Als Seu Jorge am Samstagabend unter frenetischem Jubel die Bühne betritt, merkt er schnell, dass er ein Heimspiel hat. Seine ersten Worte zum Publikum spricht er noch auf Französisch, dann wechselt der aus einem Vorort von Rio de Janeiro stammende Musiker, der traditionellen Samba mit Funk, Jazz und Soul verbindet und in Brasilien ein Superstar ist, ins Portugiesische seiner Heimat über. Dass er bei Konzerten in Europa oder anderswo auf der Welt auf viele Brasilianer trifft, ist nichts Neues für ihn, denn schließlich ist die brasilianische Community ein globales Phänomen. Aber vielleicht dürfte er sich angesichts der Dominanz seiner Landsleute unter den Zuschauern in dem bis auf den letzten Stehplatz vollen Konzertsaal gewundert haben.

Ab seinem ersten Song „Mina do condomínio“, einem seiner bekanntesten, in dem er ein Mädchen aus seinem Viertel besingt, geht das Publikum mit, das sich bis zum Schluss des Konzerts als sehr textsicher erweist. Seu Jorge, der seine Sonnenbrille erst im zweiten Teil absetzt und immer wieder cool-lässig über die Bühne tänzelt, reißt die leicht mehrheitlich weiblichen Zuschauer mit. Begleitet wird er von einer Combo namens Conjuntão Pesadão aus Gitarristen, Perkussionisten und einem furiosen Bläsertrio aus Saxophon, Klarinette und Trompete, das gewaltig mitswingt. Selbst greift er bisweilen zur Gitarre und stellt sein musikalisches Multitalent unter Beweis.

Die ersten Stücke müssen das Publikum erst gar nicht mal groß in Fahrt bringen. Der Funke ist schon im ersten Moment übergesprungen. Wenn Seu Jorge seine Klassiker wie etwa „Carolina“ oder „Tive Razão“ zum Besten gibt, geht ein Aufschrei durch den Saal. Einige Zuschauerinnen können nicht davon ablassen, ihre Smartphones in die Höhe zu strecken, um jenen Tag zu dokumentieren, an dem Seu Jorge Luxemburg eroberte. Wenn die Gastmusiker wie etwa Magary Lord von der Bühne treten, ruft eine Frau seinen Namen und bittet den Perkussionisten um ein Selfie mit ihr. Magary Lord gehört zur Gruppe wie etwa auch Peu Maurray, die zusammen mit Seu Jorge und seiner Band dessen neuestes Album „Baile à la Baiana“ aufgenommen haben und ihn auf der Tournee begleiten. „Baile à la Baiana“ sei eine Kombination von Einflüssen, die Seu Jorge nach eigenen Worten im Laufe der Jahre gesammelt habe, indem er seine eigenen Wurzeln aus Rio mit der Kraft der schwarzen Musik aus Bahia vermischt habe. Dass es ein Album zum Tanzen, um Spaß zu haben und das Leben zu feiern, ist, wird schnell spürbar, als er ein paar Stück daraus spielt.

Für viele aus dem Publikum dürfte die Musik Balsam für die Seele sein, das es erleichtert, mit der Sehnsucht nach Brasilien umzugehen. In den vergangenen Jahren sind verstärkt Brasilianer nach Luxemburg gekommen, insbesondere jene, die in direkter Linie Nachkommen von Luxemburgern sind, die einst etwa nach Brasilien ausgewandert waren und nach dem Prinzip des „Recouvrement“ (Wiedereinbürgerung) und auf diese Weise wieder die luxemburgische Staatsbürgerschaft wieder erhalten können. Mehr als 4.000 Brasilianer sind auf diese Weise allein im Jahr 2023 eingebürgert worden (insgesamt waren es im selben Jahr etwa 4.400). Derweil zählte das nationale Statistikamt Statec im vergangenen Jahr 3.255 Brasilianer, der im Großherzogtum leben. Nicht zu vergessen ist aber auch, dass mehr als 27.000 luxemburgische Staatsbürger in Brasilien leben. Kein Wunder, dass mehrere Politiker der luxemburgische Politiker im Wahljahr 2023 nach Brasilien flogen. Sie folgten einer Einladung des Vereins der luxemburgischen Bürger Brasiliens (AClux) in Florianopolis im südbrasilianischen Bundesstaat Santa Catarina.
Fast schon zwangsläufig ist, dass Seu Jorge sogar den Bossa-Nova-Klassiker „Chega de Saudade“ (1958) von Antônio Carlos Jobim (Musik) und Vinícius de Moraes (Text) auspackt, um die Wehmut zu vertreiben. Ein ums andere Mal spielt er danach eine Zugabe, sodass am Ende sogar die Türsteherinnen des Security-Teams mitgrooven. An diesem Abend hat Seu Jorge sein Ziel erreicht und schickt nach fast zwei Stunden das Publikum gut gelaunt nach Hause.

		    		
                    De Maart
                
                              
                          
                          
                          
                          
                          
                          
                          
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