„40 Prozent des Wachstums der Eurozone im Jahr 2024 stammen aus Spanien“, sagt Wirtschaftsminister Carlos Cuerpo. Spanien sei mit seinem Aufschwung zum Zugpferd der Europäischen Union geworden. Das Land mit seinen 49 Millionen Einwohnern ist, gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP), nach Deutschland, Frankreich und Italien die viertgrößte Wirtschaftsmacht.
Doch dieses robuste Wachstum steht in starkem Kontrast zu den geringen Verteidigungsausgaben des Landes: Laut NATO-Daten gab Spanien im Jahr 2024 nur 1,28 Prozent seines BIP für Verteidigung aus – so wenig wie kein anderes der 32 Bündnismitglieder. Spaniens Militärausgaben liegen damit weit unter dem von der NATO geforderten Richtwert, bis 2024 zwei Prozent zu erreichen.
Wie sieht es bei den anderen drei großen Wirtschaftsmächten der EU aus? Deutschland und Frankreich haben das Zwei-Prozent-Ziel inzwischen erreicht. Italien, die drittgrößte EU-Volkswirtschaft, hat mit etwa 1,6 Prozent ebenfalls die Zielmarke verfehlt, liegt aber immerhin deutlich über dem Schlusslicht Spanien.
Spanien ist allerdings nicht das einzige NATO-Land unter der Zwei-Prozent-Schwelle: Portugal, Kanada, Belgien, Luxemburg und Slowenien haben die Marke ebenfalls nicht erreicht. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass der Ukraine-Nachbar Polen und die früheren sowjetischen Teilrepubliken Estland, Lettland und Litauen bereits drei Prozent oder mehr für Verteidigung ausgeben.
Es gab noch andere Prioritäten
Trotz des großen Rückstandes in Sachen Militäretat weist Spaniens sozialdemokratischer Premier Sánchez jegliche Kritik zurück: „Spanien ist ein verantwortungsbewusster und engagierter Verbündeter.“ Sein Land habe die Verteidigungsausgaben in den letzten zehn Jahren um 70 Prozent erhöht. 2024 habe Spanien mit mehr als 15.000 Soldaten an insgesamt 17 internationalen Militärmissionen der NATO, der UN und der EU teilgenommen.
Auch Spanien werde das Zwei-Prozent-Ziel erreichen, versicherte Sánchez, wenn auch ein paar Jahre später als die große Mehrheit der anderen NATO-Länder. Bis 2029 sei man so weit, sagte der Premier. Warum so langsam? Weil es in Spanien noch andere Prioritäten gebe, heißt es aus der Regierung: Wohnungsnot, leere Rentenkassen, die mit über zehn Prozent immer noch höchste EU-Arbeitslosenquote und vor allem ein staatlicher Schuldenberg von mehr als 100 Prozent des BIP, der trotz Wirtschaftsboom nur langsam kleiner wird.
Doch der internationale Druck auf Madrid, mehr für die Verteidigung zu tun, steigt: „Das vor einem Jahrzehnt festgelegte Ziel von zwei Prozent wird nicht ausreichen, um die Herausforderungen von morgen zu bewältigen“, sagt NATO-Generalsekretär Mark Rutte. „Die Bedrohung durch Russland mag weit entfernt erscheinen, aber ich kann versichern, dass sie es nicht ist.“ Rutte will eine neue Zielmarke von mindestens drei Prozent durchsetzen. Auch, weil die Zusammenarbeit mit den USA zerrüttet und von Europa mehr militärische Eigenverantwortung gefordert ist.
Weit weg von internationalen Konflikten
Spanien muss sich darauf einstellen, seine Verteidigungsausgaben mittelfristig zu verdoppeln oder sogar zu verdreifachen. Das ist auch innenpolitisch ein heißes Eisen. In der Mitte-links-Regierung aus Sánchez’ Sozialdemokraten und der kleinen Linksallianz Sumar knirscht es deswegen. Die Sumar-Anführerin und Vize-Regierungschefin Yolanda Díaz bremst bereits in Sachen Aufrüstung. Spaniens konservativer Oppositionsführer Alberto Núñez Feijóo verspricht derweil, die Militärausgaben auf wenigstens drei Prozent des BIP zu erhöhen, falls seine Partei an die Regierung kommt.
Nur: Wie soll das bezahlt werden? Laut einer Umfrage der nationalen Zeitung El Mundo lehnt eine große Mehrheit der Spanier Steuererhöhungen zur Finanzierung der Verteidigung ab. Hinzu kommt: Militärausgaben waren in Spanien in den letzten Jahrzehnten nie eine Priorität. Auch weil Spanien vergleichsweise weit weg von der Ukraine und anderen internationalen Konflikten liegt.
„Spanien ist ein sicheres Land“, wirbt das Fremdenverkehrsamt. Immer mehr Urlauber kommen – und auch immer mehr ausländische Immobilienkäufer. Inzwischen wird jeder fünfte Immobilienerwerb durch einen nicht spanischen Käufer getätigt. Darunter sind eine wachsende Zahl von Bürgern aus der Ukraine oder dem benachbarten Polen, die sich sogenannte „Fluchtimmobilien“ in Spanien zulegen.
De Maart
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