Freitag7. November 2025

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Neue Repressionswelle in BelarusSicherheitsorgane dürfen nun Schusswaffen gegen Demonstranten einsetzen

Neue Repressionswelle in Belarus / Sicherheitsorgane dürfen nun Schusswaffen gegen Demonstranten einsetzen
Umarmung: Journalistin Borisewitsch nach ihrer Freilassung Foto: AFP

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In Belarus haben die Behörden das wichtigste unabhängige Nachrichtenportal des Landes vom Netz genommen. Auch sonst wächst der Druck auf die Opposition.

Mitten in einer neuen Repressionswelle gegen unabhängige Medien in Belarus wurde am Mittwoch Katerina Borisewitsch aus dem Gefängnis entlassen. Sechs Monate hatte die junge Journalistin in der Stadt Gomel für einen Videostream für das Nachrichtenportal tut.by aus einem Minsker Hinterhof eingesessen. Dort hatten im Herbst Anwohner gegen die Ermordung des oppositionellen Künstlers Raman Banadarenka durch Schergen des autokratischen Regimes protestiert. Banadarenka war mit Todesfolgen zusammengeschlagen worden, als er die Entfernung verbotener weiß-rot-weißer Bänder, der Erkennungsfarben der Opposition sowie der traditionellen Landesflagge von 1918 und 1991, stören wollte.

Zum Verhängnis wurde der Journalistin Borisewitsch die Wahrheit. Sie berichtete nämlich, der ermordete Banadarenka sei nicht alkoholisiert gewesen und störte damit die offizielle Version von Bandarenkos Tod. „Sie haben es nicht geschafft, mich zu brechen“, berichtete die tut.by-Journalistin freudestrahlend vor dem Gefängnis in Gomel. Sie wolle weitermachen und weiter die Wahrheit berichten, ließ die Journalistin durchblicken. Allerdings hatten die Behörden just am Tag zuvor das Newsportal ihres Arbeitgebers tut.by geschlossen.

Sie haben es nicht geschafft, mich zu brechen

Katerina Borisewitsch, tut.by-Journalistin

Sondereinheiten der Steuerfahndung hatten gestern die Minsker Zentrale sowie mehrere Regionalniederlassungen des beliebtesten belarussischen Nachrichtenportals gestürmt, die Räume durchsucht, Dokumente, Laptops und Technik beschlagnahmt. Wer in der Redaktion war, wurde festgenommen. Die Privatwohnung von Chefredakteurin Marina Slotowa wurde kurz darauf gewaltsam aufgebrochen, die Frau vor den Augen ihrer kleinen Tochter abgeführt.

Drakonische Strafen

Zuletzt hatte sich jeder dritte Belarusse auf tut.by informiert. Das an sich unpolitische Portal bestach durch einen betont sachlich gehaltenen täglichen Newsstream, auf dem am Ende möglichst jeder noch so kleine Protest mit weiß-rot-weißen Bändern gegen die Diktatur dokumentiert wurde. 14 Redakteure, Fotografen und Journalisten wurden festgenommen, und die beliebte Newsseite blockiert. Eine Miteigentümerin blieb auch am Mittwoch verschwunden.

Der Sturm auf die Redaktion von tut.by passt ins Bild der jüngsten Repressionswelle gegen unabhängige Medien und die letzten mutigen Demonstranten. Erst Ende letzter Woche waren zwei Reporter, die vor einem Gericht in der Stadt Mohylew auf das Ende eines nicht öffentlichen Prozesses warteten, zu 20 Tagen Arrest verurteilt worden, weil es sich dabei angeblich um einen illegalen Protest gehandelt habe. Am selben Tag kam es zu der bisher schwersten Strafe seit Beginn der Proteste am 9. August 2020. Ein Generalstabsoffizier wurde zu 18 Jahren Haft verurteilt, weil er einem von Polen sendenden oppositionellen Telegram-Kanal ein Foto eines Dokuments zugespielt hatte. Das Schreiben beweist, dass das Innenministerium im August Truppen zur Bekämpfung der Protestwelle anforderte.

Am Montag hat nun hat Autokrat Lukaschenko eine Gesetzesnovelle unterschrieben, die künftig den Einsatz von Schusswaffen gegen Protestierende in jeder Situation erlaubt. „Die belarussischen Autoritäten töten die Medien, genauso wie sie uns in den Straßen und Gefängnissen töten“, kommentierte die mutmaßliche Wahlsiegerin vom 9. August, Swetlana Tichanowskaja, in einer Videobotschaft aus ihrem Zwangsexil in Vilnius.