„Ich wünsche dem ukrainischen Volk friedliche Himmel, Toleranz, Kraft und Erfolg dabei, wieder ein ehrwürdiges Leben zu erlangen“, schreibt Alexander Lukaschenko in seiner Grußbotschaft zum ukrainischen Unabhängigkeitstag. Das klingt besonders zynisch, denn der isolierte belarussische Diktator, der seit dem gefälschten Wahlsieg vor zwei Jahren völlig auf Russland angewiesen ist, hat der russischen Luftwaffe mehrere seiner Militärflugplätze für Angriffe auf die Ukraine zur Verfügung gestellt. Dazu werden russische Marschflugkörper aus Belarus auf die Ukraine abgeschossen. Zumindest regnete es von dort aus am Mittwoch keine Raketen auf Kiew.
Trotz einer Reihe von Warnungen über bevorstehende russische Militärschläge gegen Kiew blieb es am Tag der Unabhängigkeit ruhig. Anstelle der früher üblichen Militärparade wurde auf der zentralen Einkaufsstraße Chreschtschatyk von der russischen Armee erbeutete und zerstörte Militärtechnik ausgestellt. Öffentliche Feiern anlässlich der Unabhängigkeitserklärung vor 31 Jahren wurden in Kiew und weiteren ukrainischen Städten aus Sicherheitsgründen untersagt. Stattdessen veröffentlichte das Meinungsforschungsinstitut „Rating“ erhebende Umfrageergebnisse. Demnach fühlen 75 Prozent der Ukrainer „Stolz“, wenn sie an die Ukraine denken. 29 Prozent sprachen von „Traurigkeit“ und 26 Prozent von „Freude“.
Absage an Verhandlungen
Der ukrainische Geheimdienst SBU hat laut eigenen Aussagen vom russischen Geheimdienst FSB orchestrierte Proteste gegen die Militärführung in Kiew, Schytomir und Poltawa vereitelt. In diesen drei Städten sollten demnach Soldatenmütter vor den Rekrutierungsämtern Protestvideos drehen. Die Aktion soll laut SBU von der Bewegung des Corona-Kritikers und heutigen Vize-Gouverneurs der russisch besetzten Oblast Cherson, Kyrill Stremousow, durchgeführt werden.
In einer Rede zum Tag der Unabhängigkeit exakt ein halbes Jahr nach der russischen Invasion vom 24. Februar versprach Staatspräsident Wolodymyr Selenskyj auf dem Kiewer Unabhängigkeitsplatz, dem Maidan, dass die Ukrainer „bis zum Ende“ weiterkämpfen würden, bis das ganze Land in den international anerkannten Grenzen wieder vereinigt sei. „Jeder neue Tag gibt uns einen Grund, nicht aufzugeben“, sagte Selenskyj. Als Ende des Abwehrkampfes sei bisher der Friede bezeichnet worden. „Heute sagen wir: Das Ende ist unser Sieg“, sagte Selenskyj.
Der Ukrainer erinnerte daran, dass niemand der Ukraine zugetraut hätte, so lange gegen Russland standzuhalten und dass dieses halbe Jahr Krieg nicht nur jeden Ukrainer ganz persönlich, sondern auch die ganze Welt verändert habe. „Niemand sagt heute: Die Ukraine liegt irgendwo bei Russland“, meinte Selenskyj, der dann die Unterstützung der wahren Freunde lobte, ohne diese allerdings namentlich zu nennen. „Die Gerechtigkeit hat unsere zynische Welt nicht ganz verlassen“, moralisierte Selenskyj in seiner von den allabendlichen Ansprachen an die Nation bekannten Manier. Selenskyj erteilte in seiner Ansprache erzwungenen Verhandlungen mit Russland eine Absage. „Mit Terroristen werden wir keine Einigung suchen“, warnte er auch jene europäischen Politiker, die geneigt sein könnten, Selenskyj aus Angst vor einer Energiekrise im Winter oder einem atomaren GAU an den Verhandlungstisch mit Putin zu treiben.
Neues US-Hilfspaket
NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg gratulierte den Ukrainern zum Tag der Unabhängigkeit und für ihren Mut in den vergangenen sechs Kriegsmonaten. Er versprach, dass die NATO helfen würde, ohne diese Hilfe konkret zu umreißen. Die USA haben zum ukrainischen Unabhängigkeitstag hin das bisher größte Hilfspaket für Kiew über rund drei Milliarden angekündigt.
Russland versuchte bis Mittwochabend nicht, Kiew zu bombardieren. Wohl aber schickte die russische Armee ein halbes Dutzend Marschflugkörper nach Mirgorod im Oblast Poltawa, wo laut Kiewer Angaben militärische Infrastruktur zerstört wurde. Bei Tscherkassy konnten feindliche Raketen abgeschossen werden. Beide Städte waren bisher kaum Ziele russischer Raketen.
De Maart
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