Das „28“-Franchise ist eine britische Horrorfilmreihe, die mit „28 Days Later“ (2002) von Regisseur Danny Boyle begann. Der erste Film erzählt die Geschichte von Jim, der 28 Tage nach dem Ausbruch eines Virus namens „Rage“ aus dem Koma erwacht. Das Virus verbreitet sich rasend schnell und verwandelt Menschen in aggressive Wesen – technisch gesehen keine Zombies, sondern Infizierte. London ist menschenleer, chaotisch und von Gewalt geprägt. Der Nachfolger, „28 Weeks Later“ (2007), unter der Regie von Juan Carlos Fresnadillo, spielt etwa ein halbes Jahr später. Die NATO versucht, Großbritannien wieder zu besiedeln, doch ein erneuter Ausbruch des Virus führt zu einer noch katastrophaleren Eskalation. Beide Filme sind für ihre politischen Untertöne und intensive Spannung bekannt.
Der neue Teil spielt 28 Jahre nach dem Ausbruch des Rage-Virus und verlegt die Handlung in eine abgeschottete Insellandschaft im heutigen Großbritannien. Visuell präzise und atmosphärisch dicht entfaltet sich ein düsterer Endzeitfilm, der seine politische Dimension nie aus dem Blick verliert. Im Zentrum steht ein Junge namens Spike (Alfie Williams), der mit seinem Vater (Aaron Taylor-Johnson) auf eine gefährliche Mission zum Festland geschickt wird, das seit Jahrzehnten als unbewohnbar gilt. Begleitet werden sie dabei von der Mutter Rose (Jodie Comer), die als moralisches Gegengewicht fungiert. Ralph Fiennes verkörpert eine Führungspersönlichkeit, die zwischen Kontrolle, Angst und Verdrängung schwankt.
Wechselspiele und Covid
Das Wechselspiel zwischen idyllischer Natur, brutaler Gewalt und innerem Verfall, das in „28 Years Later“ fast dokumentarisch, auch mittels iPhone-Aufnahmen, beschrieben wird, drängt ganz auf die politische Allegorie: Der Film versteht sich – wie Boyle selbst angibt – als Reaktion auf den Brexit. Das isolierte Großbritannien wirkt wie ein Land, das sich selbst mythologisiert hat, während der Rest der Welt längst weitergezogen ist. Die Inselgesellschaft, rückwärtsgewandt und autoritär, symbolisiert den Preis einer zunehmenden Abschottung. Garland erklärte, dass nicht die Covid-19-Pandemie, sondern der Brexit das zentrale Motiv für die Rückkehr zur Rage-Welt gewesen sei.
Diese Lesart verleiht dem Film eine zusätzliche Ebene, die das „28“-Franchise abhebt von herkömmlichen Zombiefilmen, indem es weniger auf Splatter setzt und stattdessen den psychologischen Horror und die Gesellschaftskritik in den Vordergrund stellt. Besonders deutlich wird dies in der Darstellung individueller Traumata und dem Zerfall sozialer Bindungen, der die Figuren nicht nur körperlich, sondern auch seelisch deformiert. Die zunehmend dystopische Atmosphäre und die Darstellung der moralischen Grauzonen im Überlebenskampf spiegeln dabei reale gesellschaftliche Spannungen und politische Diskurse wider.
Auch im Vergleich zum klassischen Zombiebild etwa bei George A. Romero („Night of the Living Dead“, 1968) zeigt diese Horrorreihe zentrale Unterschiede: Romeros Zombies verkörpern gesellschaftliche Allegorien – etwa Konsum, Rassismus oder soziale Isolation. Seine Filme sind oft politische Kommentare, die er über den Widergänger artikuliert. Die „28“-Infizierten hingegen sind schnell, brutal und durch ein Virus erklärt – eine Bedrohung, die biologisch und psychologisch greifbarer wirkt. Während Romero das Grauen aus der Masse und dem Unaufhaltsamen bezieht, setzt Boyle auf Tempo, Angst und Kontrollverlust. Beide Ansätze spiegeln indes ihre Zeit: Romero kritisiert die Gesellschaft der 60er bis 80er, Boyle thematisiert Ängste der globalisierten, biopolitischen Gegenwart. Trotz unterschiedlicher Ursprünge teilen beide ein Kernmotiv: den Zerfall menschlicher Ordnung – nicht (nur) durch Monster, sondern durch uns selbst.
De Maart
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