Freitag7. November 2025

Demaart De Maart

KonfliktSchilderstreit zwischen Kosovo und Serbien eskaliert

Konflikt / Schilderstreit zwischen Kosovo und Serbien eskaliert
In Mitrovica löste der Schilderstreit gestern Proteste der Kosovo-Serben aus, die den Dienst in den kosovarischen Institutionen verweigern Foto: AFP/Armend Nimani

Jetzt weiterlesen!

Für 0,99 € können Sie diesen Artikel erwerben:

Oder schließen Sie ein Abo ab:

ZU DEN ABOS

Sie sind bereits Kunde?

Der leidige Nummernschilderstreit lässt Kosovo nicht zur Ruhe kommen. Weil Pristina die Einführung von Kosovo-Autokennzeichen auch im serbisch besiedelten Norden erzwingen will, verlassen immer mehr Kosovo-Serben die staatlichen Institutionen – mit dem Segen und auf Anweisung Belgrads.

Die Kameras filmten bei der theatralisch inszenierten Dienstverweigerung unentwegt. Unter prasselndem Applaus entledigten sich die Polizei-Kommandeure im serbischen Norden der geteilten Kosovo-Metropole Mitrovica ihrer Diensthemden, die Hosen behielten sie an. „Brüder und Schwestern, wir haben gemeinsam die Entscheidung getroffen, bei der Kosovo-Polizei zu kündigen – und an der Seite unseres Volkes zu stehen“, verkündete ein serbischer Polizei-Kommandant voller Pathos: „Es ist genug.“

Es ist der leidige Streit um die Autokennzeichen, der die Wellen der Erregung zwischen den unwilligen Nachbarn wieder einmal kräftig wogen lässt – und im überwiegend serbisch besiedelten Nordwestzipfel des Staatenneulings für gehörige Unruhe sorgt. Weil der von Serbien nicht anerkannte Staatenneuling die Einführung seiner Autokennzeichen auf seinem gesamten Territorium erzwingen will, haben im Norden Kosovo-Serben am Wochenende die staatlichen Institutionen verlassen – mit dem Segen und auf Anweisung Belgrads.

Nur noch auf bis zu 120.000 wird die Zahl der Kosovo-Serben im 1,8-Millionen-Einwohner-Staat geschätzt. Die Mehrheit von ihnen lebt in Enklaven im Zentral- und Südkosovo, eine Minderheit von 35.000-40.000 im Nordwestzipfel des Landes, der zumindest politisch noch stets von Belgrad kontrolliert wird.

Die Serben im Süden haben sich mit den Kosovo-Kennzeichen notgedrungen längst abgefunden. Die Serben im Norden, die meist mit von Serbien ausgegebenen Nummernschildern oder abgelaufenen Autokennzeichen der früheren UN-Verwaltung durch die Lande tuckern, wehren sich mit Unterstützung und in Regie Belgrads hingegen verbissen gegen die „Erniedrigung“. Die „Malträtierung“ der Serben in Kosovo überschreite „alle Grenzen“, erregt sich Serbiens Außenminister Ivica Dacic: Pristina habe sich zum Ziel gesetzt, langfristig die Serben zu vertreiben – und „den Norden zu zerschlagen“.

Waffengerassel und wüste Vorwürfe

Seit Monatsbeginn hat Kosovos Polizei bereits über 800 Verwarnungen wegen des Fahrens mit ungültigen Kennzeichen ausgestellt, ab dem 27. November sollen erste Geldbußen folgen: Notorischen Kennzeichen-Verweigern kann langfristig selbst die Beschlagnahme ihrer Vehikel drohen.

Überschattet wird der Schilderstreit wieder einmal von Waffengerassel und wüsten Vorwürfen. Serbien hat nach dem Abschuss einer angeblich von Pristina in Marsch gesetzten „Spionage-Drohne“ die Kampfbereitschaft seiner Armee erhöht. Pristina wirft Belgrad umgekehrt vor, im Dienste Moskaus die Kosovo-Serben zu missbrauchen, um von hausgemachten Problemen und dem erhöhten EU-Druck zur Übernahme der Russland-Sanktionen abzulenken.

Wo es auf beiden Seiten keinerlei Wille für eine einvernehmliche Lösung gibt, findet sich selten ein Weg. Leidtragende sind die Betroffenen. Wagen sich Kosovo-Serben aus dem Norden mit alten Kennzeichen in den Süden des Landes, sind ihnen Strafen gewiss. Schrauben sie sich die neuen Schilder aufs Blech, sehen sie sich nicht nur Beschimpfungen nationalistischer Landsleute ausgesetzt: Einige Autos mit neuen Kennzeichen wurden im Nordkosovo offenbar als Warnung an andere „Verräter“ bereits abgefackelt.