„Gegen autoritäres Management, politisches Schweigen, ein Klima der Angst und ein zunehmend unsoziales Arbeitsfeld“: Mit diesen Worten richtete sich die Personalvertretung der „Fédération générale de la fonction communale“ (FGFC) am Freitagmorgen bei einem Protest-Piquet vor dem Hauptsitz gegen die Führung des Transportsyndikats TICE. „Et muss opgehale ginn, andauernd Excusen ze sichen, wat gebraucht gëtt, si Léisungen, an dat geet nëmme mat eis, an dofir sti mir haut hei“, sagte Théo Schickes, Präsident der Personalvertretung beim TICE. Was folgte, war eine klare Botschaft: Es gehe nicht um einen Streik, sondern um eine „symbolische Aktion“, die ein Zeichen setzen sollte gegen eine zunehmend restriktive Unternehmensführung. Die Aktion sollte daher nicht gegen ein „Syndicat mixte“ zwischen Staat und Gemeinden gerichtet sein, wie Schickes betonte, sondern gegen „eng onfair a restriktiv Aart a Weis, wou den Alldag ëmmer méi duerch Angschtmaacherei a Schikan gepräägt ass“.
Eine von TICE selbst in Auftrag gegebene Mitarbeiterbefragung Ende 2024 hatte gezeigt, dass 71 Prozent des Fahrpersonals unzufrieden sind, 88 Prozent eine Verschlechterung der Bedingungen sehen und beinahe zwei Drittel einen Jobwechsel erwägen. Unter den Teilnehmenden des Protestes waren auch langjährige Busfahrer, die ihre Frustration über den zunehmenden Druck im Unternehmen offen äußerten. „Ich arbeite seit 27 Jahren beim TICE und bin mein Leben lang gerne arbeiten gekommen, aber seit drei Jahren ist der Druck, der auf die Leute ausgeübt wird, extrem“, sagte ein Fahrer.
Leute kommen krank arbeiten, weil sie Angst haben, Geld zu verlieren
Kontrollarztbesuche trotz Krankschreibung

Im Zentrum der Kritik steht der Kontrollarzt. Nach Angaben der Personaldelegation werde dieser zunehmend als „Druckinstrument“ eingesetzt. Die Delegation beklagt, dass Krankmeldungen mittlerweile fast automatisch Kontrollarzt-Termine nach sich zögen. Besonders empört zeigte sie sich über die Praxis, dass bei einer Bestätigung der Arbeitsfähigkeit durch den Kontrollarzt ein Dreißigstel des Tageslohns einbehalten wird. Viele Fahrer würden deshalb trotz Krankheit zur Arbeit erscheinen – ein Risiko sowohl für sie selbst als auch für die Fahrgäste. „Leute kommen krank arbeiten, weil sie Angst haben, Geld zu verlieren“, betonte Delegationssprecher Schickes in seiner Rede.
Ein weiterer Streitpunkt betrifft die offizielle Darstellung durch die TICE-Führung. Präsident Marco Lux hatte gegenüber dem Luxemburger Wort erklärt, Kontrollarztbesuche trotz Krankschreibung gebe es ausschließlich bei Langzeiterkrankungen. Schickes widerspricht entschieden: Zwischen dem 25. November 2024 und Juni 2025 seien 57 Mitarbeiter einbestellt worden – darunter 27 mit offizieller Krankschreibung. „Kein Einziger davon war ein Langzeiterkrankter“, so Schickes. Tatsächlich sei in 73 Prozent der Fälle die Krankmeldung bestätigt, in 18 Prozent jedoch eine sofortige Rückkehr an den Arbeitsplatz angeordnet worden. Hinter den Zahlen steht laut Schickes eine größere Frage: Warum melden sich in den letzten Jahren immer mehr Mitarbeiter krank? Warum steigt die Zahl jener, die als „inapte“ eingestuft werden? Und weshalb verlassen auffällig viele Beschäftigte den Betrieb aus freien Stücken?
Früher kam man zum TICE, um bis zur Rente zu bleiben. Dieses Klima wollen wir zurück.
Die Personalvertretung erhebt weitere schwere Vorwürfe: Urlaubsrechte würden massiv eingeschränkt, weil das Unternehmen mit einem akuten Personalmangel kämpfe. Von 2024 bis Juni 2025 hätten 28 Beschäftigte gekündigt – siebenmal mehr als im Jahr zuvor. „Ein Viertel der Stellen ist unbesetzt. Zehn Mitarbeiter fehlen bei einem Effektiv von 40“, rechnete Personalpräsident Schickes vor. Die Folgen: Überstunden am laufenden Band, Überbelastung und ein Betriebsklima, das mit Zufriedenheit nichts mehr zu tun habe. „Früher kam man zum TICE, um bis zur Rente zu bleiben. Dieses Klima wollen wir zurück“, so Schickes.
Gewerkschaftsvertreter werfen Innenminister Léon Gloden (CSV) Untätigkeit vor: Sieben Briefe seien unbeantwortet geblieben. Erst am 8. September – zwei Tage vor dem angekündigten Protest-Piquet – lud die Direktion überraschend zu einer Informationsveranstaltung am 17. September ein. Für die FGFC nichts als eine „Alibi-Aktion“, um den Widerstand zu bremsen.
Für die Beschäftigten ist klar: Es geht längst nicht mehr nur um den Umgang mit Krankmeldungen oder die Einführung eines „Syndicat mixte“. Es geht um Respekt, um Vertrauen – und darum, ob TICE noch ein Arbeitgeber ist, bei dem man bleiben möchte. Der Protest war daher weniger ein Ende, sondern ein Anfang: ein Signal, dass Schweigen keine Option mehr ist.
De Maart




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