Helle Wasser, dunkle Wälder. Zwischendurch ein Weiler. Und keine Ärzte. Das ist wohl allgemeinhin das Bild, das Luxemburger aus dem Zentrum und dem Süden vom beschaulichen Nordbezirk ihres Landes haben. Nur: Stimmt das überhaupt? Das Gesundheitsministerium – in Person von Ministerin Martine Deprez (CSV) – hat in dieser Woche eine beeindruckende Statistik veröffentlicht. In einer Antwort auf eine parlamentarische Frage schlüsselt die Santé nämlich die Verteilung der Mediziner im vergangenen Jahr in Luxemburg auf – aufgeteilt nach Kantonen, aus denen die Bezirke bekanntlich zusammengesetzt sind.
Und siehe da: Der Norden ist gar nicht so unterversorgt, wie angenommen. 4,16 Mediziner pro 1.000 Einwohner machen sich durchschnittlich zwischen Redingen und Weiswampach breit. Das mag nach wenig klingen, reicht im Ranking der vier Bezirke aber für den zweiten Platz. Im Osten sind es nur 3,17 Ärzte pro 1.000 Einwohner. Und auch im dicht besiedelten Süden – das hätten wohl die wenigsten gedacht – praktizieren statistisch weniger Mediziner: 3,64. Vor dem Norden liegt in diesem Classement nur das Luxemburger Oberzentrum im Zentrum, mit den Kantonen Mersch und Luxemburg. Dort tummeln sich acht Doktoren und Doktorinnen pro 1.000 Einwohner.
45 Prozent der Landesfläche im Norden
Was zur nächsten Prämisse führt. Wahlbezirke sind zum Vergleich der medizinischen Versorgung in einem Land wie Luxemburg vielleicht nicht die beste Einheit – zumal für einen Riesen-Bezirk wie den Norden, der 45 Prozent der gesamten Landesfläche ausmacht. Ein Blick in die Kantone verschafft da (etwas) mehr Klarheit. Und tatsächlich liegt der Kanton mit den wenigsten Medizinern pro Kopf in der oberen Hälfte der Landkarte: Vianden. Zu den 5.680 Einwohnern (zu Vergleichbarkeit wurde hier der Stand von 2024 zu Rate gezogen) gehören ganze sechs Mediziner, davon zwei Zahnärzte. Das entspricht einer Medizinerdichte von 1,06 Doctores – pro 1.000 Einwohner. Zum Vergleich: Im Kanton Luxemburg sind es neun.
Gleich neben Vianden liegt aber bekanntlich ein anderer Nord-Kanton: Diekirch. Dort, in Ettelbrück, hat unter anderem das CHdN einen Standort – und das schlägt sich natürlich auch auf die Ärztedichte nieder. Mit einem Doktorfaktor von 7,55 Ärzten pro 1.000 Einwohner liegt der Kanton Diekirch nur knapp hinter dem Spitzenreiter Luxemburg.
Allerdings: In diesen Zahlen sind auch die Fachärzte dabei – also jene „médecins-spécialistes“, die unter anderem in den Kliniken ihr Spezialwissen anwenden. Ein Ärztemangel wird wohl eher an anderer Stelle sichtbar werden. Nämlich bei jenen Medizinern, die mit Sicherheit am häufigsten in Luxemburg konsultiert werden: den Allgemeinmedizinern. Auch zu ihrer Verteilung hat die Santé Zahlen. Und die liegen erstaunlich nah beieinander. Die größte Dichte an Allgemeinärzten gibt es zwar ebenfalls im Kanton Luxemburg (1,41 pro 1.000 Einwohner), Diekirch folgt aber auf dem Fuß – mit 1,29 Ärzten. Im Kanton Redingen gibt es immerhin noch 1,23, in Clervaux 1,08, in Wiltz 0,97. Nur Vianden landet ganz am Ende der Tabelle, mit 0,7 Allgemeinärzten pro 1.000 Einwohnern.
Von Mersch aus schnell zum Arzt
Dass aber auch die Kantone nur bedingt zur Analyse der Versorgung eignen, macht das Beispiel Mersch deutlich. Der Zentrumskanton liegt mit 2,2 Ärzten pro 1.000 Einwohnern statistisch gesehen am unteren Ende der Tabelle. Dafür liegen die Gemeinden nördlich der Hauptstadt natürlich genau zwischen den beiden großen Krankenhausstandorten Luxemburg-Stadt und Ettelbrück, über Nordstrooss und Bahn exzellent ans Verkehrsnetz angebunden. Anders die Situation im Kanton Clerf. Dort gibt es ebenfalls 2,2 Ärzte pro 1.000 Einwohner. Da der Kanton aber riesig ist, sind lange Wege nötig. Pro Quadratkilometer kommt der Kanton Clerf gerade einmal auf 0,07 Allgemeinmediziner. Zum Vergleich: In Esch sind es 0,8, in Luxemburg-Stadt sogar 1,22 und im ebenfalls ländlichen Kanton Echternach immerhin noch 0,11. Obwohl der kleinste Kanton, steht Vianden mit 0,07 Ärzten pro Quadratkilometern aber auch hier am unteren Ende der Tabelle.
Dafür haben die Menschen, die in den Gemeinden rund um die Mittelalterstadt leben, den anderen Kantonen etwas voraus. Nicht nur, dass im Juni dieses Jahres ein neues „Centre médical“ seine Türen geöffnet hat, das in den Zahlen der Santé von 2024 noch nicht auftaucht – die sechs erfassten Ärzte im Kanton gehören größtenteils zu den Jungspunden: Fünf von Ihnen sind jünger als 35.
14,7 Prozent der Ärzte im Rentenalter
Tatsächlich könnte der demografische Wandel die Lage in anderen Kantonen deutlich verschärfen. Von den 430 Medizinern im Bezirk Norden sind 26 Prozent zwischen 55 und 64 Jahren alt. Ganze 14,7 Prozent sind sogar 65 oder älter und haben das Renteneintrittsalter eigentlich erreicht.
Noch prekärer ist die Lage aber im Osten. Von den 246 Ärzten dort sind 18,3 Prozent eigentlich schon im Rentenalter – und 28 Prozent im Alter zwischen 55 und 64 Jahren. In den anderen Bezirken und Kantonen sieht es etwas besser aus. Aber nicht viel. Von den 3.541 Ärzten und Ärztinnen in Luxemburg sind 422 schon 65 Jahre alt oder älter. Insgesamt machen die Mediziner mit einem Lebensalter von mindestens 55 Jahren ein Drittel der gesamten Luxemburger Ärzteschaft aus.
De Maart
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