Stellen Sie sich vor, Sie erhalten plötzlich eine Nachricht von einer Person, die intime Bilder von Ihnen besitzt und droht, diese öffentlich zu machen. Der Preis für Ihr Schweigen: Geld, mehr Bilder oder Videos. Genau das ist die Realität hinter „Sextortion“, einer immer häufiger auftretenden Form der Erpressung im digitalen Raum. Laut Justizbehörde gab es im Jahr 2023 insgesamt 115 Fälle dieses Phänomens in Luxemburg. Das schreibt Innenminister Léon Gloden (CSV) am Donnerstag in seiner Antwort auf eine parlamentarische Anfrage von Marc Baum („déi Lénk“).
Rechtlich gesehen gelte das Phänomen als eine Form der Erpressung und werde durch die Bestimmungen des Strafgesetzbuchs geregelt. Der rechtliche Rahmen für die Anzeige und die Entschädigung von Opfern unterscheide sich nicht von anderen Straftaten, die unter das Strafgesetzbuch fallen.

Täter bleiben oft anonym und unbestraft
Laut Justizbehörde gab es im Jahr 2022 insgesamt 36 Fälle von „Sextortion“ – für 2024 sind bislang 90 Fälle dokumentiert. In keinem der in der Grafik dokumentierten Fälle sei es zu einer Verurteilung des Täters gekommen, weil dieser in den meisten Fällen anonym vom Ausland aus operiere. Zudem erschwere das Fehlen von elektronischen Beweisen die Verfolgung dieser Art von Straftaten.
Die „Bee Secure Helpline“
Die „Bee Secure Helpline“ ist ein Beratungsdienst, der vom „Kanner-Jugendtelefon“ (KJT) betrieben wird. Kinder, Jugendliche und Erwachsene können sich dort melden, um kostenlose, anonyme und vertrauliche Informationen und Unterstützung zum Thema verantwortungsvoller Umgang mit Informations- und Kommunikationstechnologien zu erhalten. Die Helpline ist zudem Teil des europäischen Insafe-Netzwerkes, welches sich für Sensibilisierungs- und Bildungsprojekte einsetzt.
Der Beratungsdienst Bee Secure Helpline verzeichnete laut Jahresbericht im vergangenen Jahr insgesamt 492 Anrufe. In 60 Fällen ging es dabei um „Sextortion“, was im Bericht als „auffällig“ bezeichnet wird. Zudem sei es ein deutlicher Anstieg im Vergleich zum Jahr 2022, denn da waren es insgesamt 30 Anrufe. Vermutlich seien mehr männliche Anrufer Opfer von „Sextortion“ geworden. Laut Innenminister sind die Opfer „häufig junge Männer, die über Dating-Plattformen, soziale Netzwerke und Messenger-Apps dazu verleitet werden, sich auf das Spiel der Täter einzulassen, indem sie ihnen explizite Inhalte schicken“. Mit diesen Inhalten werde dann versucht, sie zu erpressen.
„Genau wie die nicht einvernehmliche Weitergabe intimer Bilder löst Sextortion Emotionen wie Angst, Panik, sowie ein starkes Gefühl von Scham und Hilflosigkeit aus, die wir in unserer Beratung ernst nehmen“, steht im Jahresbericht des „Kanner-Jugendtelefon“.
Präventionsarbeit und Sensibilisierung
Bee Secure sensibilisiert laut Gloden regelmäßig die Öffentlichkeit durch Aktionen, so zum Beispiel die Kampagne „Keep your space safe“, die im Frühjahr gestartet ist und deren Hauptbotschaft „Überprüfe neue Freunde in sozialen Netzwerken, bevor du ihnen vertraust“ lautet. Diese Botschaft sei auch Teil der Schulungen für Grundschulklassen, die Bee Secure ab dem Zyklus 3.2 der Grundschule anbietet, um Schüler auf die Gefahren des Kontakts mit Fremden im Internet zu sensibilisieren – so zum Beispiel „Sextortion“, aber auch „Grooming“, sentimentale Betrügereien und andere illegale Aktivitäten.
Darüber hinaus habe Bee Secure seit dem Frühjahr das Format „Bee Secure Update“ für die direkte Kommunikation mit den Schulen in Form von Mailings an Schulleitungen und Lehrkräfte der Grund- und Sekundarschulen eingeführt. Das Ministerium für Bildung, Kinder und Jugend (MENJE) habe zum Schuljahresbeginns 2024/2025 außerdem eine Reihe von Aktionen in Schulen und Gymnasien gestartet, um den Herausforderungen der Digitalisierung zu begegnen. Daneben sei das „Eltereforum“ für die Sensibilisierung der Eltern zuständig.
Betroffene sollen schnell handeln
Auch das Ministerium für Gleichstellung der Geschlechter und Vielfalt biete in Grund- und Sekundarschulen Workshops an – zum Beispiel zur Bekämpfung von Geschlechterstereotypen sowie Schulungen und Sensibilisierungen zu sexualisierter Gewalt, sexuellem Missbrauch und häuslicher Gewalt. Das Ministerium arbeite außerdem mit dem CESAS („Centre national de référence pour la promotion de la santé affective et sexuelle“) zusammen, das vom Gesundheitsministerium unterstützt wird. Das CESAS biete pädagogische Instrumente zur affektiven und sexuellen Gesundheit an, darunter den Leitfaden „Let’s Talk About Sex“, Fortbildungen zur Hypersexualisierung und den Podcast „Méi Wéi Sex“ in Zusammenarbeit mit Radio ARA.
Die Website www.violence.lu biete ebenfalls Informationen zu neuen Formen sexueller Gewalt durch soziale Netzwerke und Technologien, sowie nützliche Kontakte.
Was tun, wenn ein Bild in den Umlauf gerät?
Bee Secure rät, bei der Verbreitung unerwünschter Bilder seine Sorgen und Ängste mit Freunden, Familie oder einer Beratungsstelle zu teilen. Die betroffenen Inhalte sollten schnellstmöglich gemeldet werden, da soziale Netzwerke und Webseiten zur Einhaltung von Bildrechten verpflichtet sind. Sie müssen diese also löschen, wenn sie darum gebeten werden. Bevor man die Polizei einschaltet, sollte man die Person, die das Bild veröffentlicht hat, auf den Verstoß gegen das Recht am eigenen Bild hinweisen. Wenn dies nicht hilft, sollte eine Anzeige bei der Polizei erstattet werden. Allgemein ist es wichtig, sofort zu handeln – nur so kann der Schaden möglichst gering gehalten werden.
De Maart
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