Fahrrad„Siggy the Cyclist“, „Esch Biken“ und Co. setzen sich für radfreundlichere Städte ein

Fahrrad / „Siggy the Cyclist“, „Esch Biken“ und Co. setzen sich für radfreundlichere Städte ein
Vergangenen Samstag nahmen rund 100 Radler an der Veranstaltung „Reclaim the streets“ in der Hauptstadt teil Foto: Siggy the Cyclist

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Es tut sich was in Sachen sanfte Mobilität in Luxemburg. Die Corona-Krise begünstigte jedenfalls den Aufschwung des Fahrrads. Allerdings ist das Großherzogtum noch meilenweit davon entfernt, ein Radland zu sein. Vor allem im Alltag tauchen immer wieder dieselben Probleme auf. Um daran etwas zu ändern, haben sich in letzter Zeit vor allem über die sozialen Medien Interessengemeinschaften gebildet. Seit Montag läuft eine Online-Petition für eine sichere Radinfrastruktur in der Hauptstadt.  

„Siggy the Cyclist“ heißt der Auftritt, der sich auf Facebook und Twitter für das Radfahren in Luxemburg-Stadt einsetzt. Eine ähnliche Gruppe entstand in Esch, seit einigen Wochen ist dort „Esch Biken“ auf Instagram und Facebook aktiv. Beide haben ein gemeinsames Ziel: die Alltagstauglichkeit der Innenstädte für Radfahrer zu verbessern. Und damit auch die Sicherheit für die Zweiradfahrer.

Noch etwas haben beide gemeinsam: Die treibenden Kräfte wollen am liebsten anonym bleiben, denn sie möchten ihr Engagement als persönlich und nicht als politisch motiviert verstanden wissen. Zudem schreckt der mitunter raue Umgangston bei Debatten zwischen Auto- und Radlobby in den sozialen Medien ab.  

Die Politik ist es, von der sie enttäuscht sind: „Siggy the Cyclist ist aus der Frustration entstanden, weil sich die Politik den Ball immer hin und her spielt, ohne dass sich etwas ändert. Stets ist ein anderer verantwortlich“, sagt Christophe (Name von der Redaktion geändert). „Im Gegensatz zum Ausland wurde nicht vom Lockdown profitiert, um neue Impulse in der sanften Mobilität zu setzen.“ 

Am vergangenen Samstag hatte „Siggy the Cyclist“ unter dem Titel „Reclaim the streets“ (Deutsch: „Holt euch die Straße zurück“zu einer gemeinsamen Fahrt durch die Hauptstadt aufgerufen. Rund 100 Radfahrer folgten dem Appell der Aktivisten. Eigentlich sollte die Veranstaltung „Critical mass“ („kritische Masse“) heißen. „Critical mass“ ist eine weltweite Bewegung, bei der sich Radfahrer zu gemeinsamen Fahrten durch die Innenstädte treffen, um auf die Belange des Radfahrers aufmerksam zu machen. Sie finden in der Regel am letzten Freitag des Monats statt. In Luxemburg wählte man den griffigeren Namen und mit dem Samstag einen Teilnehmer-freundlichen Tag. In Zukunft soll die Veranstaltung aber freitags stattfinden. 

Vélorution

In Esch wurde die erste Auflage von „Critical mass“ unter der französischen Bezeichnung „Vélorution“ im Sommer 2019 organisiert. Auch in diesem Namen verbirgt sich etwas Aufrührerisches, zudem fällt oft der Ausdruck Rad-Guerilla in diesem Zusammenhang. Dabei hat Guerilla wenig mit Untergrund, Krieg und Revolution zu tun, sondern ist eher mit einem urbanen Lebensgefühl gleichzusetzen. Es gibt zum Beispiel das „Guerilla Gardening“, das Anfang des Jahrtausends als friedlicher politischer Protest anfing, inzwischen aber mit urbanen Gärtnern gleichzusetzen ist. 

