Freitag14. November 2025

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Alain spannt den BogenSo geht Klassik … und auch Barock!

Alain spannt den Bogen / So geht Klassik … und auch Barock!
Barockmusik und Hip-Hop-Tanz: eine Kombination, die begeistert Foto: Alfonso Salgueiro

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Ausnahmen bestätigen die Regel. Gleich an zwei aufeinanderfolgenden Abenden durfte sich das Publikum glücklich schätzen, an zwei in allen Hinsichten außergewöhnlichen und künstlerisch erstklassigen Aufführungen teilhaben zu dürfen.

Was für ein Kammermusikabend! Jeder Musikfreund weiß, dass erstklassige Solisten, wenn sie zusammen als All-Star-Ensemble auftreten, nicht immer überzeugende Interpretationen zustande bringen. Aber was die Geigerinnen Isabelle Faust und Anne Katharina Schreiber, Bratschist Antoine Tamestit, Cellist Jean-Guihen Queyras und Pianist Alexander Melnikov an diesem Abend an Spielfreude, Stil und musikalischer Aussagekraft boten, das war in jeder Hinsicht sensationell. Da stand eine geballte Ladung Weltklasse auf der Bühne des Kammermusiksaals und das spürte das Publikum ab der ersten Note.

Auf dem Programm standen drei große Werke von Robert Schumann, nämlich das Streichquartett op. 41 Nr.1, das Klavierquartett op. 47 und das Klavierquintett op. 44, die, musikgeschichtlich betrachtet, alle drei zu den wichtigsten Werken ihrer Gattungen gehören. Alle drei sind in Schumanns fruchtbarem Jahr 1842 entstanden und zeugen von dem absoluten Genie des Komponisten. Isabelle Faust und ihre Freunde sind ja an sich schon ein eingespieltes Team und arbeiten auch in kleineren Besetzungen regelmäßig zusammen. Dieses blinde Miteinandermusizieren erlaubte es den Interpreten, dann auch die Musik zum Fliegen zu bringen. Die Leichtigkeit, mit der die Interpreten in das Wesen der Musik vordrangen und dabei geschickt klassisches und historisches Musizieren miteinander vermischten, war schon einmalig. Jede Note, jeder Takt, jeder Einsatz, jeder Dialog besaß das notwendige Feeling. Und die Präsenz und wohlkalkulierte Intensität, mit der diese Interpretationen ausgefüllt wurden, ließen das Publikum quasi am Entstehungsprozess der Musik teilhaben.

Virtuos und nachdenklich, dramatisch und zart, Faust und Co. zeigten, wie tief und vielschichtig diese Werke von Robert Schumann doch sind, wie modern und wie aussagestark. Alexander Melnikov spielte auf einem Pianoforte, was dem Klavierquartett und dem Klavierquintett dann einen historischen Touch gab, doch der wunderbare Pianist holte alles an Feinheiten und Nuancen heraus, was möglich schien, und passte sein Instrument immer dem herrlichen Klang der drei bzw. vier Streichinstrumente an. Perfekt ausgeglichen war das Streichquartett, bei dem man jedes Instrument in vollen Zügen genießen konnte. Wunderbar, wie sich die verschiedenen Instrumente und Spielarten zu einem über alles stehenden Gesamtklang zusammenfügten. Für den begeisterten Applaus bedankten sich die Künstler mit einer Brahms-Zugabe.

„Fairy Queen“ in neuem Gewand

Zu einer regelrechten Happy Hour kam es einen Tag später im großen Saal der Philharmonie. Wenn sich Barockmusik und Hip-Hop-Tanz begegnen, dann kann man sich auf ein außerordentliches Klang- und Seherlebnis einstellen. Schon in der letzten Spielzeit hatten William Christie und seine Arts Florissants in einem „comédie-ballet“-Programm von Molière überaus erfolgreich Barockmusik und Tanz miteinander kombiniert. Diesmal stand Purcells „Fairy Queen“ auf dem Programm und am Ende wurden alle Beteiligten mit Standing Ovations lange gefeiert. Kein Wunder, denn an diesem Abend passte einfach alles.

Choreograf Mourad Merzouki, der sich auf Hip-Hop in all seinen Facetten bezieht und dabei gerne auf Zirkusakrobatik, asiatische Kampftechniken, Video oder Livemusik zurückgreift, hatte eine kurzweilige und zum Teil spektakuläre Choreografie zu Purcells Musik einstudiert, die die Tänzer und Solisten tatsächlich als ein Ensemble auftreten ließ. Es gab keine Brüche in der Handlung, wenn man bei diesem Werk überhaupt von Handlung reden kann. Atemberaubend war dann die Leistung der fünf Tänzer, einer Frau und vier Männer, die während zwei Stunden quasi permanent in Aktion waren. Anahi Passi, Samuel Florimond, Alary Ravin, Daniel Saad und Thimothée Zig von der Compagnie Käfig begeisterten das Publikum mit tollen Leistungen und zeigten mit sehr viel Überzeugung, wie gut moderner Hip-Hop-Tanz zu barocker Musik passen kann, wird er gekonnt mit der Musik verschmolzen.

Den Sängern schien diese Mischung ebenfalls enormen Spaß zu bereiten, obwohl sie auch hier zum Teil körperlich gefordert wurden. Sopranistin Paulina Francisco, die drei Mezzosopranistinnen Georgia Burashko, Rebecca Leggett und Juliette Mey, die Tenöre Rodrigo Carreto und Ilja Aksionov, Bariton Hugo Merman-Wilson und Bass Benjamin Schilperoort, sie alle verstanden sich als Teil des Ganzen, als Ensemble. Niemand sang oder spielte sich in den Vordergrund, was der Aufführung auch sehr guttat, zumal alle Sänger auf gleich hohem Niveau sangen. Begleitet wurden sie von den wunderbaren Les Arts Florissants unter William Christie, der eigentlich nur die Tutti-Passagen dirigierte, ansonsten aber bei Soli oder wenigen Instrumenten die Musiker einfach mal machen ließ. Solistisch durften sich Emmanuel Resche-Caserta, Konzertmeister, und die Blockflötisten Sébastien Marq und Nathalie Petitbon auch szenisch miteinbringen.