Fast ein Vierteljahrhundert regierte er Syrien mit harter Hand – nach der Machtübernahme durch islamistische Milizen ist Präsident Baschar al-Assad nun überstürzt aus dem Land geflüchtet. Wo er sich aufhält, ist nicht bekannt, seine Abreise erfolgte unter strengster Geheimhaltung. Rebellen übernehmen nun nach mehr als 13 Jahren Bürgerkrieg das Ruder. Sie kündigten an, die Macht friedlich übernehmen zu wollen.
Während die Syrer den Sturz des Assad-Regimes feiern, äußern sich Regierungsvertreter aus aller Welt zu den Entwicklungen in dem Land.

Luxemburg
„Baschar Al-Assad war und ist ein brutaler Diktator, der für den Tod hunderttausender Menschen verantwortlich ist“, sagte Luxemburgs Außenminister Xavier Bettel im Gespräch mit RTL nach dem Umsturz in Syrien. Assad habe Chemiewaffen gegen sein eigenes Volk eingesetzt und Millionen Menschen zur Flucht getrieben. „Assad war kein Guter, das wissen wir alle“, doch nun sei sein Regime gefallen. Dennoch müsse man die Entwicklung der Lage in Syrien genaustens im Auge behalten, denn niemand wisse, wie sich die neuen Machthaber verhalten werden. Man könne nur hoffen, dass sich alles zum Guten wenden werde. Das Land stehe jetzt vor wichtigen Entscheidungen.
Russland
Noch am vergangenen Montag hatte der russische Präsident Wladimir Putin seine Solidarität mit Assad bekundet. Nach einem Telefonat Putins mit dem iranischen Staatschef Massud Peseschkian teilte der Kreml mit, beide hätten „bedingungslose Unterstützung“ für die syrische Regierung ausgedrückt.
Nun hat Russland bestätigt, dass Baschar al-Assad in Syrien nicht mehr an der Macht und außer Landes geflohen ist. Assad sei „zurückgetreten“ und habe Syrien verlassen, erklärte die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, am Sonntag in Moskau. Sie machte jedoch keine Angaben dazu, wohin der bisherige syrische Staatschef ausreiste. Assads Abgang seien „Verhandlungen“ zwischen ihm und „einer gewissen Zahl von Teilnehmern an dem bewaffneten Konflikt“ in Syrien vorausgegangen, erklärte Sacharowa. Russland sei an diesen Verhandlungen nicht beteiligt gewesen.
Sacharowa teilte überdies mit, dass Russlands Militärstützpunkte in Syrien in Alarmzustand versetzt worden seien. Derzeit gebe es aber „keine ernsthafte Bedrohung für ihre Sicherheit“.
Russland leistete seit 2015 militärische Unterstützung für Assad. Nun machten sich Ernüchterung und Enttäuschung in Moskau breit. Unter den derzeitigen Bedingungen des voll aufgeflammten Bürgerkrieges könne Russland Syrien nicht mehr unterstützen, schrieb der prominente Außenpolitiker und stellvertretende Vorsitzende des russischen Föderationsrates, Konstantin Kossatschow, bei Telegram. „Damit müssen die Syrer nun alleine klarkommen.“
Moskau werde nur noch helfen, wenn das syrische Volk das wünsche, sagte Kossatschow. Der Krieg sei nicht vorbei, weil es dort viele gegnerische Gruppierungen gebe, darunter Terroristen. Wichtig sei jetzt vor allem, die Sicherheit der russischen Soldaten in Syrien sowie die Souveränität und die territoriale Unversehrtheit des Landes zu gewährleisten, sagte er.
Der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im russischen Parlament, Andrej Kartapolow, sagte, dass über das in Syrien stationierte Militär Moskaus nachgedacht werden müsse – ausgehend von den Erfahrungen etwa des Abzugs der sowjetischen Truppen aus der DDR und anderen Ländern. Andere Experten meinten, dass Kreml-Chef Wladimir Putin nun sein „persönliches Afghanistan“ erlebe – wie bei dem Abzug der Sowjettruppen aus dem Land 1989.
Iran
Der Iran hofft nach dem Machtwechsel in Damaskus auf weiterhin gute Beziehungen mit Syrien. „Die bilateralen Beziehungen mit Syrien haben eine lange Geschichte, und wir hoffen, dass dies mit Weisheit und Weitsicht auch fortgesetzt wird“, schrieb das Außenministerium in einer Presseerklärung.
Der Iran wird demnach die Entscheidung des syrischen Volkes über seine politische Zukunft respektieren. Teheran hoffe vor allem auf ein schnelles Ende der militärischen Spannungen und einen baldigen Dialog aller politischen Fraktionen des Landes, so das Außenministerium laut Nachrichtenagentur Isna.
Unbestätigten Berichten zufolge steht Teheran bereits im Kontakt mit der Islamisten-Allianz Haiat Tahrir al-Scham (HTS), um einen friedlichen Abzug der iranischen Revolutionsgarden aus Syrien zu ermöglichen. Ob die HTS dieser Forderung nachkommen wird, ist fraglich.
