Freitag26. Dezember 2025

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Umgedrehte OrtsschilderSo kämpfen spanische Bauern gegen Regulierungen aus Brüssel

Umgedrehte Ortsschilder / So kämpfen spanische Bauern gegen Regulierungen aus Brüssel
Auch das Schild des katalanischen Dorfes Cruïlles (Provinz Girona) steht auf dem Kopf Foto: Bauernverband Revolta Pagesa

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Die spanische Welt steht kopf – wenigstens in vielen Dörfern. Dort hängen die Schilder, die den Autofahrern am Ortseingang den Namen der Siedlung signalisieren, neuerdings verkehrt herum. Ein Umstand, der unkundigen Besuchern Verrenkungen abfordert, um ohne Blick auf das Navi herauszufinden, in welcher Gemeinde man sich gerade befindet.

Als vor einigen Wochen die ersten Berichte über umgedrehte Ortsschilder auftauchten, dachten viele Spanier noch an einen Streich einiger Bewohner, denen es vielleicht in der ländlichen Abgeschiedenheit zu langweilig geworden war. Doch nachdem immer mehr verdrehte Schilder gesichtet wurden, wurde bald klar, dass mehr dahintersteckt: Inzwischen weiß man, dass es sich um eine kuriose Protestaktion handelt, mit der Spaniens Bauern auf ihre Probleme aufmerksam machen wollen.

Mittlerweile sind es Hunderte von Gemeinden, in denen die Landwirte die Ortsschilder auf den Kopf stellten. Was in der nordostspanischen Mittelmeerregion Katalonien als symbolischer Protest begann, sprang wenig später auf andere Teile Spaniens über. Auch im nordspanischen Aragonien, in Navarra oder in der zentralspanischen Region Kastilien und León machen vielerorts jetzt die Schilder einen Kopfstand.

Die Botschaft der verdrehten Ortstafeln ist eindeutig: Die spanischen Landwirte fordern „eine Umkehr und einen Kurswechsel” in der Agrarpolitik. Ein Jahr nach den großen Bauernprotesten, die durch Europa rollten, habe sich nicht viel geändert, klagen sie. Der Vorschriften-Dschungel sei immer noch zeitraubend. Für jede Tätigkeit müssten Formulare und Anträge ausgefüllt werden – nicht nur für Subventionen, sondern auch um in allen Einzelheiten landwirtschaftliche Arbeiten wie Bodennutzung, Düngereinsatz oder Tierhaltung zu dokumentieren.

Sorgen wegen Handelsvertrag mit Mercosur

„Wir verbringen mehr Stunden im Büro als auf dem Traktor“, erklärt Mar Ariza, Vizepräsidentin der katalanischen Bauernorganisation Revolta Pagesa. Wohl habe es ein paar kleinere Fortschritte gegeben. „Aber das ist nicht genug.“ Die zuständigen Politiker würden den Landwirten zwar mit gutem Willen zuhören, konkrete Maßnahmen würden jedoch nicht in dem Tempo umgesetzt, das erforderlich wäre, um die Probleme zeitnah zu lösen.

Die Landwirte kritisieren zudem europäische Handelsabkommen mit Ländern, die nicht zur EU gehören. Sie fürchten, dass ihnen Importprodukte, die möglicherweise mit niedrigeren Standards produziert werden, das Leben zusätzlich schwer machen. Besonders besorgt sie der 2024 abgeschlossene, aber noch nicht in Kraft getretene Handelsvertrag zwischen der EU und dem südamerikanischen Wirtschaftsbündnis Mercosur. Brüssel versichert hingegen, dass importierte Agrarprodukte hinsichtlich Qualität, Lebensmittelsicherheit und Chemieeinsatz den EU-Standards entsprechen müssen.

Doch Spaniens Bauern begnügen sich nicht mit dem Schilderprotest. Seit einigen Tagen rollen wieder Traktorkarawanen über die Straßen und sorgen für Verkehrsstaus. „Rettet die Landwirtschaft“, steht auf den Plakaten, die an den Traktoren befestigt sind. Oder: „Wir haben keine Zukunft.“ Kritisiert werden auch die Handelsketten und Lebensmittelfabrikanten. „Die Abnehmerpreise steigen nicht, aber unsere Produktionskosten haben sich vervielfacht“, klagen die Bauern. „Wir produzieren mit Verlusten, das ist der Ruin.“

Wichtiges Standbein der Wirtschaft

Angesichts des wachsenden Frusts greifen nun immer mehr spanische Landwirte zum Schraubenzieher, um die Schilder ihrer Dörfer umzudrehen. Die Bürgermeister der betroffenen Gemeinden zeigen dafür Verständnis: „Es ist natürlich nicht schön, wenn die Ortstafeln auf dem Kopf stehen“, heißt es im Rathaus des 1.000-Seelen-Nests Granja d’Escarp in Katalonien. „Aber wir und andere Dörfer, die von der Landwirtschaft leben, wissen ganz genau, dass die Bauern mit ihrem Protest recht haben.“

Der symbolische Protest mit den verdrehten Schildern ist übrigens keine rein spanische Erfindung. Ende 2023 vergriffen sich bereits französische Bauern an den Tafeln ihrer Heimatorte, um auf ihre Probleme aufmerksam zu machen. Später machten es ihnen auch Landwirte in Deutschland und in der Schweiz nach.

Spanien ist der größte Obst- und Gemüseproduzent Europas. In dem südeuropäischen Land gibt es derzeit rund 900.000 Bauern. Sie stellen mit ihren Betrieben ein wichtiges Standbein der spanischen Wirtschaft dar.

Die spanische Agrar- und Lebensmittelindustrie macht nahezu zehn Prozent des nationalen Bruttoinlandsprodukts aus. Zu den bedeutendsten Waren gehören Zitrusfrüchte, Tomaten, Paprika, Gurken, Erdbeeren, Avocados, Mangos, Olivenöl und Wein. Die meisten Exporte gehen ins europäische Ausland – und zwar vor allem in den deutschsprachigen Raum.

Lucilinburhuc
18. Februar 2025 - 10.10

Umgedrehte Hollandfahnen in den Niederlanden und jetzt Ortschilder in Spanien. Die Welt steht kopf.

JJ
18. Februar 2025 - 8.10

Die französischen Bauern auch.