IranSkepsis gegenüber Abschaffung der Sittenpolizei

Iran / Skepsis gegenüber Abschaffung der Sittenpolizei
Eine Frau zeigt während einer Demonstration in Teheran das Victory-Zeichen Foto: Uncredited/AP/dpa

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Iranische Aktivisten und westliche Staaten haben sich am Montag skeptisch zu einer Auflösung der Sittenpolizei im Iran gezeigt und die Bedeutung des Schritts infrage gestellt.

Die US-Regierung widersprach Hoffnungen auf Verbesserung der Lebensbedingungen von Frauen. Derweil kursierten in Online-Medien Aufrufe zu einem dreitägigen Streik im Iran. „Nichts, was wir gesehen haben, deutet darauf hin, dass die iranische Führung ihre Behandlung von Frauen und Mädchen verbessert oder die Gewalt gegen friedliche Demonstrierende einstellt“, erklärte das Außenministerium in Washington.

Der iranische Generalstaatsanwalt Mohammed Dschafar Montaseri hatte am Samstag die Auflösung der Sittenpolizei verkündet. „Die Sittenpolizei hat nichts mit der Judikative zu tun und wurde von denen, die sie geschaffen haben, abgeschafft“, zitierte ihn die Nachrichtenagentur Isna. Seit dem Tod der 22-jährigen Kurdin Mahsa Amini nach ihrer Festnahme durch die Sittenpolizei Mitte September geht eine Protestwelle durch das Land, gegen die Teheran mit Härte durchgreift.

Die Verkündung Montaseris wurde als Geste gegenüber den Demonstrierenden gewertet. Doch Aktivisten zweifelten an den Äußerungen, weil sie eher eine spontane Antwort auf eine Frage bei einer Konferenz zu sein schienen – statt einer klaren Bekanntgabe bezüglich der Sittenpolizei. Sie untersteht dem Innenministerium.

Menschenrechtsaktivisten kritisierten überdies, dass eine Abschaffung nichts an den strengen Kleidervorschriften für Frauen ändere. Die Polizeieinheit aufzulösen, sei „wahrscheinlich zu wenig und zu spät“ für die Demonstrierenden, die nunmehr unverhohlen einen Wandel in der Staatsführung forderten, erklärte Roja Borumand vom Abdorrahman Borumand Center mit Sitz in den USA. „Solange sie nicht alle gesetzlichen Beschränkungen für Frauenkleidung und Gesetze, die das Privatleben der Bürger kontrollieren, aufheben, ist das nur eine PR-Maßnahme.“

Omid Memarian von der Organisation Democracy for the Arab World Now erklärte, die „mutmaßliche Aussetzung der Sittenpolizei des Irans bedeutet nichts, da sie wegen des massiven zivilen Ungehorsams der Frauen und der Missachtung der Hidschab-Vorschriften bereits irrelevant geworden ist“.

Die Kopftuchpflicht sei „eine der Säulen der Islamischen Republik“, sagte Memarian. Diese Gesetze und Strukturen abzuschaffen, würde einen „fundamentalen Wandel in der Identität und Existenz“ bedeuten.

In den Online-Netzwerken gab es derweil Aufrufe zu einem dreitägigen Streik ab Montag. Die Geschäfte im Großen Basar in der Hauptstadt Teheran waren zwar geöffnet, doch die Gänge blieben fast leer. „Wir sind geöffnet, aber wir sind geschlossen, weil keine Kunden da sind“, sagte ein Boutiquenbesitzer. Fotos im Internet zeigten geschlossene Geschäfte in Sanandadsch in der Provinz Kurdistan und aus der drittgrößten iranischen Stadt Isfahan.