Irak
Der Irak hat wegen der aktuellen Entwicklungen in Syrien den Grenzübergang Al-Kaim in das Nachbarland geschlossen und die Grenze komplett gesichert, berichtete die staatliche irakische Nachrichtenagentur INA. Den Irak und Syrien verbindet eine etwa 600 Kilometer lange Grenze. Bagdad hat Sorge, dass die instabile Lage in Syrien auch die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) stärken könnte, die in beiden Ländern einst große Gebiete kontrollierte.
Die irakische Regierung ließ auch die Botschaft in Damaskus räumen, wie INA berichtete.

Türkei
Nach dem Sturz von Syriens Machthaber Baschar al-Assad hat die Türkei die Millionen von syrischen Flüchtlingen zur Rückkehr in ihre Heimatgebiete aufgerufen. Die Flüchtlinge könnten nun „in ihre Heimat zurückkehren“, sagte der türkische Außenminister Hakan Fidan am Sonntag beim Doha Forum, einer internationalen politischen Konferenz in Katar. Die Türkei teilt eine lange Landgrenze mit Syrien und hat fast drei Millionen Flüchtlinge aus dem südlichen Nachbarland aufgenommen.
Es sei nun an der Zeit für die Syrer, „sich zu vereinen und das Land wieder aufzubauen“, betonte Fidan. „Heute gibt es Hoffnung. Syrien kann das nicht alleine schaffen. Die internationale Gemeinschaft muss das syrische Volk unterstützen“, forderte er. Fidan rief zu einer „reibungslosen Machtübergabe“ in Syrien auf. Es müsse energisch „mit dem syrischen Volk“ sowie internationalen Akteuren zusammengearbeitet werden, um „eine gute und reibungslose Übergangsperiode“ sicherzustellen und dafür zu sorgen, dass Zivilisten „kein weiterer Schaden“ zugefügt werde.
Der türkische Außenminister teilte mit, dass seine Regierung mit Milizen in Syrien in Kontakt stehe, um zu verhindern, dass die Dschihadistengruppe Islamischer Staat (IS) sowie die verbotene Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) von dem Umsturz profitierten. „Wir müssen während dieser Übergangsperiode sehr wachsam sein“, warnte er.
Der türkische Chefdiplomat betonte in seiner Rede in Doha ferner, dass die künftige syrische Regierung „keine Bedrohung“ für Nachbarländer darstellen solle. Nach seinen Worten führte die Türkei mit diesem Ziel bereits Gespräche mit Ländern in der Region und anderen Staaten.
Israel

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat nach Assads Sturz von einem „historischen Tag in der Geschichte des Nahen Ostens“ gesprochen. Bei einem Besuch auf den besetzten Golanhöhen sagte Netanjahu: „Das Assad-Regime ist ein zentraler Teil der iranischen Achse des Bösen – dieses Regime ist gestürzt.“
Netanjahu sagte, Assads Sturz sei ein „direktes Ergebnis der Schläge, die wir dem Iran und der Hisbollah versetzt haben“. Dies habe eine „Kettenreaktion“ im Nahen Osten ausgelöst. Nun gebe es „wichtige Gelegenheiten“ für Israel, es drohten aber auch Gefahren.
„Wir werden es keiner feindlichen Kraft erlauben, sich an unserer Grenze zu positionieren“, sagte Netanjahu. Gleichzeitig betonte er, Israel sei an einer „guten Nachbarschaft“ mit Syrien interessiert. Er erinnerte dabei an die Behandlung zahlreicher syrischer Kriegsverletzter in israelischen Krankenhäusern. Man biete all jenen die Hand an, die an Frieden mit Israel interessiert seien.
Angesichts der Übernahme der Kontrolle in Syrien durch Rebellen hat die israelische Armee Streitkräfte in die Pufferzone auf den besetzten Golanhöhen verlegt. Ziel sei es, „die Sicherheit der Ortschaften auf den Golanhöhen und der Bürger Israels zu gewährleisten“, hieß es weiter.
Der israelische Oppositionsführer Jair Lapid rief zudem zu einem neuen regionalen Bündnis auf. Dieses solle neben Saudi-Arabien die arabischen Länder umschließen, die mit Israel die sogenannten Abraham-Verträge geschlossen hatten, forderte Lapid auf der Plattform X. Ziel sei es, „gemeinsam mit der regionalen Instabilität umzugehen“.

Deutschland
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat Assads Sturz als „eine gute Nachricht“ begrüßt. Assad habe „sein eigenes Volk auf brutale Weise unterdrückt, unzählige Leben auf dem Gewissen und zahlreiche Menschen zur Flucht aus Syrien getrieben, viele kamen auch nach Deutschland“, erklärte Scholz am Sonntag in Berlin.
Das syrische Volk habe entsetzliches Leid erfahren. „Das Ende der Assad-Herrschaft über Syrien ist daher eine gute Nachricht“, betonte Scholz. Jetzt komme es darauf an, dass in Syrien „schnell Recht und Ordnung wiederhergestellt werden“. „Alle Religionsgemeinschaften, alle Minderheiten müssen jetzt und in Zukunft Schutz genießen“, erklärte Scholz.
