22. Dezember 2025 - 7.52 Uhr
Akt.: 22. Dezember 2025 - 8.16 Uhr
EU-AnwärterSerbien manövriert sich zusehends ins Abseits: Europapolitik der beleidigten Leberwurst
Zwei sich selbst vom Beitrittszug abgehängte EU-Anwärter üben sich auf dem Abstellgleis der europäischen Integration trotzig im Schulterschluss. Georgien könne auf „die serbische Stimme zählen“, versicherte Serbiens autoritär gestrickter Staatschef Aleksandar Vucic letzte Woche bei der von ihm als „historisch“ gepriesenen Belgrad-Visite seines ähnlich getakteten Amtskollegen Michail Kawelaschwili – und kündigte die Eröffnung einer Botschaft in Tiflis sowie die verstärkte Kooperation der Rüstungsindustrie beider Staaten an.
Artig gab der Gast die Komplimente zurück. Dabei erinnerte Kawelaschwili nicht nur an die „christlich-orthodoxen Werte“, die die beiden Staaten einten. Wie Georgien habe auch Serbien erfahren, „dass die europäischen Bürokraten doppelte Standards“ handhaben, so der Mann, der als Strohmann von Georgiens russophilem Milliardär Bidsina Iwanuschwili gilt: „Wir hoffen, dass die europäische Bürokratie fair sein wird und wir Teil der EU sein werden.“
Vucic als Don Quichotte
Doch von dem offiziell noch immer deklamierten Ziel der EU-Mitgliedschaft scheint der größte Beitrittskandidat auf dem Westbalkan zunehmend ebenso weit entfernt wie das bereits seit Längerem auf offenem Konfrontationskurs zu Brüssel segelnde Regime in Georgien. Aus Verärgerung über den selbstverursachten Dauerstillstand bei den Beitrittsverhandlungen hat Belgrad letzte Woche gar den Westbalkan-Gipfel der EU boykottiert.
Er glaube, dass er mit diesem Schritt die serbischen „Interessen schütze“, begründet Vucic seine Europapolitik der beleidigten Leberwurst. Denn egal, ob dies Washington, Moskau oder Brüssel gefalle, „Serbien steht immer auf seiner eigenen Seite“, mimt er wieder einmal den unerschrockenen Don-Quichotte-Kämpfer im Kampf gegen die übermächtigen Mühlen der Großmächte.
Doch weder vom serbischen Gipfelboykott noch von Belgrads neuem Paria-Bündnis mit Tiflis zeigt sich Brüssel sonderlich beeindruckt. Man nehme die Absage von Vucic „mit Bedauern“ zur Kenntnis, doch letztendlich sei es dessen Entscheidung, so diplomatisch kühl die Reaktion des EU-Rats.
Rechtsstaatliche Mängel
Wegen rechtsstaatlicher Mängel, demokratischer Defizite, Gängelung der Medien, Verweigerung der Russland-Sanktionen sowie der ausbleibenden Fortschritte bei der Verständigung mit Kosovo haben die EU-Partner wie erwartet im vierten Jahr in Folge Serbien die Eröffnung neuer Verhandlungskapitel verweigert. Als „impulsive Entscheidung eines beleidigten Herrschers“ bewertet die Zeitung Danas dessen Gipfelabsage – und den demonstrativen Schulterschluss mit Tiflis. Als Nächstes sei wohl mit dem Besuch des weißrussischen Dauerregenten Aleksandar Lukaschenko zu rechnen.
„Reise weiter, Europa – und warte nicht mehr auf uns“, reagierte derweil die regierungskritische Zeitung Nova auf den jüngsten Schuss Belgrads ins eigene Knie: „Wenn sich die Dinge und diese Machthaber nicht ändern, wird Serbien wie in den 90er Jahren wieder zur tiefsten Peripherie.“
Tatsächlich dürfte der schmollende Ex-EU-Hoffnungsträger Vucic seinem Land mit der Politik der Selbstisolierung auch wirtschaftlich keinen Gefallen tun. Mehrmals, aber vergeblich, hat der Ausländische Investorenrat (FIC) Belgrad zur „Intensivierung“ und Beschleunigung der EU-Beitrittsverhandlungen gedrängt. Doch statt sich der EU anzunähern, scheint sich Serbien stets weiter und schneller von ihr zu entfernen.
Die Folgen bleiben nicht aus. Auch wegen der anhaltenden Politturbulenzen in Belgrad haben sich die ausländischen Direktinvestitionen 2025 laut der EU-Kommission halbiert. Selbst kontroverse Investoren scheinen angesichts der rechtsstaatlichen Mängel und des diskreditierten Rufs der Belgrader Machthaber zunehmend die Lust auf ein Engagement zu verlieren.
De Maart
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