SerbienSkandalwahl vor Wiederholung: Belgrad will internationale Untersuchung der Wahlmanipulationen vermeiden

Serbien / Skandalwahl vor Wiederholung: Belgrad will internationale Untersuchung der Wahlmanipulationen vermeiden
Serbiens Präsident Aleksandar Vucic beharrt darauf, dass bei der Wahl nichts krumm gelaufen sei Foto: AFP/Andrej Isakovic

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Nach harter Kritik scheint Serbiens regierende SNS nun auf die Wiederholung der verfälschten Stadtratswahl in Belgrad zu setzen. Offizielle Begründung: die fehlenden Mehrheiten. Doch die SNS will vor allem die vom Europaparlament geforderte Untersuchungskommission zu den Wahlmanipulationen vermeiden.

Nur wenige Wochen waren die emsigen Wahlkampfhelfer von Serbiens regierender SNS aus dem Belgrader Straßenbild verschwunden. Doch am Wochenende läuteten selbst aus der Provinz in die Hauptstadt gekarrte SNS-Aktivisten an Wahlständen und bei Hausbesuchen Serbiens nächste Wahlkampfrunde ein. „Die Autobusse sind wieder unterwegs“, titelte die unabhängige Zeitung Nova zu Wochenbeginn: „Neue Belgrader Wahlen werden immer wahrscheinlicher.“

Ob Stimmenkauf oder aus anderen Städten oder gar aus den Nachbarstaaten angereiste Phantomwähler mit falschen Meldeadressen: Ungewohnt klar und scharf kritisierten heimische und internationale Wahlbeobachtermissionen die von unzähligen Unregelmäßigkeiten überschattete Belgrader Stadtratswahl am 17. Dezember. Während das Europaparlament die Einsetzung einer internationalen Expertenkommission zur Untersuchung des verfälschten Urnengangs fordert, bleibt Serbiens allgewaltiger Präsident Aleksandar Vucic bei seinem Dauermantra von einer Wahl so „sauber wie eine Träne“.

Die Wahlen seien „anständig, fair und transparent“ gewesen, beteuerte am Mittwoch auch seine Strohfrau, die geschäftsführende Regierungschefin Ana Brnabic, anlässlich der Veröffentlichung des 44-seitigen Berichts der Wahlbeobachtermission der OSZE. Es gebe darin „keinerlei Beweise“ für den von der Opposition monierten Stimmenklau: Nur „tausende Lügen“ bestimmter Medien und Parteien hätten eine „monatelange Instabilität und Krise“ kreiert.

Andere sehen das anders. Nicht nur die anhaltende Welle der Kritik an dem verfälschten Urnengang, sondern auch die vom Europaparlament klar formulierte Drohung des Einfrierens von Vorbeitrittsmitteln für den EU-Anwärter bei ausbleibender Umsetzung der empfohlenen Wahlreformen zeigen selbst bei den beratungsresistenten Machthabern in Belgrad Wirkung: Mit dem Szenario einer als „Neuwahl“ bezeichneten Wahlwiederholung hofft die SNS der Kritik den Wind aus den Segeln zu nehmen – und die missliebige Einsetzung einer internationalen Untersuchungskommission zu umgehen.

Keine Mehrheit im Stadtrat

Sie werde eine internationale Untersuchung in Serbien „niemals zulassen“, so Brnabic in einem TV-Interview am Wochenende: „Denn das würde die Abschaffung unserer Souveränität, Gesetze und Institutionen bedeuten.“ Am „wahrscheinlichsten“ seien derzeit Neuwahlen in Belgrad: Denn „keiner“ könne sich im Moment eine Mehrheit im neuen Stadtrat sichern.

Tatsächlich hat der Zerfall der neuen rechtspopulistischen „Wir“-Partei die Mehrheitsbildung im Stadtrat erschwert, aber keineswegs unmöglich gemacht: Es scheint, als ob sich die SNS diese bewusst als Ausrede für die zunächst zurückgewiesene Forderung der Wiederholung der Skandalwahl zunutze machen will.

Während die Opposition auf einer internationalen Untersuchung der Wahlmanipulationen beharrt, auch um deren Wiederholung zu verhindern, scheint Dauerwahlkämpfer Vucic erneut auf die Wahlflucht nach vorn setzen. Seine Kalkulation: Die Ansetzung neuer Stadtratswahlen dürfte ihm auf dem internationalen Parkett eine Atempause verschaffen. Und danach könnte sich die Großwetterlage bei einem Erstarken der Populisten bei der Europawahl oder gar einem Comeback von Donald Trump wieder zu seinen Gunsten verändern.