UkraineSelenskyj zeigt sich siegesgewiss und pocht auf rechtzeitige Militärhilfe

Ukraine / Selenskyj zeigt sich siegesgewiss und pocht auf rechtzeitige Militärhilfe
Weltweit gab es am Wochenende, am zweiten Jahrestag des Krieges, Protestaktionen gegen den russischen Angriff, u.a. in Stockholm Foto: AFP/Caisa Rasmussen

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„Wir werden siegen“, sagte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj am Samstag, dem zweiten Jahrestag des russischen Angriffs, bei einer Gedenkveranstaltung mit mehreren westlichen Regierungsvertretern nahe Kiew. Später mahnte er bei einer G7-Videokonferenz „rechtzeitige“ Militärhilfe an.

Der russische Präsident Wladimir Putin müsse „alles verlieren, wie hier in Hostomel“, sagte Selenskyj mit Blick auf die Kämpfe um den Flugplatz in Hostomel. Der Militärflugplatz war in den ersten Kriegstagen von russischen Einheiten erobert worden, die später aber wieder von der ukrainischen Armee vertrieben wurden.

Begleitet wurde Selenskyj bei der Veranstaltung von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni, dem belgischen Ministerpräsidenten Alexander de Croo sowie dem kanadischen Premierminister Justin Trudeau, die am Morgen zu Solidaritätsbesuchen in der Ukraine eingetroffen waren. Von der Leyen würdigte „den außergewöhnlichen Widerstand des ukrainischen Volkes“. Die EU stehe fest an der Seite Kiews. „Bis das Land endlich frei ist“, betonte die EU-Kommissionspräsidentin im Onlinedienst X.

An Russland gewendet hatte Luxemburgs Außenminister Xavier Bettel Ende letzter Woche gesagt, dass es für „Dialog“ bekanntlich zwei Gesprächspartner brauche. Leider sei das Ende des Krieges für Russland wohl die „allerletzte Priorität“, bedauerte er. Auch unterstrich er, dass es in Kiew wohl nicht mehr Nazis gebe als in Moskau oder St. Petersburg. „Es ist eine Schande, zu behaupten, dass die ukrainische Regierung Nazis unterstütze und dass das Land voller Nazis sei.“ Und zu behaupten, dass man heute Russland gegen Nazis verteidigen müsse, sei eine Schande gegenüber den vielen Opfern im Zweiten Weltkrieg. Einen Krieg anzufangen, sei kein Zeugnis von politischer Größe, so Bettel weiter. Von Größe zeuge eher, bereit zu sein, eigene Fehler zuzugeben. „Ich kann nur sagen: Russland ist der Aggressor. Und wir werden die Ukraine weiter unterstützen.“

„Wir unterstützen euch jeden weiteren Tag, auch mit Waffenlieferungen“, sagte derweil Deutschlands Bundesaußenministerin Annalena Baerbock. Sie räumte jedoch ein, dass „viel mehr Munition, viel mehr Luftverteidigung, viel mehr Artillerie“ nötig sei. Bei ihrem Besuch an diesem Wochenende kam sie dem Krieg dann plötzlich sehr nahe: Ukrainische Sicherheitsleute sichteten eine russische Aufklärungsdrohne, als sie am Sonntag die frontnahe ukrainische Stadt Mykolajiw besuchte. Die Ukrainer wissen: Auf solche russischen Aufklärungsdrohnen folgt in der Regel ein direkter russischer Luftangriff. Baerbock brach den Besuch sofort ab. Eine Weile noch folgte die Drohne der Kolonne der Ministerin – dann drehte sie ab.

Russland wieder in der Offensive

Die russische Armee war auf Putins Befehl am 24. Februar 2022 in die Ukraine einmarschiert. Nach mehr als einem Jahr festgefahrener Kämpfe geht Moskau mittlerweile vor allem in der Ostukraine wieder in die Offensive. Die ukrainischen Soldaten leiden unterdessen zunehmend unter Munitionsmangel.

