Ein altes Gemälde zeigt die „Koning Willem de Tweede“ in voller Fahrt – stolz schneidet sie mit aufgeblähten Segeln durch die See. Fast 170 Jahre lang galt das niederländische Handelsschiff als verschollen. Nun sind Meeresarchäologen überzeugt, das Wrack des 800-Tonners vor der Küste Südaustraliens entdeckt zu haben. Doch der Fund ist mehr als eine spektakuläre Entdeckung für die maritime Forschung: Er erzählt auch eine vergessene Geschichte von Migration, Hoffnung – und Enttäuschung.

Im Juni 1857 geriet das Schiff vor der kleinen Küstenstadt Robe in einen heftigen Sturm. Nur wenige Tage zuvor hatte es in der nahegelegenen Guichen Bay über 400 chinesische Goldgräber an Land gesetzt. Sie waren auf dem Weg nach Bendigo und Ballarat im Bundesstaat Victoria, getrieben von der Hoffnung auf Reichtum – und vom Wunsch, eine hohe Einreisesteuer zu umgehen. Denn wer direkt in Victoria ankam, musste damals ein hohe Gebühr von zehn Pfund zahlen. Um dieser Steuer zu entgehen, gingen viele chinesische Migranten lieber in Südaustralien an Land und legten den Rest der Strecke, oft über 500 Kilometer, zu Fuß zurück.
Kapitän wurde gerettet
Für das Schiff war Robe nur eine Zwischenstation. Kurz nach der Abfahrt zurück in die Niederlande wurde es von einem Sturm überrascht. Kapitän Hindrik Remmelt Giezen versuchte noch, das Schiff an Long Beach auf Grund zu setzen – vergeblich. Die „Koning Willem de Tweede“ zerbrach offenbar innerhalb kürzester Zeit in der Brandung. Nur neun der 25 Besatzungsmitglieder überlebten das Unglück. Die übrigen 16 Seeleute wurden später in den Dünen östlich von Robe beigesetzt. Kapitän Giezen selbst wurde dank eines Fasses gerettet, an das ein Seil gebunden war, mit dem Retter ihn durch die stürmische See an Land ziehen konnten.
Im März dieses Jahres – nach fast dreijähriger Suche – stieß ein Tauchteam auf die Überreste des Wracks. Das „Koning Willem de Tweede Shipwreck Project“ war 2022 mit dem Ziel gestartet worden, das Schiff zu lokalisieren und archäologisch zu dokumentieren. Unterstützt wurde die Suche vom Australian National Maritime Museum, der Silentworld Foundation, dem südaustralischen Umweltministerium und der Flinders University.
„Wie ein Schneesturm unter Wasser“
James Hunter, kommissarischer Leiter für maritime Archäologie am Museum, war der erste Taucher, der das Wrack entdeckte. „Bei dem, was wir tun, gehört immer auch ein bisschen Glück dazu“, sagte er gegenüber CNN. Der Sand habe gerade genug freigelegt, dass das Team die Struktur erkennen und mit den Händen ertasten konnte. In einem Interview mit dem australischen Sender ABC beschrieb Hunter die schwierigen Bedingungen unter Wasser: „Es braucht kaum etwas, um den Sand aufzuwirbeln – er bleibt dann fast wie bei einem Schneesturm unter Wasser in der Schwebe.“
Die Archäologen entdeckten die Ankerwinde des Schiffs, die teilweise aus dem Meeresboden ragte, sowie einen Eisenrahmen und eine gut erhaltene Holzplanke. Diese Funde deuten darauf hin, dass größere Teile des Rumpfs noch im Sand verborgen liegen könnten. Magnetische Anomalien in der Umgebung stimmen mit der dokumentierten Länge des Schiffes – rund 42,7 Meter – überein. In der Nähe fanden sich außerdem Bruchstücke chinesischer Keramik aus dem 19. Jahrhundert – ein weiterer Hinweis auf die Herkunft des Wracks. Dass es sich tatsächlich um die „Koning Willem de Tweede“ handelt, gilt unter den Forschenden mittlerweile als sehr wahrscheinlich. In dem betreffenden Abschnitt von Long Beach ist kein anderes Schiffsunglück dieser Art bekannt. Die Lage des Wracks stimmt zudem mit historischen Berichten überein.
Geschichte der Migration
Für Mark Polzer vom südaustralischen Umweltministerium ist der Fund weit mehr als eine archäologische Sensation. „Es ist ein wichtiges Wrack für die Region, aber es erzählt auch eine größere Geschichte – nämlich die der Migration“, sagte er dem Sender ABC. In den 1850er-Jahren war es üblich, chinesische Arbeiter in anderen Häfen als Melbourne anlanden zu lassen, um die restriktive Einwanderungspolitik Victorias zu umgehen. Agenten in China charterten europäische Handelsschiffe – wie die „Koning Willem de Tweede“ –, um Migranten stattdessen über Südaustralien einzuschleusen. Was wie ein Umweg aussah, war für viele der einzige Weg, den Traum vom Gold zu verfolgen. Letzterer erfüllte sich für viele jedoch nicht: Diskriminierung, harte Bedingungen und die Rückzahlung der Reisekosten ließen viele Migranten in Armut zurück.
In den kommenden Monaten sollen weitere Tauchgänge dabei helfen, den Zustand des Wracks genauer zu dokumentieren und vielleicht noch mehr über das Schiff und seine letzte Reise zu erfahren.
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