Als Protest ist „Critical mass“ oder „Vélrorution“ aber durchaus zu verstehen. „Mit kleinen Mitteln können wesentliche Verbesserungen erzielt werden, das zeigen Beispiele im Ausland zuhauf“, sagt Christophe. Dass Bürgermeisterin Lydie Polfer (DP) unlängst in einem Interview auf Radio 100,7 behauptete, die Stadt könne in Sachen Radinfrastruktur wegen der Lage als Festung nicht mehr machen, bringt Christophe und seine Mitstreiter auf die Palme. Deshalb setzte „Siggy the Cyclist“ am Montag eine Petition online, die die Verbesserung der Infrastruktur für Fahrräder in der Stadt fordert.

Der Gemeinderat wird darin aufgefordert, für mehr Sicherheit für die Radfahrer zu sorgen. Auf dem gesamten Territorium der Stadt soll das Radwegenetz zusammenhängend und sicher sein. Des Weiteren werden zwei zentrale Radwege gefordert: einer von Nord nach Süd und einer von West nach Ost. Der Forderungskatalog umfasst noch weitere acht Punkte, die allesamt der Sicherheit des Radfahrers zugutekommen. „Ziel ist es, das Thema auf die Agenda des Gemeinderates zu setzen, und dafür soll die schweigende Mehrheit mobilisiert werden“, schließt Christophe. Nach einem Tag hatte die Petition am frühen Dienstagnachmittag bereits 160 Unterschriften erreicht. 

 

Siggy Stardust
9. September 2020 - 22.32

@ J. Walker: “Woher nehmen die Fahrradfahrer ihre Arroganz”? Ganz einfach, die haben einen Schutzpatron, den Hl. Christophorus der Radfahrer, Freunde nennen Ihn Fränz.????

Jemp
9. September 2020 - 17.50

Ich bin am Sonntag von Wilwerwiltz bis nach Kautenbach durch das Tal der Clerf/Wiltz über den herrlichen Radweg spazieren gegangen. Mir begeneten auf der ganzen Strecke 1 Radfahrer und 5 Fußgänger. Allerdings fuhren auf der dreibahnigen N7, wo viel Autoverkehr war, gleichzeitig sehr viele Radfahrer, sogar ganze Trupps neben- und durcheinander, wie ich auf dem Rückweg nach Weiswampach feststellen musste. Ich finde es normal, dass man in Städten hie und da einem Radfahrer begegnet, aber was haben die auf der gefährlichen N7 verloren?

J. Walker
9. September 2020 - 14.20

Schiffe, LKW’s, PKW’s Motorräder und Millionen von Fahrräder teilen sich die Stadt Groningen im Norden von Holland, wo ich gerne verweile. Alle kommen miteinander klar und respektieren sich. In Luxemburg hab ich mehr Angst vor Fahrradfahrer als vor Autos. Die benehmen sich wie die GT Fahrer in den 70er. Woher nehmen die Fahrradfahrer diese Arroganz in Luxemburg?

Realist
9. September 2020 - 10.26

Der Altersdurchschnitt der autochtonen Bevölkerung steigt, während junge Neuankömmlinge sich in der Regel so schnell wie möglich einen PS-starken Boliden anschaffen wollen, das Wetter ist über einen grossen Teil des Jahres nasskalt, aber alle reden vom Fahrrad als Verkehrsmittel der Zukunft. Irre.

Jo Ech
9. September 2020 - 9.04

Da geht noch viel mehr als Lydie Polver glaubt. Die Forderungen der Petition sind konstruktiv und realistisch. Wenn diese umgesetzt wuerde, kaeme es zu einer beachtlichen Verringerung des Autoverkehrs, welches die gesamte Verkehrssituation wiederum verbessern wuerde. Es wuerde also auch die Situation der Autofahrer verbessern, ausserdem wuerde es mehr Kunden in die Geschaeftsstrassen locken. All dies sind keine Phantasien sondern in anderen Staedten ist dies laengst umgesetzt und hat sich als vernuenftig erwiesen. Win-Win. Der CSV-DP Gemeinderat hat wohl nur Angst vor den Vorurteilen und Wut der Autofahrer. Aber Politik muss mutig und progressiv sein.

tania
8. September 2020 - 16.59

Anstatt die Autos aus den Innenstädten raus zu halten bauen wir 'Shared-Spaces' wo die Autos nun zwischen Kutschen, Fahrrädern und Terrassenstühlen durch rasen. Kontrolliert wird nie.