Selenskyj fordert immer wieder beschleunigte Munitions- und Waffenlieferungen von den westlichen Verbündeten. „Sie wissen sehr gut, was wir zum Schutz unseres Himmels benötigen, zur Stärkung unserer Bodentruppen, und Sie wissen, was wir brauchen, um uns zu behaupten“, sagte Selenskyj am Samstag bei einer Videokonferenz der G7-Staaten und fügte hinzu: „Und Sie wissen genau, dass wir all dies rechtzeitig brauchen, und wir zählen auf Sie.“

Von entscheidender Bedeutung für Kiew ist die Unterstützung der USA. In Washington wird jedoch ein neues Ukraine-Hilfspaket in Höhe von 60 Milliarden Dollar (rund 55,7 Milliarden Euro) auf Geheiß von Ex-Präsident Donald Trump, der im November erneut zur Wahl antreten will, seit Monaten von den oppositionellen Republikanern im Kongress blockiert.

Neue Militärhilfe erhält Kiew unterdessen aus Großbritannien. London werde umgerechnet 287 Millionen Euro bereitstellen, um die ukrainische Armee mit „dringend benötigter Artilleriemunition“ zu versorgen, erklärte das britische Verteidigungsministerium. Am Donnerstag hatte Großbritannien die Lieferung von 200 weiteren Panzerabwehrraketen bestätigt. Zudem schlossen in Kiew nach Deutschland, Frankreich und anderen Ländern nun auch Italien und Kanada bilaterale Sicherheitsvereinbarungen mit der Ukraine. Wie das Büro Trudeaus mitteilte, sieht die Vereinbarung in diesem Jahr kanadische Finanz- und Militärhilfe im Umfang von rund 2,2 Milliarden Dollar für die Ukraine vor.

„Licht siegt immer über Dunkelheit“

Von der Leyen kündigte an, dass die EU im März 4,5 Milliarden Euro an Kiew auszahle. Es handele sich um die erste Tranche des kürzlich von den EU-Mitgliedsländern beschlossenen 50-Millarden-Pakets für die Ukraine.
NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg lobte „den Mut und die Entschlossenheit“ der Ukrainer und stellte dem Land erneut eine Mitgliedschaft in der Allianz in Aussicht. Die Lage auf dem Schlachtfeld sei aber „nach wie vor äußerst ernst“, sagte Stoltenberg.

Trotz der Schwierigkeiten an der Front zeigte sich der ukrainische Armeechef Oleksandr Syrsky im Onlinedienst Telegram zuversichtlich, „weil Licht immer über die Dunkelheit siegt“. Der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu sagte nach Armeeangaben bei einem Truppenbesuch in der Ostukraine, der Vorteil „liegt auf unserer Seite“. Russland hatte zuletzt mit der Einnahme der monatelang erbittert umkämpften ostukrainischen Stadt Awdijiwka einen bedeutenden Geländegewinn erzielt.

Am Wochenende wurden in zahlreichen Ländern, von Ungarn über Luxemburg bis Japan und den USA, Solidaritätskundgebungen mit der Ukraine organisiert. Auch in Berlin, Paris, Kopenhagen, London und anderen europäischen Städten wurde demonstriert.

Hälfte der Militärhilfe später als zugesagt

Die vom Westen versprochene Militärhilfe für die Ukraine kommt nach Angaben Kiews in der Hälfte der Fälle später als zugesagt an. „Zusagen bedeuten im Moment nicht Lieferungen“, sagte am Sonntag der ukrainische Verteidigungsminister Rustem Umerow bei einem Diskussionsforum in Kiew zum zweiten Jahrestag des Kriegsbeginns. „50 Prozent der Zusagen werden nicht pünktlich geliefert.“ Durch die verzögerten Lieferungen werde die ukrainische Armee „in der Mathematik des Krieges“ zusätzlich benachteiligt, sagte Umerow weiter. Vor allem angesichts der russischen „Luftüberlegenheit“ bedeute dies „Verlust an Menschenleben, Verlust an Gebieten“. Die ukrainische Armee versuche „alles Mögliche und alles Unmögliche“ im Kampf gegen die russischen Aggressoren, sagte der Minister. „Aber die unpünktlichen Lieferungen schaden uns.“ Trotz der aktuellen Blockade in Washington zeigte sich der ukrainische Regierungschef Denys Schmyhal überzeugt, dass die USA sein Land weiter unterstützen werden. „Wir sind zutiefst überzeugt, dass die USA die Ukraine bei Finanz- und Militärhilfen nicht aufgeben werden“, sagte er bei dem Diskussionsforum in Kiew.