
In den letzten Jahren hat man bei der Top-Qualität des Luxembourg Philharmonic fast vergessen, dass das Orchester auch manchmal noch zu nur mittelmäßigen Konzerten fähig ist. Das war am vergangenen Donnerstag nämlich der Fall, wo das Luxembourg Philharmonic unter Gustavo Gimeno ein reines Brahms-Programm zusammengestellt hatte. Im ersten Teil durfte die Artist-in-residence-Pianistin Hélène Grimaud im 1. Klavierkonzert ihr phänomenales Können unter Beweis stellen und ließ das Publikum an einer äußerst spannenden, oft bis in die Extreme gehenden Interpretation teilnehmen. Grimaud kennt das Werk natürlich in- und auswendig, doch man spürt in keinem Moment eine ungesunde Routine. Vielmehr schärft die Pianistin die Akzente, insbesondere im Kopfsatz und im Finale geht sie gerne Risiken ein und meißelt die Musik quasi aus dem Stein, um dann aber wieder zu einer wunderschönen, harmonischen und melodischen Linie zurückzukehren. Trotz der emotionellen Extreme bleibt die Musik immer in einer Balance. Es ist ein eher unruhiger Brahms, der eigentlich nur im langsamen Mittelteil zu sich findet.
Die Orchestermusiker fanden im ersten Satz allerdings schwer zusammen, da wollte vieles nicht klappen und das Orchester klang an vielen Stellen nicht homogen. Gimeno dirigierte etwas uneinheitlich, sodass die Musik nur schwer aus sich hinauswachsen konnte. Hat es an den Wünschen der Pianistin gelegen, dass er das Tempo manchmal stark zurückgenommen hat, oder war es durch die Unsicherheit im Orchester bedingt? Jedenfalls können Gimeno und das Luxembourg Philharmonic es normalerweise viel, viel besser. Sehr schön dann der 2. Satz, obwohl es auch hier etwas an Innenspannung mangelte. Am besten gelang dem Orchester dann der letzte Satz, bei dem dann auch noch einmal die Pianistin Hélène Grimaud ihr unwahrscheinlich intensives und virtuoses Spiel auf die Spitze trieb und einen atemberaubenden Schluss hinlegte.
Auch im zweiten Konzertteil taten sich die Musiker mit Brahms’ 4. Symphonie eher schwer. Man hatte den Eindruck, dass Gustavo Gimeno nicht so richtig den Zugang zu Brahms’ Musiksprache fand. Vieles wirkte gekünstelt, Melodiebögen wollten sich nicht so richtig entwickeln. Doch immer wieder gab es betörend schöne und ergreifende Momente, wie im 2. und 4. Satz, aber kohärent und fließend war das nicht. Viel Unsicherheit in den Pulten, einige falsche Töne und ein seltsam kompaktes, flaches Klangbild lassen uns diesen Konzertabend schnell vergessen.
Schostakowitsch vs. Huster
Zusammen mit der Cellistin Sol Gabetta bestritt Hélène Grimaud dann einige Tage später einen ebenso intensiven wie virtuosen Kammermusikabend. Das Konzert begann mit den ursprünglich für Klarinette und Klavier geschriebenen Fantasiestücken op. 73 von Robert Schumann. Die beiden Interpretinnen fanden dann auch ab der ersten Note zusammen und man merkte in jedem Moment, dass beide ein eingespieltes Team sind. Obwohl Gabetta und Grimaud zwei sehr unterschiedliche Temperamente haben und das auch in ihrem Spiel deutlich wird, waren es genau diese Gegensätze, die diese besondere Dynamik dann auch förderten. Auf der einen Seite das vollmundige und virtuose Spiel der Cellistin, auf der anderen der feinfühlige, poetische und sehr differenzierte Anschlag der Pianistin. Beides zusammen ergab eine hochinteressante und äußerst lebendige Mixtur. Dies auch bei der wundervollen 1. Sonate für Cello und Klavier von Johannes Brahms. Gerade hier bewährte sich Gabettas vibrierendes und sehr rundes Spiel, das immer wieder wunderbare Klangwelten hervorzauberte. Grimaud zeigte, dass sie auch sehr kraftvoll agieren und trotzdem ihren kristallklaren und feinnervigen Klang bewahren kann.
Sensationell dann die Interpretation von Dimitri Schostakowitschs Sonate für Cello und Klavier op. 40 aus dem Jahre 1934. Diese Sonate, die zu den großartigsten Kammermusikwerken des 20. Jahrhunderts zählt, lebte dann auch von der sehr leidenschaftlichen Interpretation beider Künstler, die im einmaligen Largo, wo die Musikerinnen die Musik fast zum Stehen brachten, ihren Höhepunkt fand. Selten hat man Momente der Stille so tief empfunden wie hier, obwohl wieder einmal einige lautstarke Huster die Einmaligkeit dieser Momente regelrecht zunichtemachten. Welch eine Respektlosigkeit gegenüber Musikern und Publikum, und ich frage mich immer wieder, wie es möglich ist, dass halbwegs gebildete Leute solch ein rücksichtsloses Verhalten an den Tag legen. Glücklicherweise ließen sich Gabetta und Grimaud nicht aus dem Takt bringen und gestalteten die ganze Sonate mit einer solchen Intensität und Humanität, dass sie uns noch lange im Gedächtnis bleiben wird. Der begeisterte Applaus war berechtigt und die beiden Musikerinnen bedankten sich mit drei vollendet gespielten Zugaben. Am 9. und 10. Juni 2024 sind dann die nächsten Termine mit Hélène Grimaud.

De Maart
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