Donnerstag30. Oktober 2025

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SchwedenSchwedens Ministerpräsident tritt nach Misstrauensvotum ab – gibt aber nicht auf

Schweden / Schwedens Ministerpräsident tritt nach Misstrauensvotum ab – gibt aber nicht auf
Stefan Löfven bei der Ankündigung seines Rücktritts: Der gelernte Schweißer und ehemalige Gewerkschaftsführer hatte die schwedischen Sozialdemokraten 2014 zurück an die Macht geführt Foto: dpa/Stina Stjernkvist

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Nach fast sieben Jahren Rot-Grün tritt Schwedens sozialdemokratischer Premier Stefan Löfven erst einmal ab. Ein Misstrauensvotum zwingt ihn dazu. Nun folgen Verhandlungen, die ihn wieder zurückholen könnten.

Stefan Löfven tritt nach Schwedens feuchtfröhlichen Mittsommer-Feierlichkeiten am Wochenende ab. Eine Woche nach dem von Linkspartei und Rechtsaußen initiierten und schließlich erfolgreichen Misstrauensvotum hat der sozialdemokratische Ministerpräsident am Montag seinen Rücktritt eingereicht. Erst mal. „Ich stehe weiter zur Führung einer Regierung zur Verfügung, die vom Reichstag toleriert wird“, fügte er direkt an. 

Neuwahlen im September, ein Jahr vor den geplanten Parlamentswahlen 2022, mitten in der Pandemie, seien keine gute Lösung für Schweden, warnte er. „Wir befinden uns in einer sehr schweren politischen und parlamentarischen Lage“, so Löfven. Solange keine tragfähige Regierung gefunden wird, bleibt Löfvens Regierung provisorisch im Amt.

Sturz über Mietpreise

Nach den Wahlen im September 2018 dauerte es 134 Tage, bis die sogenannte Januarabsprache zwischen Rot-Grün und weiteren Parteien zustande kam. Nun muss Parlamentssprecher Andreas Norlén wieder schlichten. Mit allen Parteien wird er Gespräche führen. Insgesamt vier Chancen hat er, neue Regierungen vorzuschlagen. So lange wie damals werde es dieses Mal nicht dauern, verspricht er. Die Rechtspopulisten hatten das traditionelle Gefüge da gerade durch ihren kräftigen Stimmenzuwachs um fast sechs auf dann 18 Prozent durcheinandergebracht. Damals war es für Löfven eine Mammutaufgabe, zwei eigentlich fest an das bürgerliche Lager gebundene Parteien zu sich zu führen. Das kostete ihn viele Zusagen – und die Vernachlässigung seiner traditionell verbündeten Linkspartei.

Löfvens rot-grüne Minderheitsregierung wurde seitdem vom rechtsliberalen Zentrum, den Liberalen und der Linkspartei gestützt. Zusammen hatten sie knapp 55 Prozent. Für Löfven war das ein Zukunftsmodell, das die Rechtsextremen langfristig von der Regierung weg halten sollte. Doch die Linkspartei konnte kaum eigene Forderungen durchsetzen. Das Fass lief nun über, als Rot-Grün auch noch freie Marktmieten für Neubauwohnungen ohne sozialstaatliche Deckelung – gemäß Forderungen ihrer rechtsliberalen Stützparteien – genehmigen wollte.

Sie haben die Regierung abgewählt, ohne selbst eine Alternative für die Regierung zu haben

Stefan Löfven, Schwedens Premier nach seinem Rücktritt

Da die Linkspartei selbst zu klein ist, um ein Misstrauensvotum zu initiieren, griffen ihr ausgerechnet die stimmenstarken, fremdenfeindlichen Schwedendemokraten unter die Arme und machten das Misstrauensvotum möglich. Konservative und Christdemokraten hakten sich erfolgreich ein. Eine Woche wurde nun erfolglos nach Kooperationsformen gesucht.

Die Linkspartei erfreute sich seit dem Bruch eines außerordentlichen Zustroms von 1.500 neuen Mitgliedern – ist nun aber wohl doch etwas reumütig geworden, über die Geister, die sie da aus der rechten Ecke rief. So bemüht sie sich inzwischen wieder zaghaft, Löfvens Regierung zu retten. Das Zentrum versuchte sie dabei mit Verzicht auf Steuererhöhungen zu besänftigen. Auch die teils ländlich und sozial orientierte Zentrum-Partei deutete an, man könne vielleicht doch auf völlig freie Mietpreise bei Neubauten verzichten. Da machen die Löfven bisher ebenso stützenden Liberalen aber nicht mit.

Das schwedische System

Das schwedische System verlangt, dass ein Ministerpräsident vom Parlament geduldet wird – er kann sich das Amt sichern, solange eine Mehrheit nicht gegen ihn stimmt. Sollte der jetzt anlaufende Prozess einer Nachfolgersuche scheitern, könnte das Land immer noch vorzeitig Neuwahlen abhalten. Laut einer am Dienstag veröffentlichten Ipsos-Meinungsumfrage würden die Rechten und Rechtsextremen derzeit bei einer Parlamentswahl mit einer sehr knappen Mehrheit gewinnen. (AFP)