Scholz hält eine politische Lösung des Konflikts in Syrien im Einklang mit der Resolution 2254 des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen weiter für möglich. Die 2015 verabschiedete Resolution sah die Ausarbeitung einer Verfassung sowie Wahlen unter Aufsicht der Vereinten Nationen vor.
„Wir werden die zukünftig Regierenden daran messen, ob sie allen Syrern ein Leben in Würde und Selbstbestimmung möglich machen, Syriens Souveränität gegen bösartige Einmischung Dritter verteidigen und mit ihren Nachbarn in Frieden leben“, erklärte Scholz.
Frankreich
Frankreich begrüßt das Ende von Präsident Baschar al-Assads Herrschaft in Syrien. Nach 13 Jahren extrem gewalttätiger Unterdrückung des eigenen Volkes hinterlasse er ein Land, das in großen Teilen von seiner Bevölkerung entleert sei – sei es, weil sie ins Exil gegangen ist oder vom Regime und seinen Verbündeten massakriert, gefoltert und mit chemischen Waffen bombardiert wurde, erklärte das französische Außenministerium. Die Syrier hätten zu sehr gelitten, hieß es in der Mitteilung weiter.
Gleichzeitig fordert das Ministerium einen friedlichen politischen Übergang, der den Erhalt staatlicher Institutionen sowie die Achtung der Souveränität und territorialen Integrität Syriens respektiert sowie die Vielfalt des syrischen Volkes. Des Weiteren ruft Frankreich alle Syrer zur Einheit, zur Versöhnung und zur Ablehnung aller Formen des Extremismus auf.
Auf X würdigte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron den Mut und die Geduld des syrischen Volkes. „In diesem Moment der Unsicherheit wünsche ich ihm Frieden, Freiheit und Einheit“, schrieb er. Die Barbarei sei zu Ende. Frankreich werde sich weiterhin für die Sicherheit aller im Nahen Osten einsetzen.
The barbaric state has fallen. At last.
I pay tribute to the Syrian people, to their courage, to their patience. In this moment of uncertainty, I send them my wishes for peace, freedom, and unity.
France will remain committed to the security of all in the Middle East.
— Emmanuel Macron (@EmmanuelMacron) December 8, 2024
Europäische Union
Der Sturz des syrischen Machthabers zeigt nach Ansicht von EU-Chefdiplomatin Kaja Kallas auch die „Schwäche“ seiner russischen und iranischen Unterstützer. Kallas schrieb am Sonntag im Onlinedienst X: „Das Ende der Diktatur von Assad ist eine positive Entwicklung, die seit langem erwartet wurde. Dies zeigt auch die Schwäche der Unterstützer von Assad: Russland und der Iran.“
Die Priorität der EU sei es nun, „die Sicherheit“ in der Region zu gewährleisten, erklärte die EU-Außenbeauftragte weiter. Die EU wolle mit allen „konstruktiven Partnern“ in Syrien und in der Region zusammenarbeiten. „Der Prozess des Wiederaufbaus von Syrien sei lang und kompliziert“ und alle Kräfte sollten bereit sein, daran „konstruktiv“ mitzuwirken, hob sie hervor. (dpa, AFP, Red.)
The end of Assad’s dictatorship is a positive and long-awaited development. It also shows the weakness of Assad’s backers, Russia and Iran.
Our priority is to ensure security in the region. I will work with all the constructive partners, in Syria and in the region.
— Kaja Kallas (@kajakallas) December 8, 2024
Jubel auf der Straße
Am Sonntag zog es tausende Menschen auf die Straße, um den Sturz von Baschar al-Assads zu feiern – nicht nur in Syrien. Allein in Berlin feierten nach Polizeiangaben rund 5.000 Menschen den Sturz des syrischen Diktators. Der Machtwechsel wurde auch in Mainz und Koblenz gefeiert. Die Stimmung bei der Veranstaltung in Mainz sei „friedlich bis ausgelassen“, sagte ein Polizeisprecher.
Auch in Syriens Nachbarland, der Türkei, feierten Geflüchtete euphorisch Assads Entmachtung. Zahlreiche Menschen versammelten sich unter anderem vor der Fatih-Moschee in der Metropole Istanbul und schwenkten Flaggen der Opposition. In der Stadt Gaziantep nahe der syrischen Grenze feierten Flüchtlinge Medienberichten zufolge ebenfalls.
Als Nachbarland hat die Türkei weltweit die meisten syrischen Flüchtlinge aufgenommen. Zurzeit leben dort nach UN-Angaben noch rund drei Millionen Vertriebene aus Syrien.
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De Maart
@Luxmann Sanktionen und UN Resolutionen dürfen doch nicht gegen Israel angewendet werden
Dann schauen wir mal ob die neue regierung in Syrien mit nachdruck die rueckgabe der von Israel illegal annektierten gebiete fordert.
Ob der Sturz eines saekularen Regim durch ein islamistisches fuer uns eine gute Nachricht ist , da habe Ich aber erhebliche Zweifel .