Verwaltungsrats der Theater Federatioun, lobt die Kulturförderung in Luxemburg Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

Nach dem „État des lieux – théâtre“ (2022), einer Publikation des Kulturministeriums, flossen 2021 allerdings nur rund sechs Prozent der Finanzierungshilfen – also vier Millionen Euro – in die Theaterbranche. Im Vergleich: Die Musikszene erhielt in dem Jahr 43 Prozent der Fördermittel, also über 28 Millionen Euro. Allgemein beträgt das Budget des Kulturministeriums dieses Jahr 0,98 Prozent des Staathaushalts. Dahm bricht dennoch eine Lanze für die Regierung: „Im Ausland wird das Kulturbudget radikal gekürzt. Das ist in Luxemburg nicht der Fall. Wir leben in einem Land, in dem die Politik sich zudem nicht in die Programmgestaltung einmischt. Das trägt zur freien Entfaltung der Szene bei.“
Dahm hebt auch die zunehmende Anerkennung der Kulturschaffenden hervor und führt als Beispiel den Thronwechsel Anfang Oktober an: „Es ist ein ‚statement‘, dass bei den Feierlichkeiten überwiegend luxemburgische Künstlerinnen und Künstler auftreten. Unser Selbstbewusstsein wächst.“

Wiederaufnahmen, Feminismus, Diversität

Inwiefern die neue Saison dazu beitragen wird, ist abzuwarten. Chimienti und Dahm sind zuversichtlich. „In der vergangenen Saison waren viele Vorstellungen ‚sold out‘. Aus dem Grund setzen die Häuser jetzt verstärkt auf Wiederaufnahmen“, so Dahm. Ein Blick in die Programmhefte gibt ihm Recht: Das Escher Theater zeigt beispielsweise erneut „L’Odeur de la Guerre“, das Mierscher Theater „Ondugen“ und das Kapuzinertheater „Cock“.

Die Männer halten das für den richtigen Weg. „Sophie Langevin bezeichnete Luxemburg 2021 bei den ‚assises sectorielles‘ zum Theater als ‚pays de répétition‘: Die Proben ziehen sich über Monate, die Aufführungen begrenzen sich auf zwei, drei Auftritte.“ Ein Umstand, der den Sektor schon lange umtreibt. 2024 sprach Carole Lorang, Direktorin des Escher Theaters, in der woxx gar von einer „kreativen Verschwendung“ und vom Druck, der auf den Produktionsteams laste. „Es ist gut, dass die Tendenz nun in Richtung ‚reprise‘ geht“, kommentiert Chimienti. „Das Publikum erhält die Möglichkeit, beliebte Stücke neu oder zum ersten Mal zu entdecken; es liegen Presseberichte zur Orientierung vor – es ist für alle ein Gewinn.“

Theaterfest

Am Freitag, dem 19. September, findet von 10.30 bis 18 Uhr das jährliche Theaterfest statt. Fans der Bühnenkunst – und solche, die es werden wollen – treffen auf der Place d’armes in Luxemburg-Stadt auf Infostände der Kulturhäuser, außerdem wird ein Rahmenprogramm geboten. Zum Abschluss tritt der luxemburgische Künstler Edsun auf (17.30-18 Uhr). Mehr Infos: theater.lu. 

Neben den Wiederaufnahmen erkennt Chimienti einen weiteren roten Faden, der sich in letzter Zeit durch die Broschüren zieht. „Feministische Produktionen und Texte nehmen zu“, stellt er fest. „Staunten wir früher über ein Stück wie ‚Les monologues du vagin‘, präsentierte das Escher Theater in der Saison 2024/2025 ‚Les jours de la lune‘ – eine Aufklärungsstück über Menstruation – ohne großes Aufsehen. Das war vor Jahren noch undenkbar.“ Chimienti begrüßt diese Entwicklung, genauso wie das allgemeine Streben nach mehr Diversität.

Bis zu dem Zeitpunkt sind er und Dahm gesprächig – dann lehnen sie die Beantwortung einer Frage zunächst ab: „Auf welche Produktion der Saison 2025/2026 freuen Sie sich besonders?“ Am Ende sagen sie jedoch fast einstimmig: „Wir freuen uns auf alle Produktionen.“